INV-RUA914 Reinerstrasse 1, 1a, Hauptstr. 22, 22a, 17. Jh. (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-RUA914
Signatur Archivplan:RUA914
Titel:Reinerstrasse 1, 1a, Hauptstr. 22, 22a
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Südwesten (2018)
Bezirk:Brugg
Gemeinde:Rüfenach
Ortsteil / Weiler / Flurname:Rüfenach
Adresse:Reinerstrasse 1, 1a, Hauptstrasse 22, 22a
Versicherungs-Nr.:30, 31
Parzellen-Nr.:32
Koordinate E:2657757
Koordinate N:1262324

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 17th cent.
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Würdigung:Stattlicher, im frühen 17. Jahrhundert entstandener Gebäudekomplex, der sich aus einem spätgotischen steinernen Wohnhaus und einer ehemals strohgedeckten Hochstudscheune zusammensetzt. Der Wohnteil bewahrt mit dem steilen Satteldach, einem spätgotischen Fenster- und Portalgewände sowie dem spärlich befensterten Giebel und den stirnseitigen Eingängen wesentliche Merkmale aus der Bauzeit. Die der Strasse zugewandte Trauffassade ist im Zustand ihrer spätklassizistischen Überprägung intakt erhalten. Der Wohn- wie auch der Scheunentrakt weisen wertvolle Teile der ursprünglichen Dachkonstruktion sowie Gewölbekeller auf. In der oberen Stube des alten Wohnteils besteht noch ein grün glasierter Kachelofen aus dem 19. Jahrhundert. Das prominent an der Hauptkreuzung von Rüfenach stehende Gehöft zählt zu den letzten spätgotisch geprägten Bauzeugen. Im Zusammenspiel mit dem gegenüber liegenden Eckhaus gleicher Zeitstellung und der Stallscheune von 1843 (Bauinventarobjekte RUA907 und RUA911) trägt er erheblich zum intakten Ortsbild bei.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Gebäude entstand in mehreren Etappen, deren chronologische Abfolge nicht restlos geklärt ist. Der gemauerte Wohnteil, der in seiner Grundanlage und in der Gestaltung der Fenstergewände teilweise mit dem spätgotischen Wohnhaus an der gegenüber liegenden Strassenecke vergleichbar ist, dürfte im frühen 17. Jh. entstanden sein. Die nördlich anschliessende Scheune, die noch Reste einer Hochstudkonstruktion bewahrt, weist ebenfalls ein hohes, bisher nicht bestimmtes Alter auf. Als baugeschichtliche Rarität weist der hölzerne Ökonomietrakt einen massiv gemauerten, halbgeschossig eingetieften Gewölbekeller mit Rundbogenportal auf.
Am Wohnteil erfolgte im frühen 19. Jh. eine spätklassizistische Überprägung der strassenseitigen Fassade. Die Initialen "H" und "M" im Oblicht des zu dieser Bauphase gehörenden Vordereingangs beziehen sich auf Gemeinderat Hans Heinrich Märki, der seit einem Gütertausch im Jahr 1795 mit seinem Bruder, dem Gemeindeammann Johannes Märki, alleiniger Eigentümer des Elternhauses war [1]. Vermutlich fand dieser Umbau kurz nach 1800 statt [2]. 1847 übernahmen die Söhne Johannes und Hans Jakob Märki den Hof, welche die Liegenschaft "gemeinsam und unvertheilt" nutzten. Gemäss Brandkataster von 1850 umfasste das Wohnhaus nun drei Wohnungen, einen gewölbten Keller und eine Laube mit Schweinställen. Die angebaute Scheune enthielt einen weiteren Gewölbekeller, zwei Ställe sowie einen Wagenschopf. Ihre äussere Hälfte wies noch bis ins frühe 20. Jh. eine Stroheindeckung auf. 1922 wurden die damals getrennten Hausanteile von alt Ammann Johannes Märki und seinem Bruder Johannes (Hans) Jakob Märki unter dem Landwirt Josef Widmer eigentumsrechtlich zusammengeführt [3].
