INV-SSI908 Hünikerstrasse 10, 18. Jh. (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-SSI908
Signatur Archivplan:SSI908
Titel:Hünikerstrasse 10
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Nordwesten (2017)
Bezirk:Zurzach
Gemeinde:Schneisingen
Ortsteil / Weiler / Flurname:Hüniken
Adresse:Hünikerstrasse 10
Versicherungs-Nr.:10
Parzellen-Nr.:867
Koordinate E:2669986
Koordinate N:1263044

Chronologie

Entstehungszeitraum:18th cent.
Grundlage Datierung:Schätzung
Nutzungen:1875-1962 Wagnerei

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Würdigung:Wohl aus dem späten 18. Jahrhundert stammender bäuerlicher Vielzweckbau von stattlichen Dimensionen, der am Wohnteil ein intakt erhaltenes Fachwerk mit geschossweisem Abbund, spätbarocker Befensterung und dekorativen Elementen wie Kreuzstreben, profilierten Fensterbänken und giebelseitigen Flugsparrendreiecken zeigt. Von erheblichem konstruktionsgeschichtlichem Wert sind die wohl noch durchgehend vorhandenen Flechtwerkfüllungen mit Lehmverstrich, die inwendig an der Giebelwand des Wohnteils und über den Tenntoren sichtbar sind. Der in zwei Phasen mit einem Quergiebel sowie einer stirnseitigen Verlängerung erweiterte Ökonomieteil besitzt noch Teile der alten Nutzungseinrichtung; als grosse Rarität ist eine vollständig erhaltene Wagnereiwerkstatt zu erwähnen, die 2018 an das Freilichtmuseum Ballenberg gelangt ist. Zusammen mit dem nahegelegenen Haus Hünikerstrasse 15 (Bauinventarobjekt SSI909) als weiterem wertvollen Einzelobjekt markiert das Gebäude den alten Schneisinger Ortsteil Hüniken.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Der bäuerliche Vielzweckbau dürfte nach der Ausgestaltung des Fachwerks, der barocken Befensterung und dem giebelseitig ausgebildeten Fluggespärre im späteren 18. Jh. entstanden sein. Im ersten verfügbaren Brandkataster von 1850 wird er als „2stökiges Wohnhaus mit Scheuer & Tremkeller von Rieg unter Ziegel- & Strohdach“, im Eigentum der Erben des Franz Brem (auch Bräm), beschrieben [1]. Es mass 65 mal 33 Fuss (19.5 x 10 Meter), was den Abmessungen des heutigen Kernbaus entspricht. Es ist davon auszugehen, dass sich die Weichbedachung auf den Scheunentrakt bezog. Bis zum nachfolgenden Brandkatastereintrag von 1875 wurde das Gebäude vollständig mit Ziegeln eingedeckt. 1880 wurde ein Werkstattanbau realisiert, wohl der rückwärtige Quergiebeltrakt. 1875 ging die Liegenschaft an Jakob Graf, Wagner, über. Spätestens ab diesem Zeitpunkt beherbergte es eine Wagnerei, die in der Folge von verschiedenen Nachkommen Jakob Grafs betrieben wurde. Um 1930/40 verlängerte man das Haus südseitig um einen Gebäudeteil, in dem sich zuletzt die Wagnerwerkstätte befand. Letzter Wagner war August Graf, welcher den Betrieb wie auch die Landwirtschaft 1962 aufgab [2].
1982 wurde vor dem Hauseingang ein Windfang errichtet [3]. Aktuell (2017/18) ist ein Umbau geplant. Die vollständig erhaltene Wagnereieinrichtung wurde in diesem Rahmen an das Freilichtmuseum Ballenberg abgegeben, wo sie im Frühling 2018 neu aufgebaut werden soll [4].
Beschreibung:Der bäuerliche Vielzweckbau nimmt mit seinem langgestreckten Baukörper ein Grundstück zwischen der Hünikerstrasse und dem rückwärtigen Hünikerbach ein. Er vereint unter durchgehendem, geknicktem Giebeldach einen im Fachwerkbau erstellten, zweigeschossigen Wohnteil und die südseitig daran anschliessende Ökonomie, die nach dem Schema des Mittertennhauses in der Nutzungsabfolge Tenn-Stall eingerichtet ist und um 1930/40 um einen Trakt mit der Wagnereiwerkstätte verlängert wurde. Die durchgehende, ruhige Dachfläche ist seit längerem mit Falzziegeln eingedeckt. Der Wohnteil, der sich mit seiner traufseitigen Stubenfront nach Westen orientiert, erhebt sich über einem Mauersockel und einem auffallend mächtigen eichenen Schwellenkranz, der heute verputzt ist. Das fassadensichtige Fachwerk ist geschossweise abgebunden und mit den Kreuzstreben unter den traufseitigen Obergeschossfenstern sparsam durch dekorative Elemente akzentuiert. Es zeigt eine bereits ältere grünlichgraue, rückwärtig weisse Farbfassung. Reste anderer Farbfassungen sind nicht zu erkennen, so dass es sich bei den ungewöhnlichen Farbtönen um einen ursprünglichen oder jedenfalls schon älteren Zustand handeln dürfte. Als Rarität sind wohl noch durchgehend Flechtwerkfüllungen mit Lehmverstrich erhalten, wie sie auf der Innenseite der nördlichen Giebelwand und der traufseitigen Tennwände zu sehen sind.
