INV-LEN946 Rebhäuschen Bölli, 1644 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-LEN946
Signatur Archivplan:LEN946
Titel:Rebhäuschen Bölli
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Südosten (2017)
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Lenzburg
Ortsteil / Weiler / Flurname:Bölli
Adresse:Bölli 23
Versicherungs-Nr.:277
Parzellen-Nr.:1430
Koordinate E:2656198
Koordinate N:1247907

Chronologie

Entstehungszeitraum:1644
Grundlage Datierung:Inschrift (Fenstersturz Südfassade)
Nutzungen:1942 Wochenendhaus

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:LEN956
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Rebhaus
Epoche / Baustil (Stufe 3):Spätgotik

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2017

Dokumentation

Autorschaft:Michel Meyer, Steinmetz (1644); Richard Hächler (1897-1966), Architekt, Lenzburg (Umbau 1942)
Inschriften:"1644" (Fenstersturz Südfassade)
Würdigung:1644 durch Steinmetz Michel Meyer erstelltes Rebhäuschen auf der Hügelkuppe des Bölli, das von Architekt Richard Hächler 1942 zunächst zum Wochenendhaus umgebaut und 1948 in den Neubau seiner Villa einbezogen wurde. Der spätgotische Mauerbau, der mit sorgfältig gehauenen Fenster- und Türgewänden samt einem Steinmetzzeichen versehen ist, dokumentiert mit seiner gut erhaltenen äusserlichen Erscheinung noch seine ursprüngliche Bestimmung als Flurwächterhaus in den südlich vor der Stadt am Abhang des Bölli gelegenen Rebbergen und bildet damit ein Zeugnis für den in Lenzburg einst verbreiteten Weinbau. Der sorgfältige Umbau zu einem Wochenendhaus und dessen originelle Einbeziehung in das benachbarte eigene Wohnhaus des Architekten Richard Hächler (Bauinventarobjekt LEN956) sind ein qualitätvolles Zeugnis für den Heimatstil der 1940er Jahre und insbesondere für die damals noch vergleichsweise neue Aufgabe des Bauens im Bestand.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Rebhäuschen wurde gemäss Bauinschrift mit Jahrzahl und Steinmetzzeichen 1644 durch den Lenzburger Steinmetz Michel Meyer (1616-1693) errichtet, der in Lenzburg auch am Rathaus sowie an zahlreichen anderen Gebäuden tätig war und der nur ein Jahr nach dem Rebhäuschen für die Stadt auch die nahe Trotte am Südfuss des Goffersbergs (Kantonales Denkmalschutzobjekt LEN042) erstellte [1]. Bewirtschaftet wurden die Rebberge am Bölli von städtischen Bürgersfamilien, welche das Land 1521 von Schultheiss und Rat der Stadt mit der Auflage erhalten hatten, es zu bestocken und darauf Wein zu bauen [2]. Ob das Rebhäuschen in deren Auftrag entstand oder in jenem der Stadt, ist nicht bekannt.
Rebhäuschen bilden einen verbreiteten Bautypus und damit auch ein charakteristisches landschaftliches Element in Weinbaugebieten. Neben der Aufbewahrung von Gerätschaften für den Weinbau dienten sie zunächst vor allem als Behausung für den Flurwächter (Bannwart / Bammert), dessen Aufgabe es war, die reifen Trauben vor Vogelschwärmen zu schützen, worauf noch die in Südbaden und im Baselbiet geläufige Bezeichnung „Bammerthäuschen“ deutet. Mit der Zeit entwickelten sich die oft landschaftlich reizvoll und in schöner Aussichtslage gelegenen Kleinbauten auch zu beliebten Aufenthaltsorten vor den Mauern der Stadt, die in der warmen Jahreszeit gerne für kleinere Gesellschaften aufgesucht wurden [3]. Auch in Lenzburg sind solche Anlässe aus dem späteren 18. Jh. überliefert [4].
Im Brandkatastereintrag von 1899 wird das Gebäude noch als „Gartenhaus“, im Eigentum von J.J. Brann und Emil Rohr, beschrieben. 1906 ging es an Emil Rohr und andere Miteigentümer über, 1925 an Emil Max Schwarz, Kaufmann [5]. 1942 gestaltete der bekannte Lenzburger Architekt Richard Hächler den mittlerweile erworbenen Kleinbau zu einem Wochenendhaus um [6]. Dabei wurde das ursprünglich kleinere Gebäude nordseitig auf doppelte Länge erweitert und im Inneren in zeittypischen Heimatstilformen neu ausgebaut. Das umgebende ehemalige Rebland war damals bereits nicht mehr bestockt, sondern eine mit Einzelbäumen bestandene, noch vollkommen unbebaute Wiese. Nur wenig später bezog Hächler das Rebberghäuschen 1948 in seine damals errichtete Villa (Bauinventarobjekt LEN956) mit ein [7].
