INV-LEN958 Gewerbeanlage Felsenkeller, 1865-1867 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-LEN958
Signatur Archivplan:LEN958
Titel:Gewerbeanlage Felsenkeller
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Osten, rechts das Hauptgebäude (2016)
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Lenzburg
Ortsteil / Weiler / Flurname:Felsenkeller
Hist. Name Objekt:Brauerei Felsenkeller; Verzinkerei Lenzburg
Adresse:Felsenkeller 2, 4, 6
Versicherungs-Nr.:4, 5, 8, Keller (keine Vers.-Nr.)
Parzellen-Nr.:1196, 3012, 3013
Koordinate E:2656875
Koordinate N:1248903

Chronologie

Entstehungszeitraum:1865 - 1867
Grundlage Datierung:Brandkataster
Nutzungen:1865-1928 Brauerei; 1950 Grastrocknerei; 1963 Verzinkerei

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Baugruppe
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Fabrikgebäude, Manufakturgebäude
Epoche / Baustil (Stufe 3):Spätklassizismus

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2017

Dokumentation

Inschriften:"perfer et obdura" (Portal Hauptbau)
Würdigung:Ensemble von Gewerbegebäuden mit bemerkenswerter Kelleranlage, dessen Kern 1865-67 durch Eduard Kunkler am Fuss des Goffersbergs als Brauerei „Felsenkeller“ errichtet wurde. Trotz verschiedener späterer Nutzungen ist das in gepflegten spätklassizistischen Formen gehaltene Hauptgebäude weitgehend im ursprünglichen Zustand erhalten und zeigt auch noch Spuren seiner einstigen Einrichtungen. Die äusserst aufwendig aus dem Fels gehauene Kelleranlage wird von einem repräsentativen Portal in der Art eines Eisenbahntunnels abgeschlossen. Zusammen mit dem 1891 errichteten Bierlager ergibt sich ein gut erhaltenes gewerbliches Ensemble, das neben seinem baukünstlerischen Wert auch die Hochphase der Brauereigründungen im ausgehenden 19. Jahrhundert dokumentiert. 1928 wurde die Bierbrauerei im harten Konkurrenzkampf aufgegeben. Die für die damalige Grastrocknerei erstellte und damit nicht zum ursprünglichen Ensemble gehörige Werkhalle von 1958 tritt gleichwohl als gepflegter, zeittypisch gestalteter Betonskelettbau in Erscheinung. Seit 1963 beherbergt die Anlage eine Verzinkerei.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Um 1860 ist in der Schweiz, vielleicht begünstigt von einigen Missernten im Weinbau, eine allgemeine Konjunktur von Brauereigründungen zu beobachten, wobei die Entwicklung unter anderem durch zunehmend grössere Betriebe und eine längere Lagerhaltung des Biers gekennzeichnet war [1]. Auch in Lenzburg entstanden in jenen Jahren zwei Brauereien. Jakob Eduard Kunkler-Hünerwadel, der aus einer in Marseille ansässigen Familie mit sanktgallischen Wurzeln stammte und dessen Vorfahren bereits geschäftliche Beziehungen nach Lenzburg unterhalten hatten, kaufte bis 1865 nordöstlich des Goffersbergs Land zusammen, um dort eine Brauerei zu errichten. In jenem Jahr begann er, den grossen, mehrteilig mit Gängen und Schachten angelegten „Felsenkeller“ aus dem Goffersberg graben zu lassen und übertrug diesen Namen auch auf die am Fuss des Hügels angelegte Brauerei. Das Hauptgebäude wurde gemäss Angabe im Brandkataster 1866/67 errichtet; der Eintrag lautete auf ein „Bierbrauerei-Gebäude mit Braupfanne, Maischkasten mit Maschinen, eisernem Vorwärmer, Dickmaischpumpe, Transmission und Röhrenleitung, Centesimalwaage, Malz- und Schrotkasten, Malzquetschmaschine nebst archimetischer [sic] Vorrichtungen, mechanischen Aufzügen, eisernem Wasserreservoir und Darreinrichtungen etc. von Stein, 3 Stock hoch, unter Ziegeldach, 55 ½' lang, 55 ½' breit, 27' hoch“ [2]. Ausserdem wurden ein noch bestehendes „Maschinengebäude“ (heute Teil von Vers.