Die mit einem Ladenfalz versehenen Fenstereinfassungen besitzen an der Stubenfront reich profilierte Bänke in den Formen des 18. Jh. Sie besitzen noch Fensterverschlüsse aus dem frühen 20. Jh. samt Vorfenstern sowie hölzerne Jalousieläden. Der Hauseingang liegt seitlich neben dem Tenn und wird heute von einem Windfanganbau von 1982 verdeckt. Die 1967 noch vorhandene, später verschwundene bauzeitliche Haustür zeigte eine schöne rautenförmige Aufdoppelung; ein profilierter Sturzbalken trennte ein kielbogig gerahmtes Oberlicht ab. Die nördliche Stirnseite tritt als geschlossene, nur spärlich befensterte Wandfläche prominent in Erscheinung. Ein wesentliches gestalterisches Element bilden hier die auf unverzierte Büge abgestützten Flugsparrendreiecke („Zürivieri“).
Ebenfalls nur spärlich befenstert ist die rückwärtige östliche Traufseite. Im Bereich des Hintereingangs sind ihr auf beiden Geschossen Lauben vorgelagert, von denen die erdgeschossige noch einen verbretterten Abort besitzt. Vor der Nordhälfte der Rückfront ist das Dach über einen nachträglichen, mehrheitlich offenen Bretterverschlag herabgeschleppt.
Die Erschliessung des Wohnteils erfolgt über einen durchlaufenden Quergang neben dem Tenn, der im hinteren Bereich die Treppe ins Obergeschoss enthält. Im Erdgeschoss sind nach gängiger Viererteilung im Vorderhaus Stube und Nebenstube, im Hinterhaus die Küche und eine Kammer angeordnet. In der Stube hat sich gestemmtes Täfer aus dem 19. Jh. erhalten, das teilweise noch eine Holzmaserierung in zwei unterschiedlichen Grundtönen zeigt. Ein Heimatstil-Kachelofen stammt aus dem mittleren 20. Jh. Die Kammer zeigt Krallentäfer aus der Zeit um 1900 in einfacher Ausführung. Gleiches gilt für die Obergeschossräume, die über einen durchlaufenden Längsgang erschlossen werden. Das Dachgerüst ruht über dem Wohnteil auf einem liegenden, über dem Ökonomieteil auf einem stehenden Stuhl. Unter Stube und Nebenstube liegt ein Tremkeller, der über einen Aussenzugang an der Stubenfront zugänglich ist.
Der Ökonomieteil wurde im Bereich des Stalls im frühen 20. Jh. mit gelblichem Sichtbackstein neu aufgemauert. Älter ist das Tenntor samt Mannstür. Unter der Verbretterung der Heubühnenwand hat sich eine durchgehende, vollständig intakte Fachwerkwand aus der Bauzeit erhalten, die über dem Tenntor Ausfachungen wie am Wohnteil zeigt und ursprünglich wohl auch hier fassadensichtig war. Demgegenüber waren die ungefüllten Gefache über dem Stall wohl seit jeher mit einer Verbretterung geschlossen. Rückwärtig schliesst an den ursprünglichen Ökonomieteil ein wohl 1880 entstandener, grosser Quergiebelanbau an, der ebenerdig als offener Werkplatz ausgebildet ist und im Obergeschoss eine luftdurchlässige Verbretterung besitzt. Darunter steht ein Schweinestall, der in durchaus üblicher Disposition nicht innerhalb des Grossviehstalls, sondern in der Nähe zum Küchenausgang angeordnet ist [5]. Die um 1930/40 entstandene südseitige Verlängerung des Ökonomietrakts beherbergte im gemauerten, durch Fensteröffnungen gut belichteten Erdgeschoss die Wagnereiwerkstatt; der in Gerüstbauweise erstellte Oberbau ist traufseitig verbrettert, stirnseitig mit Eternitschindeln versehen.
Der im frühen 20. Jh. modernisierte Stall zeigt im Inneren noch die damalige Einrichtung samt Einfütterungsöffnungen vom Tenn. Bemerkenswert ist die aus mehreren Geräten bestehende, samt Werkzeugen intakt erhaltene Wagnereieinrichtung aus dem frühen 20. Jh., die im Hinblick auf einen Umbau des Gebäudes an das Freilichtmuseum Ballenberg abgegeben wurde.
Anmerkungen:[1] Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0747-0749, Brandkataster Gemeinde Schneisingen, 1851-1938.
[2] Aargauer Volksblatt, 6.1.1973 (Nachruf).
[3] Gemäss Baugesuchsarchiv.
[4] Vgl. Die Botschaft, 7.2.2018.
[5] Räber 1996, S. 403f.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Literatur:- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 1, Basel 1996, S. 47, 261, 319, 403f.
Quellen:- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, Schneisingen XI-18/1.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Materialien, Bestandesaufnahmen 1967, Mappe 174 b-2.
- Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0747-0749, Brandkataster Gemeinde Schneisingen, 1851-1938.
- Gemeinde Schneisingen, Baugesuchsarchiv: Windfanganbau 1982.
- Aargauer Volksblatt, 6.1.1973 (Nachruf August Graf).
- Die Botschaft, 7.2.2018.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=132159
 

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