INV-WLO947 Mühlegasse 2, 17. Jh.-19. Jh. (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-WLO947
Signatur Archivplan:WLO947
Titel:Mühlegasse 2
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht Gebäudekomplex von Westen (2019)
Bezirk:Baden
Gemeinde:Würenlos
Ortsteil / Weiler / Flurname:Dorf
Adresse:Mühlegasse 2
Versicherungs-Nr.:80
Parzellen-Nr.:510
Koordinate E:2669733
Koordinate N:1254980

Chronologie

Entstehungszeitraum:17th cent. - 19th cent.
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Schmiede

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2020

Dokumentation

Inschriften:1784 (Westfassade); "MK HS 1807" (Spolie an Treppe)
Würdigung:Markanter, vielgliedriger Gebäudekomplex, welcher im historischen Dorfkern von Würenlos einen prägenden Akzent setzt. Der im Kern wohl aus dem 17. Jahrhundert stammende und in der Folge mehrmals erweiterte und überformte Baukörper legt ein beredtes Zeugnis für eine bewegte Bau- und Nutzungsgeschichte im bäuerlich-gewerblichen Umfeld ab. Das im Innern weitgehend modernisierte Gebäude bewahrt am Äussern mit seiner verschachtelten Bauweise und den aus verschiedenen Zeitepochen stammenden Gestaltungselementen wesentliche Aspekte seiner Entstehungsgeschichte. Als früherer Standort der „Unteren Schmitte“ und aufgrund seiner Nähe zum Gasthof „Rössli“ wie auch zum Kirchhof und zum Mühlenbezirk kommt dem Gebäude eine grosse Bedeutung für die Lokalgeschichte und das heutige Erscheinungsbild des Dorfes zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Der markante ländlich-gewerbliche Gebäudekomplex weist eine vielfältige, wenn auch nicht in allen Teilen geklärte Baugeschichte auf, welche als beispielhaft für eine im Zentrum des Dorfes erfolgte bauliche Verdichtung gelten kann. Obschon bei den jüngsten Umbauten im späten 20. Jh. viel historische Substanz verloren ging, lässt der mehrfach verschachtelte Baukörper dennoch eine interessante Nutzungsgeschichte erahnen.
Die Anfänge der „Unteren Schmitte“ gehen vermutlich ins 17. Jh. zurück. Als Bauherr kann der 1653 eingebürgerte Wettinger Klosterschmied Lambert Kohler vermutet werden, der in Würenlos die Bewilligung zur Errichtung einer zweiten Schmiede nebst der bereits bestehenden „Oberen Schmitte“ erhielt, da es sich offenbar nicht um eine Hufschmiede, sondern um eine Waffenschmiede gehandelt hat [1]. Gegen Ende des 17. Jh. konnte der Nachkomme Philip Kohler die Werkstätte mit angegliederter „Waffeschliffi“ ausbauen, und 1693 wurde die Betriebsbewilligung für eine Hammerschmiede erteilt. Wie ein Bevölkerungsverzeichnis aus dem Jahre 1780 aufzeigt, führte Bernhard Kohler, der damalige Inhaber der Schmiede, zusätzlich noch einen mittelgrossen Bauernbetrieb mit 19 Jucharten Acker-, Wies- und Rebland [2]. Aus dieser Zeit stammt auch eine in die Westfassade eingelassene Jahrzahlinschrift 1784, deren ursprünglicher Standort und baugeschichtliche Bedeutung nicht abschliessend geklärt ist. Um 1820 befand sich die Liegenschaft in den Händen von Mauritz Koller, dessen Initialen „MK“ nebst Berufsbezeichnung „HS“ [wohl für Hufschmied], Jahreszahl 1807 und Hufeisen als Berufssymbol an einem in Zweitverwendung an einer Treppe eingebautem Werkstück zu finden sind. Gemäss Brandkataster umfasste die Anlage damals „ein Haus mit zwei Giebelmauern nebst Scheuer und Stallung von Holz mit Ziegeldach, darunter eine Hufschmitte mit gewölbten Kohlengaden“. Unter eigener Versicherungsnummer aufgeführt wird ein zugehöriger „Speicher von Stein mit gewölbtem Keller“ [3].
