INV-TEU911 Dorfstrasse 1, 1874 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-TEU911
Signatur Archivplan:TEU911
Titel:Dorfstrasse 1
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht südwestliche Eingangsfront (2019)
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Teufenthal (AG)
Adresse:Dorfstrasse 1
Versicherungs-Nr.:106
Parzellen-Nr.:44
Koordinate E:2651176
Koordinate N:1242351

Chronologie

Entstehungszeitraum:1874
Grundlage Datierung:Brandkataster

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:TEU905
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Repräsentatives Wohnhaus, Villa

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2020

Dokumentation

Würdigung:Für den ehemaligen Pfarrer und späteren Regierungsrat Louis Karrer erstelltes stattliches Wohnhaus von 1874. Der spätklassizistische Mauerbau zeichnet sich durch eine sorgfältige äussere Gestaltung mit grosszügiger umgebender Grünanlage aus. 2015 erfuhr das Gebäude eine grundlegende statische Sanierung und vollständige Modernisierung im Innern. Mit der nordwestlich gelegenen Nachbarliegenschaft von 1869 (Bauinventarobjekt TEU905) und diversen Nebenbauten in parkartiger Umgebung bildet es ein kleines, in sich abgeschlossenes Ensemble mit städtisch-bürgerlichem Ambiente, welches die wirtschaftliche Prosperität der Fabrikantenfamilie Karrer vor Augen führt. In einer zweiten Bautiefe an der Wynentalstrasse, unmittelbar gegenüber dem Gasthof "Herberge" (Kantonales Denkmalschutzobjekt TEU002) gelegen, setzt die Baugruppe zudem einen wichtigen ortsbaulichen Akzent.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Nach den familiengeschichtlichen Aufzeichnungen wurde das "Tannenheim" genannte Haus an der Dorfstrasse im Jahr 1874 durch den ehemaligen Pfarrer und späteren Regierungsrat Louis Karrer (1830–1893) erbaut [1]. Louis Karrer war ein Abkömmling der einflussreichen und begüterten Familie Karrer von Teufenthal, welche 1819 das Gasthaus "Herberge" erworben hatte und in der Folge die Musikdosen- und spätere Armaturenfabrik KWC in Unterkulm gründete. Nach der Aufgabe seiner Pfarrertätigkeit 1874 und einer kurzen Mitarbeit im Fabrikbetrieb seiner Brüder wandte sich Louis Karrer zusehends der politischen Tätigkeit zu. In rascher Folge wurde er in den aargauischen Grossen Rat, in den Nationalrat und schliesslich 1876 in die aargauische Regierung gewählt. Hier stand er vorerst der Direktion des Innern und später der Erziehungsdirektion vor. Nach seinem Rücktritt wurde Karrer 1888 zum ersten Kommissär des eidgenössischen Auswanderungsamtes mit Sitz in Bern ernannt, wo er 1893 kurz nach seiner Pensionierung verstarb.
Im Brandkataster der Gebäudeversicherung wird das Gebäude erst 1876 als "Wohnhaus von Stein und Holz, mit drei gewölbten Kellern unter Ziegeldach" neu registriert [2]. Die überdurchschnittlich hohe Versicherungssumme von 30'000 Franken gibt den Stellenwert des stattlichen, villenartigen Gebäudes wieder. Bereits 1879 gelangte die Liegenschaft in die Hände von Louis Karrers Bruder, dem Musikdosenfabrikanten Adolf Karrer (1843-1895). Dieser liess 1888 nordwestlich des Hauses ein kleines Ökonomiegebäude mit Waschhaus und Remise errichten (Vers.-Nr. 107). Nach dem Tod von Adolf Karrer ging das Anwesen vorerst an seine Frau Rosalie Karrer-Roth und 1920 an seinen Sohn, den Fabrikanten Eugen Karrer-Hüssy über. Aus dieser Zeit dürften der stirnseitige Flachdachanbau mit Veranda und die rückwärtige Zimmererweiterung mit Terrasse stammen.