-Nr. 4) sowie diverse für die Bierbrauerei notwendige Schuppen und Nebengebäude eingetragen. Das Wasser führte man mit Wagen aus Quellen am Goffersberg und vom Moosweiher zu. Die Brauereianlage in der Frühzeit ist anschaulich auf einer zu Werbezwecken produzierten Lithografie wiedergegeben (vgl. Bilddokumentation). Weil Kunkler die grossen Investitionen schliesslich nicht zu tragen vermochte, ging der Betrieb 1876 an einen Gläubiger über. Aus der Konkursmasse wurde die „Aktienbrauerei zum Felsenkeller“ gebildet, die hauptsächlich der Bank von Winterthur gehörte. 1886 wurde der Betrieb vom bisherigen Braumeister Philipp Bernhard Lang übernommen. 1888 liess Lang die bestehenden Gebäude verbessern; 1891 wurde ein Lagerhaus (heute Vers.-Nr. 8) errichtet, das im Brandkataster als „Scheune mit Eiskeller von Stein, Eisen, Beton & Holz“ beschrieben wurde. 1896 erfolgten weitere Baumassnahmen am Maschinengebäude [3].
Weil sich der amerikanische Schlossherr August E. Jessup an den Gerüchen der Brauerei Schlossberg störte, bot er dem dortigen Brauer Josef Elsner als Ersatz den gerade zum Verkauf stehenden „Felsenkeller“ an. Elsner stammte aus Jauernig im damaligen Österreichisch-Schlesien (heute Javornik, Tschechien) und betrieb seit 1885 die zwischen Schloss- und Goffersberg gelegene Brauerei. Er akzeptierte den Handel offenbar nur zögerlich und mit zusätzlichen Zahlungen, da er die 1858 gegründete Brauerei mit einigem Aufwand instandgestellt hatte. 1901 ging der „Felsenkeller“ über einen Mittelsmann an Elsner [4]. Jessup übernahm daraufhin die Brauerei Schlossberg, um sie stillzulegen.
In einem scharfen Konkurrenzkampf wurden die lokalen Brauereien Anfang des 20. Jh. zunehmend von den noch grösseren Herstellern verdrängt. 1928 verkaufte Elsner die Anlage an einen Mittelsmann der Brauerei Feldschlösschen, die ein Verbot der Bierbrauerei als Dienstbarkeit auf das Grundstück eintragen liess und es in der Folge weiterverkaufte. 1931 wird Dr. Eugen Ziegler, Oekonom, als Eigentümer genannt; später gehörte die Anlage Max Buhofer, Miteigentümer der „Wisa-Gloria“-Werke [5]. 1950/51 wurde der Gebäudekomplex für W. Kunz-Herrmann zu einer Mosterei sowie Futter- und Grastrocknerei umgebaut. Für dieselbe Firma entstand 1958 anstelle einiger Brauerei-Nebengebäude der westseitige Anbau Vers.-Nr. 5; die Pläne lieferte das Ingenieurbüro A. u. W. Rupprecht in Neuenhof [6].
1963 ging die Fabrikanlage an Franz Gratwohl über, der in den Gebäuden den heute noch als „Verzinkerei Lenzburg AG“ firmierenden Familienbetrieb einrichtete [7]. Diverse Innenumbauten für die Verzinkerei erfolgten vor allem im ehemaligen Brauraum im Hauptgebäude sowie im Anbau von 1958. Rückwärtig entstanden verschiedene Unterstände als Warenlager. Die Wohnräume im Hauptgebäude wurden um das Jahr 2000 teilweise aufgefrischt.
Der „Felsenkeller“ befindet sich seit 1865 im Eigentum der Stadt, die ihn damals zur Umgestaltung in Luftschutzräume erwarb [8].
Beschreibung:Die als Brauerei errichtete Gewerbeanlage erstreckt sich auf der Nordostseite am Hangfuss des Goffersbergs, wo sie am Rand des Baugebiets vom Hornerfeld und der Hendschikerstrasse her weithin sichtbar ist. Aus der Entstehungszeit stammen der namengebende „Felsenkeller“, der oberflächlich nur mit einem schmalen Portal im Berghang in Erscheinung tritt, das unmittelbar davor gelegene Hauptgebäude (Vers.-Nr. 4) und das westlich an dieses angebaute Maschinenhaus (Teil von Vers.-Nr. 4). Wiederum westlich schliesst daran die als Grastrocknerei erbaute Werkhalle von 1958 an (Vers.-Nr. 5). Südöstlich etwas abgerückt steht am Berghang das Biermagazin von 1891 (Vers.-Nr. 8). Ausserdem erheben sich auf dem von Norden her erschlossenen, im engen Bereich zwischen Berghang und Gebäuden eingezwängten Areal einige kleinere, jüngere Warenunterstände (nicht Bestandteil des Schutzumfangs).