1939 diente die untere Nebenstube als "Soldatenstube" zur Verpflegung der während der Grenzbesetzung in Rüfenach stationierten Soldaten.
Beschreibung:Das Eckhaus nördlich der Einmündung der Reinerstrasse in die Hauptstrasse prägt im Zusammenspiel mit dem gegenüberliegenden spätgotischen Mauerbau (Bauinventarobjekt RUA907) und der Stallscheune von 1843 (RUA911) den Ortskern von Rüfenach. Von Südosten her entspricht der Wohnteil in Volumetrie und Fassadenbild noch zu wesentlichen Teilen dem spätgotischen Mauerbau. Charakteristische Merkmale und Elemente aus der Bauzeit sind das steile, bündig an die Giebelmauer anschliessende Satteldach, auf der Traufseite das gefaste ebenerdige Rundbogenportal sowie das gekehlte Fenstergewände am Obergeschoss und an der südlichen Stirnfront der nur spärlich befensterte Giebel. Auch die stirnseitige Erschliessung der beiden Wohngeschosse dürfte auf die ursprüngliche Anlage zurückgehen. Weitere unterschiedlich grosse und teils mit Hausteingewänden eingefasste Fensteröffnungen aus späterer Zeit verteilen sich unregelmässig über beide Seiten. Die zur Hauptstrasse hin orientierte Traufseite ist währenddessen in spätklassizistisch-biedermeierlichem Stil zur neuen Hauptfassade umgestaltet. Sie zeigt fünf streng axial gesetzte Fensterachsen, von welchen diejenige unmittelbar neben dem Ökonomietrakt im Erdgeschoss den zusätzlich angelegten Vordereingang aufnimmt. Die grosszügig bemessenen Rechteckfenster sind mit zeittypisch schlichten, gefalzten Muschelkalkgewänden eingefasst. Das Türgewände zeigt eine flache Profilierung und einen ausgeprägten Sockelbereich. Das mit den filigran ausgeschnittenen hölzernen Initialen des Bauherrn und mit (Halb-)Kreisen verzierte Oblicht stammt ebenfalls aus dieser Bauphase, während das Türblatt etwas jünger sein dürfte. Neben dem Hauseingang führt eine Treppe hinab in den Keller, der sich mit einem quer zum First verlaufenden Gewölbe unter der westlichen Hälfte des Wohnteils erstreckt. Ein mit Ziegeln belegter Kanal verbindet den Raum mit einem querliegenden Fenster in der östlichen Längsmauer.
Die geschossweise angelegten Wohnungen im alten Wohnteil verfügen über separate stirnseitige Zugänge, wobei der obere über eine Laube führt. Die bestehenden Eingänge sind jünger und gegenüber der ursprünglichen Situation wohl leicht versetzt. Ursprünglich dürften sie in beiden Geschossen nach einem geläufigen Muster direkt in die Küche geführt haben, welche noch heute jeweils die Mitte der südlichen Haushälfte einnimmt. Die Hauptwohnräume befinden sich strassenseitig, hinter der spätklassizistisch überprägten Fassade. An historischer Ausstattung hat sich in der oberen Stube, dem nach Südwesten ausgerichteten Eckraum, ein grün glasierter Kachelofen mit Sitzkunst vermutlich aus dem späteren 19. Jh. erhalten [4]. Die untere Nebenstube zeigt – teilweise unter der jüngeren Abdeckung verborgen – mit Blumen und Weinranken bemalte Deckenbalken, dazu die Inschrift: "Ich ward gemalt und diente als Soldatenstube Grenzbesetzung 1939" sowie "Fusilier Kompagnie II/104".
