INV-LEN947 Villa Bollbergstrasse 8, 1873 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-LEN947
Signatur Archivplan:LEN947
Titel:Villa Bollbergstrasse 8
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Westen (2017)
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Lenzburg
Ortsteil / Weiler / Flurname:Bollberg
Hist. Name Objekt:Villa Bertschinger
Adresse:Bollbergstrasse 8
Versicherungs-Nr.:66
Parzellen-Nr.:1815
Koordinate E:2656127
Koordinate N:1249283

Chronologie

Entstehungszeitraum:1873
Grundlage Datierung:Brandkataster

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Repräsentatives Wohnhaus, Villa
Epoche / Baustil (Stufe 3):Historismus

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2017

Dokumentation

Autorschaft:Theodor Bertschinger (sen., 1845-1911), Baumeister, Lenzburg
Würdigung:Vom bekannten Lenzburger Baumeister Theodor Bertschinger (sen.) 1873 als Wohnhaus für die eigene Familie erbaute Villa, die in der Nähe des eigenen Werkhofs an den Bollberghang zu liegen kam. Das in historistischen Formen gehaltene Gebäude nimmt mit dem turmartig gestalteten, asymmetrisch angeordneten Eckrisalit ein charakteristisches Gestaltungselement des sogenannten italienischen Villenstils auf. In seiner heutigen Gestalt ist es das Resultat mehrfacher Umbauten und Erweiterungen, die im Lauf der Jahre vor allem durch den ursprünglichen Erbauer, aber auch in späterer Zeit vorgenommen wurden. Im Inneren bewahrt es einen hohen Anteil an originaler Bausubstanz aus der Bauzeit wie auch aus der Zeit einer Erweiterung um 1910/20. Der grosszügige Garten besitzt einen wertvollen alten Baumbestand (Nebengebäude nicht Bestandteil des Schutzumfangs).
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die von Theodor Bertschinger (sen., 1845-1911) wohl nach eigenem Projekt erbaute Villa bildet das Stammhaus der bekannten Lenzburger Baumeisterfamilie; ihre Entstehung datiert gemäss Angabe im Brandkataster in das Jahr 1873 [1]. Bertschinger besass einen ganzen Teil des Bollberghangs, wo er seit 1868 auch seinen Werkhof betrieb und wenige Jahre später u.a. auch die Villa Bollbergstrasse 8 (Bauinventarobjekt LEN948) errichtete. Er war für seine Hochbauaufträge, insbesondere aber auch für den Bau zahlreicher Eisenbahnlinien und Bergbahnen in der ganzen Schweiz bekannt, wobei er seine Aufträge meist als Generalunternehmer ausführte [2]. Bereits 1875 wurde die Villa gemäss Brandkataster um eine Laube erweitert. Von zwei Gartenhäusern auf der Grenze zum Nachbargrundstück (aktuelle Vers.-Nrn. 125, 126), welche 1850 neu im Brandkataster erscheinen, möglicherweise aber bereits älter waren, gehörte das südliche (Vers.-Nr. 125) zur Entstehungszeit der Villa ebenfalls zum Grundstück [3]. Ein weiteres (Vers.-Nr. 127) wurde 1899 neu eingetragen, ging später aber ebenso wie das vorgenannte an andere Eigentümer über.
Um 1910/20 dürfte, nach der Ausstattung im Inneren zu schliessen, der zunächst wohl eingeschossige rückwärtige Anbau entstanden sein. Vielleicht etwa gleichzeitig entstand ein kleiner Balkonvorbau an der Nordfassade. 1932 errichtete man gemäss Brandkataster auf der Südseite der Villa ein Waschhaus (Vers.-Nr. 67). Wohl im gleichen Zeitraum wurde ein weiteres Gartenhaus auf der Nordseite des Grundstücks errichtet (Vers.-Nr. 119). Aus der Zeit um 1980/90 datiert das Obergeschoss des rückwärtigen Anbaus in seiner heutigen äusseren Erscheinung.
Beschreibung:Die Villa erhebt sich, vom umgebenden alten Baumbestand nahezu verborgen, in einem Gartengrundstück am Bollberghang. Es handelt sich um einen zweigeschossigen verputzten Mauerbau in Historismusformen, der von einem zeittypisch flachen Walmdach abgeschlossen wird. Ein charakteristisches Gestaltungselement ist die zur Hauptansicht nach Südosten gerichtete, leicht risalitierte und übergiebelte Eckpartie, die in der Art des sogenannten italienischen Villenstils als asymmetrisch platzierter Turm in Erscheinung tritt. Die hangabwärts nach Westen gewandte Längsseite ist neben dem einachsigen Eckrisalit mit zwei weiteren Achsen von Einzelfenstern versehen; die südliche Stirnseite zeigt neben dem Eckrisalit eine weitere Achse, die nördliche deren zwei. Die Gebäudekanten werden von Putzlisenen gefasst; ein Rankenfries in Neorenaissanceformen leitet zu der mit Konsolen gestalteten, vertäferten Dachuntersicht über.