Hauptgebäude Vers.-Nr. 4:
Das Hauptgebäude von 1866/67 ist ein verputzter Mauerbau in spätklassizistischen Formen, der sich mit seinem mächtigen dreigeschossigen Baukörper über exakt quadratischem Grundriss erhebt und von einem flach geneigten, geraden Satteldach abgeschlossen wird. Die nördliche Traufseite ist mit fünf Achsen schlanker Stichbogenfenster in zeittypischer Weise streng regelmässig gestaltet; die ebenfalls von fern in Erscheinung tretende östliche Stirnseite zeigt in der stärker betonten Mittelachse zu Dreiergruppen geordnete Fenster nebst zwei weiter abgerückten seitlichen Achsen von Einzelfenstern. Die aus Muschelkalk gehauenen Gewände tragen hölzerne Jalousieläden. Erhalten sind mehrheitlich noch die wohl bauzeitlichen Fensterverschlüsse mit einer den schlanken Proportionen entsprechenden Viererteilung. Der an der östlichen Stirnseite gelegene Haupteingang besteht aus zwei gekuppelten Stichbogenportalen, von denen eines nachträglich auf ein Fenster reduziert wurde. Die Gewände tragen als Sinnspruch die für eine Brauerei untypische lateinische Inschrift „perfer et obdura“ (erdulde und harre aus), die wohl auf die Entstehungszeit zurückgeht. Vielleicht lässt sie sich auf die Grabarbeiten am Keller beziehen. Im Dachgeschoss ist noch eine ebenfalls stichbogige Aufzugsöffnung vorhanden; die Giebelfläche ist mit drei vorgeblendeten Okuli (Rundfenstern) als zeittypisches Dekorationsmotiv belebt. Weniger repräsentativ ist die zum Berghang gerichtete Rückfront gestaltet, die in der östlichen Hälfte eine Einzelbefensterung entsprechend der normalen Geschossteilung zeigt; die weitgehend geschlossene westliche Hälfte erhebt sich vor dem ursprünglichen Brauraum und den darüber angeordneten Schüttanlagen. Die westliche Stirnseite ist heute vom Anbau von 1958 verdeckt.
Im Gebäudeinneren ist das südwestliche Viertel der Grundrissfläche als Brauraum mit darüber angeordneten Schüttvorrichtungen über die gesamte Gebäudehöhe hinweg abgetrennt; um diesen Bereich herum erstrecken sich auf winkelförmigem Grundriss die einzelnen Geschosse. Alle Innenräume wurden nur sehr punktuell modernisiert. Die Deckenkonstruktion über dem doppelgeschossigen ehemaligen Brauraum ist als Eisenbalkendecke mit Kappengewölben ausgebildet und wird von einer hohen Gusseisensäule gestützt, die wohl aufgrund der jahrzehntelangen Einwirkungen vom Verzinkereibetrieb eine eigentümlich korrodierte Oberfläche zeigt. Heute wird der Raum nicht mehr zum Verzinken genutzt. Die übrigen Erdgeschossräume sind als Büros eingerichtet. Die heute kaum mehr benutzten Obergeschosse werden über ein Treppenhaus mit Holztreppe direkt hinter dem Haupteingang an der Ostfassade erschlossen. Im ersten Obergeschoss, das zwei Wohnungen umfasst, zeigen die südöstlich gelegenen Räume noch Reste der einfachen bauzeitlichen Ausstattung mit gestemmten Türen und einen schönen klassizistischen Kachelofen mit Palmettenfries. Die nördliche Wohnung wurden in jüngerer Zeit modernisiert. Das zweite Obergeschoss und das Dachgeschoss sind als durchgehende Lagerflächen eingerichtet. Die Holzbalkendecke über dem zweiten Obergeschoss wird von Gusseisensäulen getragen. Das Dachgerüst ist eine Pfetten-Rafen-Konstruktion über einem mit Diagonalstreben verstärkten stehenden Stuhl. Im Dachgeschoss führt ein Türdurchgang zu den noch vorhandenen Trichtern der Schüttvorrichtungen. Kleine, mit Holzläden verschlossene Öffnungen, die wohl zur Wartung dienten, öffnen sich im zweiten Obergeschoss auf die Trichter. In den Räumen sind zudem weitere Reste der Schüttvorrichtungen vorhanden.
Maschinenhaus (heute Teil von Vers.-Nr. 4):
