INV-ROT936 Bernstrasse 88, 1807 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-ROT936
Signatur Archivplan:ROT936
Titel:Bernstrasse 88
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Südwesten (2017)
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Rothrist
Ortsteil / Weiler / Flurname:Sennhof
Adresse:Bernstrasse 88
Versicherungs-Nr.:239
Parzellen-Nr.:254
Koordinate E:2634403
Koordinate N:1239461

Chronologie

Entstehungszeitraum:1807
Grundlage Datierung:Inschrift (ehem. am Hintereingang, übertragen auf jüngeren Hauseingang)
Nutzungen:seit dem fr. 19. Jh. Spezereiwarenladen

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:ROT935
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Wohnhaus
Epoche / Baustil (Stufe 3):Barock

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2018

Dokumentation

Inschriften:"1807" (ehemals am Hintereingang); "1807 / 1937" (Eingang des ostseitigen Anbaus)
Würdigung:Stattliches, noch bernisch-barock geprägtes Bürgerhaus von 1807, das an der Bernstrasse zusammen mit einem weitgehend identischen Nachbarhaus eine markante Baugruppe bildet. Der zweigeschossige Mauerbau, der mit Stichbogenfenstern besetzt ist und von einem geschweiften Mansardwaldmach mit Ründegiebel abgeschlossen wird, hat im Bereich des Ursprungsbaus seine äussere Erscheinung im wesentlichen bewahrt. Er wurde 1893 durch einen rückwärtigen und 1937 durch einen seitlichen Anbau erweitert, von denen der letztere in Anlehnung an das Haus neobarock gestaltet ist. Mit seiner Entstehung rund vierzig Jahre nach dem Neubau der Strasse bezeugt das Gebäude ebenso wie das Nachbarhaus (Bauinventarobjekt ROT935) auch die siedlungsgeschichtliche Bedeutung des neuen Verkehrswegs. Seit dem frühen 19. Jahrhundert beherbergte es einen Spezereiwarenladen, aus dem das heute noch bestehende Bekleidungsgeschäft hervorging. Zusammen mit dem unweit gelegenen biedermeierlichen Haus Bernstrasse 81 (Kantonales Denkmalschutzobjekt ROT004) markieren die beiden Gebäude den alten Siedlungskern des Sennhofs, womit ihnen auch eine ortsbauliche Wirkung zukommt.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Bau- und Besitzergeschichte des Gebäudes sind in einem Typoskript dokumentiert, das um 1937 kurz nach der Realisierung des Erweiterungsbaus abgefasst wurde [1]. Gemäss einer Jahrzahl, die ursprünglich am ostseitigen Eingang zu lesen war und die man am Eingang des Erweiterungsbaus von 1937 reproduzierte, wurde das Gebäude 1807 erbaut. Es entstand damit nur zwei Jahre nach dem praktisch identischen Nachbarhaus Bernstrasse 86 (Bauinventarobjekt ROT935) und rund vierzig Jahre, nachdem die Bernstrasse anstelle der früheren Route über die Rishalden neu über Rothrist trassiert worden war [2]. Als Eigentümer der Liegenschaft sind gemäss einem Schuldbrief von 1828 Samuel Brügger und Johannes Plüss überliefert, die zusammen die „Handlungs-Gesellschaft Samuel Brügger zu Niederwil“ bildeten und vielleicht auch schon Erbauer des Hauses waren. 1834 wurde die Liegenschaft von Brügger alleine übernommen. Sie umfasste damals nebst dem Wohnhaus eine „Scheuer von Holz unter Ziegeldach, woran ein neues Wohnhaus (das Stöckli) erbaut worden“, dazu insgesamt 2 Jucharten Kraut-, Baumgarten sowie Ackerland. Das Anwesen mit den rückwärtig gelegenen, später abgebrochenen Nebenbauten ist auf einem Luftbild aus der Zeit um 1920/30 dokumentiert (vgl. Bilddokumentation). Etliche Besitzerwechsel spiegeln das wechselvolle wirtschaftliche Glück eines Spezereiwarenladens im ländlichen Raum. 1838 ging die Liegenschaft kaufweise an Johannes Huther, wiederum Negotiant, von Aarburg über, 1842 an Johann Rüegger, Negotiant und 1844 an Christian Krull von Kleinhüningen, der ebenfalls eine Spezereihandlung in dem Haus führte. Aus dessen Geldstagsmasse (Konkursmasse) gelangte das Haus 1850 wieder an den früheren Besitzer Johannes Rüegger, über den seinerseits am 1852 der Geldstag verhängt wurde. Von seinen vier Bürgen wurde die Liegenschaft 1853 an Jakob Schmitter verkauft, unter dessen Nachkommen das Haus in der Folge verblieb: 1887 Gustav Schmitter, 1927 Anna, Pauline und Walter Schmitter.
1893 wurde eine zweigeschossige, rückwärtige Giebellaube abgebrochen und durch den bestehenden Anbau ersetzt. 1937 baute man das Haus auf der Ostseite an und versah das Ladenlokal mir einer breiten Schaufensterfront [3] 1961 wurden zur Erweiterung des Ladenlokals einige Binnenwände im Erdgeschoss abgebrochen; gleichzeitig erfolgte ein Ausbau des Mansardgeschosses mit zusätzlichen Lukarnen [4]. 1991/92 wurde im rückwärtigen Bereich eine neue Aussenerschliessung der Obergeschosse realisiert. 2011 erfuhr die Wohnung im ersten Obergeschoss des Kernbaus eine Modernisierung, wobei man in der Westfassade ein zusätzliches Fenster öffnete. Der Laden beherbergt noch heute ein aus der früheren Spezereiwarenhandlung hervorgegangenes Bekleidungsgeschäft.
