INV-OBK916 Kreuzbündtenstrasse 3, 1924 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-OBK916
Signatur Archivplan:OBK916
Titel:Kreuzbündtenstrasse 3
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Nordwestfassade (2020)
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Oberkulm
Adresse:Kreuzbündtenstrasse 3
Versicherungs-Nr.:264
Parzellen-Nr.:679
Koordinate E:2651347
Koordinate N:1239612

Chronologie

Entstehungszeitraum:1924
Grundlage Datierung:Brandkataster

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Repräsentatives Wohnhaus, Villa

Dokumentation

Würdigung:Im Stil des Neoklassizismus erbaute Fabrikantenvilla von 1924, die sich durch eine streng achsensymmetrische Fassadengestaltung mit monumentaler Eingangssituation und einen mittels Vorbauten und Treppen sorgfältig gestalteten Übergang zum Aussenraum auszeichnet. Das unter einem eleganten, leicht geknickten Walmdach mit Dreiecksgiebel annähernd kubisch proportionierte Gebäude zeigt sich äusserlich in nahezu unverändertem Zustand. Im Innern bewahrt es vollumfänglich die Raumstruktur sowie wesentliche Teile seiner qualitätvollen Ausstattung aus der Bauzeit. Eine ausgesprochene Rarität stellen die weitgehend originalen sanitären Einrichtungen in Badezimmer, Toilette und Schlafkammern mit teils tischförmigen Waschbecken sowie Armaturen dar, die aus der Fabrik des Bauherrn Walter Luginbühl, der KWC AG in Unterkulm, stammen dürften und somit von besonderem lokalgeschichtlichem Zeugenwert sind.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die Villa wurde 1924 für Walter Luginbühl, einem der drei Inhaber der Armaturenfabrik KWC AG in Unterkulm errichtet und zum beachtlichen Wert von 90'000 Franken versichert [1].
Walter Luginbühl war 1897 in das 1874 von Adolf Karrer zur Herstellung mechanischer Musikspieldosen gegründete Unternehmen eingetreten und massgeblich an dessen Neuausrichtung auf Armaturen beteiligt. Die Produktion der durch das Grammophon stark konkurrierten Musikspieldosen wurde 1902 ganz eingestellt. 1908 übernahm Eugen Karrer-Hüssy, der Sohn des Firmengründers, die Leitung der Giesserei. Nach dem Rückzug seiner Mutter gründete er 1919 zusammen mit Eugen Weber und Walter Luginbühl die Aktiengesellschaft "Karrer, Weber und Cie". Die Firma, die sich früh mit speziellen Gussverfahren und besonderen Anfertigungen für Installationen verschiedener Anwendungsbereiche einen Namen machte, stellt bis heute an ihrem Hauptsitz in Unterkulm Armaturen her [2].
Die durchgehende Bebauung der Kreuzbündtenstrasse, einer Verbindung der Dorfstrasse (früher Untersteg) mit der Hauptstrasse nahe der Gemeindegrenze zu Unterkulm, erfolgte erst im frühen 20. Jh., wobei die Häuser ausschliesslich südseitig der Strasse zu stehen kamen, mit den Gärten von der Strasse abgewendet. Ihre Erbauer waren durch die Industrie in Oberkulm und Teufenthal zu Wohlstand gelangt, weshalb die Kreuzbündtenstrasse damals auch "Millionengasse" genannt wurde [3].