Westlich an das Hauptgebäude schliesst als Pultdachanbau das Maschinenhaus an, das in seiner Situierung und Grundanlage ebenfalls auf die Entstehungszeit zurückgeht. Die leicht zur Strasse vorgerückte Stirnseite mit zwei grösseren Stichbogenfenstern stammt möglicherweise aus der Zeit um 1890, als das Gebäude zweimal bauliche Veränderungen erfuhr. Ebenfalls erneuerte man damals wohl das Dach, das sich im Inneren als Hourdiskonstruktion zeigt. Der Innenraum ist heute ungenutzt.
Werkhalle von 1958 (Vers.-Nr. 5):
Die Werkhalle von 1958 ist ein Betonskelettbau, der quer zum Hauptbau ebenfalls von einem flach geneigten Satteldach abgeschlossen wird. Sie präsentiert sich in zeittypischen Architekturformen der 1950er Jahre mit gepflegter Detailausbildung. Die aus Kalksandstein bestehenden Ausfachungen im unteren Bereich springen gegenüber dem Betonskelett leicht zurück; darüber sind die Fassaden mit vergleichsweise eng gesprossten Feldern vollflächig verglast. Zum Steinbrüchliweg hin diente ein an Stahlstäben abgehängtes, leicht einwärts geneigtes Betonvordach ursprünglich einer Vorfahrt.Das Innere der vollständig offenen Halle beherbergt heute die Verzinkereieinrichtungen.
Bierlager von 1891 (Vers.-Nr. 8):
Das Lagergebäude von 1891 ist ein zweigeschossiger verputzter Mauerbau, der auf einem talwärts geschosshoch freiliegenden Kellersockel aufsetzt. Er wird von einem weit überstehenden Kniestock-Rafendach mit Quergiebel samt Aufzugsöffnung zur Strasse abgeschlossen. Die spärlich angebrachten, gekuppelten Fensteröffnungen haben rechteckige und stichbogige Form. Das Dachgeschoss zeigt wohl seit jeher Sichtfachwerk. Der Hauseingang liegt an der südöstlichen Stirnseite.
Das Sockelgeschoss und Teile des Erdgeschosses dienen als teilweise doppelgeschossige Garage. Das Erdgeschoss zeigt einzelne abgetrennte Räume; Ober- und Dachgeschoss sind als Lagerräume nicht weiter unterteilt. Die Obergeschosse werden heute nicht mehr genutzt.
„Felsenkeller“:
Der Eingang zum „Felsenkeller“ ist ungewöhnlich aufwendig und repräsentativ in der Art eines Eisenbahn-Tunnelportals gestaltet. Die entsprechend einem Tunnel kreisförmige, am Boden gerade abgeschnittene Öffnung wird von grossen, bossierten Keilsteinen eingefasst. Am Schlussstein sind die Initialen „EK“ für den Erbauer Eduard Kunkler und das Baujahr 1865 eingemeisselt. Eine rechteckige Blendmauer mit Kranzgesims fasst den Tunneleingang ein; seitlich schliesst eine einfacher gestaltete Futtermauer aus unregelmässigen Bruchsteinen an. Hinter dem Portal erstreckt sich ein weitverzweigtes Kellersystem aus Hallen, Gängen und Schächten als künstlich aus dem Fels gehauene und wohl gesprengte Höhle (Kelleranlage nicht gesehen).
Anmerkungen:[1] Geschichtliches nach Hänny 1975, zur Brauerei „Felsenkeller“ insbes. S. 15-17.
[2] Staatsarchiv Aargau, ZwA 1940.0007/4463, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1829-1850; CA.0001/0413-0417, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1850-1938.
[3] Ebd.
[4] Ebd.
[5] Ebd.; Baugesuche und Korrespondenz (kleinere Umbauten) 1941/42 im Baugesuchsarchiv. .
[6] Pläne im Baugesuchsarchiv.
[7] Firmenprospekt, um 2000; Baugesuche für Umbauten und Korrespondenz 1964/65 im Baugesuchsarchiv; freundl. Hinweise der Eigentümer.
[8] Hänny 1975, S. 17.
Literatur:- Hans Hänny, Die Bierbrauerei in Lenzburg, in: Lenzburger Neujahrsblätter, 1975, S. 8-17
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, ZwA 1940.0007/4463, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1829-1850; CA.0001/0413-0417, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1850-1938.
- Stadt Lenzburg, Baugesuchsarchiv: Um- und Anbauten 1941/42, 1958, 1964/65.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=132664
 

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