Beschreibung:Das stattliche, noch bernisch-barock geprägte Bürgerhaus ist zusammen mit seinem ursprünglich weitgehend identischen Nachbarn (Bauinventarobjekt ROT935) giebelständig hart an die Nordseite der Bernstrasse gerückt. Schräg gegenüber liegt in geringer Distanz das wertvolle, um 1830/40 entstandene biedermeierliche Haus Bernstrasse 81 („Güttinger-Haus“, Kantonales Denkmalschutzobjekt ROT004). Der zweigeschossige gemauerte Baukörper liegt unter einem stirnseitig weit vorkragenden, geschwungenen Mansardwalmdach mit korbbogiger Ründe. An der Ostseite schliesst in einer an den Ursprungsbau angelehnten, neobarocken Gestaltung ein Anbau von 1937 an. Der Ursprungsbau ist stirnseitig mit vier eng gestellten Achsen stichbogiger Einzelfenster besetzt, die wohl aus Sandstein gefertigt sind (heute überstrichen) und wulstige Simse besitzen; sie sind samt hölzernen Jalousieläden noch am Obergeschoss erhalten, während das Erdgeschoss zu einer Schaufensterfront umgestaltet ist. Die Gebäudekanten werden von Ecklisenen gefasst, die im Erdgeschoss geböschte Form haben und mit einem Fugenmuster akzentuiert sind. Die Ründeverschalung ist auf profilierte Büge abgestützt.
Die westliche Längsseite war ursprünglich wie beim Nachbarhaus mit lediglich zwei Achsen von Einzelfenstern besetzt; das zusätzliche, unregelmässig angeordnete Obergeschossfenster stammt von 2011. Der östlich an das Haus gefügte Anbau von 1937, dessen Bauflucht in gestalterisch geschickter Weise leicht zurückspringt, übernimmt vom Ursprungsbau die Befensterung wie auch Ecklisenen; er liegt unter einem allseitig abgewalmten Mansarddach. An der Nordostseite springt eine Veranda in den Baukörper ein. Nördlich an den Ursprungsbau schliesst ein aus Kalksandsteinen gemauerter, ebenfalls zweigeschossiger Anbau von 1893 an, der mit seinem Baujahr ein frühes Beispiel für das damals neue Baumaterial darstellt. Er wird von einer Dachterrasse abgeschlossen. Das gesamte Dach ist mit Biberschwanzziegeln eingedeckt. An der westlichen Längsseite sowie an der Ostseite des Anbaus von 1937 sind im Mansardgeschoss einige nachträgliche Lukarnen eingebaut; im oberen Bereich sind die Dachflächen geschlossen.
Das Hausinnere ist durch den Anbau von 1937 und spätere Ladenumbauten stark umgestaltet. Die Erschliessung erfolgt seit 1937 über einen Stichgang samt parallelem Treppenlauf, der von der östlichen Seitenfassade her in den Ursprungsbau eingreift. Erhalten hat sich die Holztreppe samt Geländer. Das Ladenlokal umfasst heute das gesamte Erdgeschoss des Ursprungsbaus, des rückwärtigen Anbaus von 1893 sowie den vorderen Bereich des seitlichen Anbaus von 1937, wobei die Zwischenwände durch Stützen und Unterzüge ersetzt sind. Im ersten Obergeschoss des Kernbaus ist die alte, vierteilige Aufkammerung teilweise noch erhalten. Die Zimmer zeigen einfaches, überstrichenes Feldertäfer. Das Mansardgeschoss ist modernisiert und wird heute als separate Wohnung über eine Aussentreppe am rückwärtigen Anbau erschlossen (Mansard- und Dachgeschoss nicht gesehen). Unter dem gesamten Kernbau erstreckt sich ein hoher Gewölbekeller, in dem heute zwei betonierte Stützen einen Unterzug des ausgekernten Ladenlokals tragen.
Anmerkungen:[1] „Geschichte des Wohnhauses der Familie Schmitter auf dem Sennhof zu Rothrist“, Typoskript zur Bau- und Besitzergeschichte, um 1937, dankend erhalten von der heutigen Eigentümerin, 2017.
[2] Vgl. dazu Fritz Heitz, Von Strassen und Brücken in und um Aarburg, Aarburg 1991, S. 34-40; Inventar der historischen Verkehrswege der Schweiz (IVS), AG 10.2 (1992).
[3] Umbaupläne 1937, dankend erhalten von der Eigentümerin (2017)
[4] Pläne im Baugesuchsarchiv.
Literatur:- R[olf] Hofer, Rothrist in alten Ansichten, Zaltbommel (NL), 2. Auflage, 1981, Abb. 12 (histor. Ansicht).
Quellen:- „Geschichte des Wohnhauses der Familie Schmitter auf dem Sennhof zu Rothrist“, Typoskript zur Bau- und Besitzergeschichte, um 1937.
- Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0647-0649, Brandkataster Gemeinde Rothrist, 1875-1938.
- Gemeinde Rothrist, Baugesuchsarchiv: Umbauten 1961, 1991/92, 2011.
- ETH-Bibliothek, Zürich, Bildarchiv: LBS_MH03-1686.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=133599
 

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