Die sorgfältig gearbeiteten Fenstergewände sind in ungewöhnlicher Weise teils aus Sandstein, teils aus Muschelkalk gehauen. Ob dies mit dem Wunsch des Baumeisters nach der Präsentation verschiedener Baumaterialien oder umgekehrt mit der Verwendung von Ausschussmaterial aus anderen Baustellen zu erklären ist, ist nicht bekannt. Die obergeschossigen Gewände sind durch gerade, im Eckrisalit durch übergiebelte Verdachungen mit kleinen Konsölchen ausgezeichnet und sitzen, über Brüstungsfelder vermittelt, auf einer umlaufenen Geschossgurte auf. Die Brüstungsfelder sind mit skulptierten Ranken verziert, jene im Eckrisalit mit geometrischen Formen. Einen Blickfang bildet die Gestaltung der Giebelpartie am Eckrisalit, wo gegen Westen und Süden jeweils ein rundbogiges Zwillingsfensterchen in die gesprengte Grundlinie des flachen Dreiecksgiebels einschneidet. Der Hauseingang liegt eher unscheinbar desaxiert in der Südfassade. Er nimmt in ungewöhnlicher, vielleicht nachträglicher Gestaltung eine breite Stichbogenöffnung ein, in die zwei wuchtige, kannelierte Pilaster und ein über diese ausgreifendes Oblicht eingestellt sind; die Eichenholztür aus der Zeit um 1900 ist vergleichsweise einfach gestaltet.
Verschiedene nachträgliche Erweiterungen und Veränderungen, die vom Baumeister wohl entsprechend den aktuellen Wünschen zu unterschiedlichem Zeitpunkt ergänzt werden, verunklären das Bild des ursprünglichen Baukörpers etwas, darunter etwa ein zusätzliches Fenster an der Südfassade und ein Balkonvorbau an der Nordfassade. Der grösste Anbau erstreckt sich rückwärtig anstelle einer ursprünglichen Laubenschicht über die gesamte Gebäudebreite und tritt von der Hauptschauseite nur wenig in Erscheinung. Das gemauerte Erdgeschoss stammt noch aus dem früheren 20. Jh. Jüngeren Datums ist wohl das Obergeschoss.
Die Innenausstattung zeigt sich ebenfalls als Resultat mehrfacher Umgestaltungen. Der Hauseingang öffnet sich auf einen rückwärtig gelegenen, grosszügigen Gang, an den direkt das Treppenhaus anschliesst. Eine dreiläufig gebrochene Treppe mit gedrechseltem Staketengeländer samt Antrittspfosten führt ins Obergeschoss. Talseitig nach Westen liegen im Erdgeschoss die ursprünglichen Wohnräume; hangseitig schliesst der um 1910/20 errichtete Anbau an, der ein weiteres Wohnzimmer enthält. Erhalten hat sich in den Wohnräumen eine gepflegte Ausstattung mit teils raumhohem, teils niedrigerem Feldertäfer und entsprechenden Türen, ausserdem Tapeten mit Blumen- und Vogelmustern (teilweise übermalt) und ein eiserner Zylinderofen aus der Bauzeit des Hauses. Das Wohnzimmer im rückwärtigen Anbau besitzt eine deutlich jüngere Ausstattung aus der Zeit um 1910/20 mit holzsichtigem Täfer. Blickfang des Raums ist ein dunkelgrüner Kachelofen zeittypischen, geometrisch reduzierten Formen. Aufgestellt ist in dem Raum zudem ein Buffet in üppigen Neorenaissanceformen.
Die Obergeschossräume sind dreiseitig von einem knappen Vorplatz aus erschlossen. Sie verfügen über etwas einfacheres Knietäfer und gefelderte Türen. Erhalten sind zwei schöne, klassizistisch gestaltete Kastenöfen aus der Entstehungszeit des Hauses in blauer und weisser Farbe. Im Dachgeschoss steht ein wohl in Zweitverwendung aufgestellter grüner Kachelofen aus dem mittleren 19 Jh. Das Eckzimmer im zweiten Obergeschoss des turmartigen Risalits ist sehr einfach gestaltet.
Der zugehörige Garten verfügt über einen alten, sehr dichten Baumbestand, wodurch das Gebäude in der Fernsicht heute kaum mehr wahrnehmbar ist. Unterhalb der am höchsten Punkt des Grundstücks gelegenen Villa ist das Terrain durch eine Stützmauer terrassiert; dieser entlang führt ein Fussweg bis zum Haus. Unmittelbar südöstlich der Villa steht das Waschhaus Vers.-Nr. 67, in etwas grösserer Distanz nördlich das langgestreckte Gartenhaus Vers.-Nr. 119 (beide Nebengebäude nicht Bestandteil des Schutzumfangs). Ein schöner Schmiedeeisenzaun umfriedet den Garten auf der Talseite.
Anmerkungen:[1] Freundl. Mitteilungen der Eigentümer (2017); Staatsarchiv Aargau, ZwA 1940.0007/4463, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1829-1850; CA.0001/0413-0417, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1850-1938.
[2] Zu Theodor Bertschinger (sen.) vgl. Schweizerische Bauzeitung (SBZ), Bd. 57 (1911), S. 305 (Nekrolog); 100 Jahre Theodor Bertschinger 1868–1968, [Zürich 1968], S. 5-28; Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), s.v. Theodor Bertschinger‘ (Stand 2002), http://www.hls-dhs-dss.ch; Michael Hanak, Quartieranalyse Wolfsacker in Lenzburg, im Auftrag des Stadtbauamtes Lenzburg, 2015 (Stadtbauamt Lenzburg), S. 34.
[3] Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1829-1850; CA.0001/0413-0417, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1850-1938.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Aargauer Heimatschutz AHS / Aargauer Landschaftsarchitekten BSLA, Inventar der Historischen Gärten und Anlagen des Kantons Aargau, Stadt Lenzburg, LEN-G-017.
Literatur:- Liebes altes Lenzburg, Fotos von anno dazumal, hrsg. von der Ortsbürger-Kommission Lenzburg und der Stiftung Pro Museum Burghalde Lenzburg, Lenzburg 1986, S. 138 (histor. Aufnahme).
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, ZwA 1940.0007/4463, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1829-1850; CA.0001/0413-0417, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1850-1938.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=132653
 

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