Beschreibung:Die am Anfang der Kreuzbündtenstrasse stehende Villa dominiert mit ihrer Stattlichkeit die vorwiegend aus dem frühen 20. Jh. stammende Bebauung dieses Strassenzugs. Der kubische Baukörper, der mit einem knapp vorspringenden, geknickten Walmdach mit kurzem First und Dreieckgiebel abschliesst, ragt hinter einer mittelhohen Stützmauer auf, die das Grundstück vom Strassenniveau abhebt. Den Auftakt der monumentalen Erschliessung bildet ein buchtartig einspringender Vorplatz. Durch ein schmiedeeisernes Tor gelangt man zur frontal auf das Haus zulaufenden Treppe, die zunächst auf das Gartenniveau und von dort, sich verengend, zum zentral angelegten Hauseingang führt. Die verputzten Hausfassaden sind mit schmalseitig zwei und längsseitig drei respektive fünf Fenstern einschliesslich einer mittig angelegten Erschliessungsachse streng symmetrisch gegliedert. Eine zusätzliche Unterteilung der Mauerflächen erfolgt durch das hohe, leicht vorspringende Kellergeschoss sowie rahmende Ecklisenen. "Umklammert" werden letztere von einem am Obergeschoss verlaufenden profilierten Sohlbankgesims, das an den Hausecken mit eleganten Ringsteinen auch die Fallrohre umschliesst. Auf der Vorder- und Rückseite ist dem Baukörper in der Mittelachse jeweils ein Vorbau angefügt, von welchen der nördliche, der Strasse zugewandte, den von zwei Nebenräumen flankierten Eingangsbereich mit darüber liegendem Altan und der südliche, dem Garten zugewandte, den gleichfalls mit einem Altan versehenen Wintergarten (im Brandkataster "Veranda" genannt) bildet. Die Plattformen sind jeweils von einer Balustrade umgeben. Über dem Treppenpodest des Hauseingangs springt der Altan leicht vor und bildet in Anspielung an eine kleine Portikus das von zwei toskanischen Säulen gestützte Vordach. Das korbbogige Türgewände weist wie die Untersicht des Vordachs eine Felderteilung durch Ringmotive und rahmende Bänder auf. Dazu hat sich das beschnitzte, eichene Türblatt mit geschweiften Füllungen und radial sprossiertem Oblicht erhalten. Die obere Füllung ist als Fenster mit handgeschmiedeten Gitter gestaltet, das in üppigem Rankenwerk die Initialen des Bauhern "W" und "L" birgt. Beidseits des Eingangs sind zu den flankierenden Räumen im Vorbau barockisierende Fensterchen mit rautenförmiger Vergitterung eingelassen. Im Obergeschoss erfährt die Mittelachse mit dem Ausgang auf den Altan als abgewandeltes Serlianomotiv eine Akzentuierung, wobei das mit einem betonten Scheitelstein geschmückte Bogenfeld in der Mitte sowie eines der seitlichen Rechtecklichter blind sind. Ihren oberen Abschluss findet die monumental gestaltete Erschliessungsachse in einem flachen, traufbündigen Dreiecksgiebel mit Oculus. Auch gartenseitig zieht sich, wenn auch weniger monumental, die achsensymmetrische Gestaltung des Wohnhauses fort. Den Wintergarten, der sich im Erdgeschoss über die drei mittleren Achsen erstreckt, belichten nach Süden drei arkadenartig aneinandergereihte Rundbogenfenster mit zentralem Gartenausgang und an den Schmalseiten breite Korbbogenfenster. Der durch einen Putz mit Fugenstrich vom Hauptbaukörper abgesetzte Anbau vermittelt mit einer Freitreppe auf das Gartenniveau.
Die hochrechteckigen Fenster sind am Erdgeschoss mit ornamentiertem Sturz und schmalem Kranzgesims versehen, am Obergeschoss mit Konsolen. Sie bewahren durchwegs die alten Fensterflügel, die im Erdgeschoss mit, und im Obergeschoss ohne Oblicht gegliedert sind. Dazu sind auch noch die Vorfenster und hölzernen Jalousieläden vorhanden. Sämtliche Hausteinelemente wie Fenstergewände, Gesims oder Säulen sind in alter Handwerkskunst, teils mit scharrierten oder gestockten Oberflächen, wohl aus Kunststein gefertigt.
Nach Süden sind dem Walmdach drei stichbogenförmig abschliessende Lukarnen zu den Dachkammern aufgesetzt. Nordseitig sorgen unauffällige Halbrundfenster für eine minimale Belichtung des unausgebauten Dachraums. Aus Symmetriegründen wies das Gebäude ursprünglich zwei Kamine auf, die je an einem Ende des Firsts das Dach durchstiessen. Der östliche, aussen nicht mehr sichtbare Kamin, war jedoch nie als Rauchabzug in Gebrauch, sondern dient als Schacht für Leitungen.