Beim Ursprungsbau dürfte es sich um ein spätgotisch geprägtes Bauernhaus aus dem 17. Jh. handeln, welches als länglicher Baukörper traufständig an die heutige Mühlegasse gestellt war. Die ursprüngliche Nutzungsabfolge von Wohnteil, Tenn und Stall ist in den heutigen Verhältnissen noch ablesbar. An der nach Südwesten zur Landstrasse stossenden Stirnmauer des alten Wohnteils ist auf Höhe des ersten Wohngeschosses noch ein Fenstergewände mit zeittypischer spätgotischer Kehlung und kantig profiliertem Fenstersims vorzufinden. Ebenfalls aus der Entstehungszeit dürften der rundbogige Stalleingang mit seitlich angeordnetem Rechteckfenster stammen, während das ehemalige Tennportal durch ein unpassendes Garagentor ersetzt wurde. Eine in die südwestliche Giebelmauer eingelassene Jahreszahl 1784 könnte auf eine erste Gebäudeerweiterung zur Mühlegasse hin verweisen, jedoch ist diese Bauphase am heutigen Baubestand nicht mehr ablesbar.
Zur ursprünglichen Hofanlage des 17. Jh. gehörte womöglich ein Speichergebäude mit Gewölbekeller, welches räumlich abgesetzt an der Landstrasse stand und zeitweise bis zu vier Besitzeranteile aufwies. Auf dem Zehntenplan von 1699 und sogar noch auf der Michaeliskarte um 1840 ist die Situation mit zwei räumlich getrennten Baukörpern deutlich erkennbar. Etwa zu dieser Zeit wurde die beiden Gebäudeteile durch einen Zwischentrakt zum heute bestehenden, winkelförmigen Baukomplex verbunden [4].
Um die Mitte des 19. Jh. erfolgte eine grössere bauliche Veränderung, indem nach Nordwesten zur Mühlegasse hin ein viergeschossig aufragender Quergiebelanbau in spätklassizistischer Manier erstellt wurde. Wie eine historische Fotoaufnahme aus der Zeit um 1900 darstellt, war der Schmiederaum mit teils offener Vorzone damals im Erdgeschoss dieses Gebäudeflügels untergebracht (vgl. Fotodokumentation). Gemäss mündlicher Überlieferung wurde die Schmiede von den damaligen Inhabern, der Familie Keller, bis 1926 weitergeführt. Nach der Betriebsaufgabe hat man im Erdgeschoss einen Coiffeursalon eingerichtet und in späteren Jahren diverse andere Gewerbetätigkeiten ausgeübt [5].
In den 1980er Jahren erfolgte ein umfassender Umbau des ehemaligen Landwirtschafts- und Gewerbebetriebes zu einem Mehrfamilienhaus. Äussere Veränderungen erfuhren dabei namentlich der alte Scheunenteil und der gesamte rückwärtige Hausbereich. Im Innern wurden die Raumstruktur und die Ausstattung weitgehend erneuert. 2012 fand eine Aussenrenovation des Gebäudes statt.
Beschreibung:Der originell verwinkelte Gebäudekomplex nimmt die ortsbaulich bedeutende Ecke an der Abzweigung der Mühlegasse von der Landstrasse ein. Nähert man sich von Norden auf der zur Furtbachsenke hinunterführenden Landstrasse, so tritt der viergeschossig aufragende Quergiebeltrakt aus dem 19. Jh. ausgesprochen markant in Erscheinung. Mit den drei straff gegliedeten Fensterachsen, den lisenenartigen Gebäudeecken, welchen im Erdgeschoss (Bereich der ehemaligen Schmiede) zu plastischen Halbsäulen auslaufen, sowie dem mittelsteilen, leicht geknickten Satteldach mit den kreis- und halbkreisförmigen Lichtöffnungen im Giebelfeld bezeugt es die Mitte des 