Beschreibung:Das 1644 errichtete Rebhäuschen ist heute Teil der Villa des Architekten Richard Hächler, eines qualitätvollen Heimatstilbaus von 1948, der mit dem dreihundert Jahre älteren Kleinbau auf originelle Weise über eine offene Gartenhalle verbunden ist (vgl. Bauinventarobjekt LEN956). Kernbau des Rebhäuschens ist die südliche Gebäudehälfte, ein zweigeschossiger spätgotischer Mauerbau, der sich ursprünglich auf annähernd quadratischem Grundriss erhob und von einem Satteldach abgeschlossen wird. In einer für die Bewachung der Rebberge geeigneten Aussichtslage ist er knapp westlich vom höchsten Punkt auf die Hügelkuppe des Bölli gesetzt, wobei die schmale Stirnseite mit dem obergeschossigen Fenster der ehemaligen Flurwächterstube nach Süden blickt. Seine heutigen Ausmasse erhielt das Gebäude beim Umbau zum Wochenendhaus im Jahr 1942, als man den Kernbau in ähnlichen Formen auf die doppelte Länge nach Norden erweiterte. In der Mitte der östlichen Traufseite sind die beiden Geschosse mit zwei übereinander angeordneten Eingängen samt Aussentreppe erschlossen. Diese werden von spätgotisch gefasten Muschelkalkgewänden gerahmt, von denen das untere stichbogig, das obere gerade schliesst. Das zweiteilig ausgebildete stirnseitige Stubenfenster trägt auf dem Sturz die Jahrzahl 1644 und das Steinmetzzeichen von Michel Meyer. Ein weiteres spätgotisches Fensterchen liegt im Obergeschoss der westlichen Traufseite. Vom Umbau von 1942 stammt hingegen das zweiteilige Fenster im Erdgeschoss der Westfassade. Damals wurden die Fassaden wohl durchgehend neu verputzt, wobei man die unregelmässig geformten Gewändesteine sowie die Gebäudekanten in zeittypisch „rustikaler“ Art steinsichtig beliess. Ebenfalls vom Umbau stammen die heutige Aussentreppe, die Fensterläden und Türblätter. Das Dach ist mit alten, teilweise handgemachten Biberschwanzziegeln eingedeckt.
Das Innere präsentiert sich heute weitgehend im Zustand von 1942 als betont einfach und rustikal ausgebaute Wochenendbehausung in zeittypischen Heimatstilformen. Im Erdgeschoss liegen Küche und Nebenräume; das nur von aussen zugängliche Obergeschoss umfasst die südseitig gelegene Stube und das nordseitige Schlafzimmer. Die Böden sind mit zeittypischen Terrakottafliesen belegt. Die Stube besitzt in der Südostecke ein kleines, viertelkreisförmiges Cheminée mit Ziegelsteineinfassung. Ein Wandkästchen mit rahmenden Pilastern stammt wohl aus dem Antiquitätenhandel. Die Stube wird von einer Balkendecke abgeschlossen, das Schlafzimmer von einer gotisierenden hölzernen Flachtonne. Das Interieur wird durch das mehrheitlich aus den 1940er Jahren stammende, rustikale Mobiliar und einen geschnitzten Leuchter vervollständigt.
Anmerkungen:[1] Stettler / Maurer Kdm AG II 1953, S. 80; zu Michel Meyer vgl. ebd., insbes. S. 53 u. 66.
[2] Siegrist 1955, S. 302.
[3] Vgl. zum Bautypus die Hinweise auf Wikipedia, Art ‚Bannwart‘ sowie bei Isabell Hermann / Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Schaffhausen, Schleitheim 2010, S. 135f.
[4] Heidi Neuenschwander, Geschichte der Stadt Lenzburg. Von der Mitte des 16. zum Ende des 18. Jahrhunderts. Auf dem Weg vom Mittelalter zur Neuzeit, Aarau 1984 (auch erschienen als: Argovia, Bd. 96), S. 335f.
[5] Staatsarchiv Aargau, ZwA 1940.0007/4463, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1829-1850; CA.0001/0413-0417, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1850-1938.
[6] Umbaupläne im Baugesuchsarchiv. Zu Richard Hächler (1897-1966) vgl. Schweizerische Bauzeitung, 84. Jg. (1966), S. 375f. (Nekrolog); Michael Hanak, Inventar Industriegebiet Torfeld Süd, Aarau, im Auftrag des Stadtbauamtes Aarau, 2008, S. 184f.
[7] Pläne im Baugesuchsarchiv.
Literatur:- Michael Stettler / Emil Maurer, Die Bezirke Lenzburg und Brugg (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. II), Basel 1953, S. 80.
- Jean Jacques Siegrist, Lenzburg im Mittelalter und im 16. Jahrhundert. Ein Beitrag zur Verfassungs- und Wirtschaftsgeschichte der Kleinstädte [Geschichte der Stadt Lenzburg, Bd. I], Aarau [1955] (auch erschienen als: Argovia, Bd. 67), S. 300-303
- Wikipedia, Art. ‚Bannwart‘: http://de.wikipedia.org (Zugriff 28.2.2017).
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, ZwA 1940.0007/4463, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1829-1850; CA.0001/0413-0417, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1850-1938
- Stadt Lenzburg, Baugesuchsarchiv: Umbau 1940; Neubau Villa 1948.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=132652
 

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