Das in jüngerer Zeit mittels Kniestöcken leicht angehobene und mit neuen Rafen versehene Dachwerk weist einen liegenden Stuhl mit aussteifenden eingezäpften Kopfhölzern und Längsstreben auf. Im Gegensatz zu vielen sekundär als Zwischenboden verbauten Balken und Bodenbrettern weist sie keine Russschwärzung auf, dürfte also aus der Umbauphase um 1800 stammen. Zum ältesten, spätgotischen Baubestand gehört hingegen eine unter dem First durchlaufende, russgeschwärzte Bohlenwand, die den Dachraum in zwei Hälften teilt. Sie weist in der Mitte einen kräftigen, an den Kanten mit Fasen und Schmiegen versehenen Ständer auf, der ein mit kugeligen Enden verziertes Sattelholz trägt.
Nach Norden schliesst an den alten Wohnteil der ehemalige Scheunentrakt an, der heute ebenfalls zu Wohnwecken umgebaut ist. Obwohl beide Gebäudeteile dieselbe Firsthöhe aufweisen, überschneiden sich ihre Querschnitte nicht vollständig, was die konstruktive Eigenständigkeit der beiden Gebäudeteile herausstreicht. Das mächtige, ehemals strohgedeckte Walmdach des Ökonomietrakts ist auf der Rückseite tief hinabgezogen. Auf dieser Seite hat sich auch älteres, gegenüber dem spätgotischen Wohnteil leicht vorspringendes, stockartiges Mauerwerk erhalten, in das ein halb eingetieftes Rundbogenportal und ein querliegendes, vergittertes Fensterchen zum Gewölbekeller eingelassen sind. Um den Durchlass von grossen Most- oder Weinfässern zu ermöglichen, ist das Gewände zum Kellereingang auf beiden Seiten leicht zurückgearbeitet. Die der Strasse zugewandte Fassade des Scheunenteils ist stark erneuert, lässt aber noch die ehemalige Einteilung in zwei Ställe und ein Tenn dazwischen erkennen. Das Erdgeschoss zeigt jüngeres Mauerwerk, während die Wand darüber mit Holz verkleidet ist. Diese Oberflächengestaltung zieht sich auf der nördlichen, durch verschiedene Fensterformate stark veränderte Schmalseite fort.
Im Ökonomieteil bilden zwei eichene, durch First und Unterfirst miteinander verbundene Hochstüde den letzten Überrest der bauzeitlichen, ehemals mit Stroh gedeckten Dachkonstruktion.
Anmerkungen:[1] Nachdem die beiden Brüder Hans Heinrich Märki und Johannes Märki das Elternhaus geerbt hatten, erwarben sie noch das gegenüber liegende Haus (Bauinventarobjekt RUA907) hinzu und tauschten ihre Anteile, so dass jeder ein eigenes Haus besass: Hans Heinrich behielt das Elternhaus, sein Bruder übernahm die andere Liegenschaft. Freundliche Auskunft Max Baumann.
[2] Im Brandkataster von 1809 bis 1825 ist keine Wertzunahme des Hauses verzeichnet.
[3] Staatsarchiv Aargau, 4519: Brandkataster Gemeinde Rüfenach 1829-1849; CA.0001/0178-0180: Brandkataster Gemeinde Rüfenach 1850-1938.
[4] Der bei Stettler/Maurer 1953, S. 391, erwähnte Kachelofen von 1766/1806 konnte nicht ausfindig gemacht werden.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Literatur:- Max Baumann, Rein und Rüfenach. Die Geschichte zweier Gemeinden und ihrer unfreiwilligen Vereinigung, Baden 1998, S. 332.
- Michael Stettler, Emil Maurer, Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. 2, Basel 1953, S. 391.
Quellen:- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar IV-21/3.
- Staatsarchiv Aargau, 4519: Brandkataster Gemeinde Rüfenach 1829-1849; CA.0001/0178-0180: Brandkataster Gemeinde Rüfenach 1850-1938.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=134359
 

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