19. Jh. stattgefundene Hauserweiterung. Nordöstlich schliesst in der alten Gebäudeflucht der ehemalige Scheunentrakt des Ursprungsbaus aus dem 17. Jh. an. Dieser tritt als niedrigerer, immerhin aber dreigeschossiger Baukörper unter steilem Giebeldach in Erscheinung. Von den ursprünglichen Verhältnissen erhalten sind das kräftige Rundbogenportal des einstigen Stalleingangs und wohl auch die seitliche Fensteröffnung, welche ein ähnlich kräftiges Gewände aus sorgfältig behauenen Muschelkalk aufweist. Das danebenliegende Garagentor (wohl anstelle des ehemaligen Tennportals), der seitlich anschliessende Hauseingang wie auch die darüber sich erstreckende gemauerte Traufwand mit Einzel- und Zwillingsfenstern stammen aus dem Umbau der 1980er Jahre und weisen somit keine historische Evidenz auf. Das Innere des Hauptbaus mitsamt des ehemaligen Scheunentrakts ist heute zu Wohnzwecken ausgebaut und weist keine historische Ausstattung mehr auf.
Überaus spannungsvoll und für die Visualisierung einer mehrteiligen komplexen Baugeschichte geradezu beispielhaft präsentiert sich der südliche Quergiebelanbau, dessen langgestreckte Trauffassade sich der von der Furtbachsenke steil aufsteigenden Landstrasse entlangzieht. Eine spätgotisch gekehltes Fenstergewände an der südöstlichen Stirnfassade bezeugt den wohl aus dem 17. Jh. stammenden, ehemals freistehenden Speicher-Kernbau. Ebenfalls dieser frühen Bauphase zuzuordnen sind die kleinen, breitrechteckigen Lüftungsöffnungen im Sockelbereich, der einen halbgeschossig eingetieften Gewölbekeller aufnimmt (heute Heizraum). Das darüber liegende ehemalige Speichergeschoss, in dem heute schlichte Wohnräume eingerichtet sind, ist mit hochrechteckigen Fenstern mit Kunststeingewänden wohl aus dem späten 19. Jh. besetzt. Ein auffälliger Niveausprung markiert den nachträglich eingefügten Zwischentrakt zum Hauptgebäude hin, welcher über einen zusätzlichen kleinen Gewölbekeller und einen darüber liegenden Abstellraum enthält. Ein ebenerdiger strassenseitiger Zugang führt in die Kellerräume und über eine Innentreppe in den rückwärtigen Hofbereich. Der im Vergleich zum Hauptgebäude deutlich niedrigere Quergiebeltrakt wird in seiner ganzen Länge von einem steilen Giebeldach zusammengefasst, das zum guten Teil noch mit alten, handgemachten Biberschwanzziegeln eingedeckt und strassenseitig mit zwei kleinen Lukarnen versehen ist.
Anmerkungen:[1] Witschi 1984, S. 567.
[2] Staatsarchiv Zürich, BIX6 (zit. aus Witschi 1984, S. 567).
[3] Gemeindearchiv Würenlos, A39.7 (Brandkataster).
[4] Möglicherweise ist dieser bereits 1833 erfolgt, findet sich mit diesem Datum doch ein Eintrag „Anbau einer Wohnung“ im Brandkataster. Denkbar ist, dass die 1840 fertiggestellte Michaeliskarte auf etwas älteren Geländeaufnahmen beruht und somit nicht den exakten Stand um 1840 wiedergibt.
[5] Mündliche Auskünfte von Alice Bopp-Keller (zit. aus baugeschichtlichem Gutachten Felix Wyss vom 4.12.2013).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Literatur:- Peter Witschi, Ortsgeschichte Würenlos, Würenlos 1984.
Quellen:- Gemeindearchiv Würenlos, A39, Gebäudeversicherung: Brandassekuranz-Kataster.
- Felix Wyss, Würenlos, Mühlegasse 2, Bericht zum Baubestand vom 4.12.2013.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=136859
 

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