2015 fand eine umfassende Sanierung des instabil gewordenen Gebäudes statt. Die Grundkonstruktion musste mittels Stahlträger und Betondecken stabilisiert werden, und in diesem Zusammenhang erfuhr das Hausinnere eine vollständige Modernisierung mitsamt Ausbau des Dachgeschosses.
Beschreibung:Die Liegenschaft „Tannenheim“ liegt, von der Dorfstrasse deutlich zurückversetzt, in einem parkartigen Gelände, welches auch das nordwestlich benachbarte „Karrerhaus“ von 1869 (Bauinventarobjekt TEU 905) umfasst. Die Schaufront des Hauses mit breiter Treppe zum ehemaligen Hauptzugang ist nach Südwesten gerichtet, während auf der Rückseite ein grosszügiger, als Grünfläche gestalteter Aussenbereich anschliesst. Heute betritt man das Haus auf der nordwestlichen Stirnseite über einen jüngeren, verandaartigen Flachdachvorbau mit Annexraum. Wie auch der rückwärtige Flachdachanbau mit Terrasse dürfte die Erweiterung aus dem früheren 20. Jh. stammen, was aus der Verwendung von Kunststein für die Fenstergewände und die sorgfältig gearbeiteten Säulen zur Verandaabstützung zu schliessen ist.
Das Kerngebäude von 1874 erhebt sich als zweigeschossiger längsrechteckiger Mauerbau unter mittelsteilem, ungeknicktem und nur knapp vorspringendem Giebeldach. Sämtliche Fassaden sind mit hochrechteckigen Fensteröffnungen in axialer Anordnung besetzt. An der südwestlichen Schaufront springt ein zweiachsiger übergiebelter Mittelrisalit vor und verleiht dem an sich schlichten Gebäude ein stattliches Erscheinungsbild. Im Gegensatz zu den erwähnten jüngeren Erweiterungen sind die Fenster- und Türgewände des Kernbaus aus Sandstein gehauen. Überhöhte profilierte Verdachungen an den Mittelachsen der Längs- und Stirnfassaden verleihen dem Obergeschoss den Charakter einer Belétage. Als zeittypische Gestaltungselemente sind die runden Öffnungen in den Lüftungsöffnungen in den Giebelfeldern (Okuli) zu erwähnen. Die südwestliche Schaufassade akzentuiert ein auf eiserne Konsolen abgestützter Balkon mit schönem Geländer aus Gusseisenprofilen. Den Hauseingang auf der nordwestlichen Stirnseite schmückt ein sorgfältig gearbeitetes zweiflügliges Türblatt mit gestemmten Füllungen, mit Eierstab und Akanthus beschnitzten Kämpfern und vergitterten Fensterchen.
Im erheblich modernisierten Hausinnern ist die ursprüngliche Raumgliederung kaum mehr ablesbar. Immerhin konnten einzelne historische Ausstattungselemente gerettet und ins moderne Wohnkonzept überführt werden. So dürfte der interne hölzerne Treppenaufgang mit Wangenstufen und Geländer aus kunstvoll gedrechselten Staketen noch aus der Bauzeit des Haues stammen. Erhalten ist auch ein alter Zentralheizungs-Radiator mit hübsch gestaltetem Wärmefach. Eindrücklich präsentieren sich die drei quer zum First verlaufenden Gewölbekeller, welche die gesamte Grundfläche des Kernbaus von 1874 einnehmen.
Anmerkungen:[1] Notter 2005/06, S. 17-25.
[2] Staatsarchiv Aargau, BA.05.0080: Brandkataster Teufenthal 1829-1950; Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0278-0281: Brandkataster Teufenthal 1850-1938.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
- ICOMOS Liste historischer Gärten und Anlagen der Schweiz, Kanton Aargau,Teufenthal, 4145-2.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, BA.05.0080: Brandkataster Teufenthal 1829-1950; Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0278-0281: Brandkataster Teufenthal 1850-1938.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=136419
 

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