Das Innere weist noch die ursprüngliche Raumstruktur auf. Durch den Hauseingang gelangt man zunächst in einen Windfang und durch eine verglaste, doppelflüglige Korbbogentür mit radial sprossiertem Oblicht in die Eingangshalle. Im Erdgeschoss sind nach Süden, zum Garten hin, das Ess- und das Wohnzimmer angelegt, welche durch eine verglaste Schiebetür miteinander verbunden werden können und Ausgänge auf den Wintergarten besitzen [4]. Strassenseitig schliessen im Osten ein weiteres Zimmer und im Westen die Küche an. In der Ecke neben dem Windfang befindet sich die Toilette, zu der die Halle mit einem Korbbogengewölbe überleitet. Analog ist das Obergeschoss mit den Schlafzimmern unterteilt, wobei anstelle der Küche Badezimmer und Bügelzimmer eingerichtet sind. Der separate Zugang zu letzterem ist auf originelle Weise vom Treppenaufgang ins Dachgeschoss aus gelöst. Die südseitigen Räume im unteren Dachgeschoss sind als Schlafkammern für die Hausangestellten ausgebaut und über Lukarnen belichtet.
Weitgehend erhalten ist auch die qualitätvolle Ausstattung aus der Bauzeit. Sie umfasst holzsichtige Einbauten aus Eiche wie Treppenhaus, Fischgratparkett, Füllungstüren mit geschweiften Felderungen und wulstig profilierten Gewänden im Erdgeschoss und schlichtere, maserierte (teils nachträglich überstrichene) Türen und Wandschränke im Obergeschoss, ausserdem Heizkörper und Bodenbeläge aus Feinsteinzeug. Das Esszimmer bewahrt die neoklassizistische Stuckdecke mit einem Spiegel aus gebündelten Stäben und überkreuzten Bändern, das Wohnzimmer einen einfacheren Stuckspiegel mit muschelförmigen Ziermotiven und Hohlkehle sowie ein Einbaubuffet samt anschliessender holzverkleideter Nische. Eigenwillig erscheint die in grossen Wellen vergipste Untersicht der Treppe, die mit gedrechselten Staketen um ein längsrechteckiges Auge herumgeführt ist. Ein weiteres Detail sind die in kindergerechter Höhe angebrachten Türfallen und Schrankschlösser im Kinderzimmer, das über dem Esszimmer, neben dem Elternschlafzimmer, liegt. Das Badezimmer und der Ausgang auf den Altan über dem Hauseingang sind mit einer dekorativen Farbverglasung versehen.
Eine Rarität und in Bezug auf die Bau-und Besitzergeschichte des Hauses von besonderer Bedeutung sind die noch weitestgehend bauzeitlichen sanitären Einrichtungen in Badezimmer und Toilette sowie den oberen Schlafkammern. Diese umfassen im Badezimmer und in den Schlafkammern tischförmige Waschbecken und mit einzelnen Ausnahmen ursprüngliche Armaturen, welche aus der Fabrik des Bauherrn in Unterkulm stammen dürften. Die für damalige Verhältnisse überdurchschnittlich komfortable Ausstattung wird am Beispiel des beheizbaren Handtuchhalters neben der Badewanne deutlich. Bemerkenswert sind auch die zugehörigen keramischen Wandverkleidungen, die eine dekorative Leiste mit Perlstabmuster aufweisen und mit speziell geformten Teilen den Übergang in den Ecken sowie zwischen Fussboden und Wand herstellen. Auch die Küche bewahrt die alten Wandplättli und wabenförmigen Feinsteinzeugfliesen.
Die Villa ist von einem mit kleinen Bäumen und Sträuchern beflanzten Garten umgeben, an dessen Rand sich ausserdem ein jüngerer Garagenbau mit integriertem, gedecktem Sitzplatz befindet (nicht Teil des Schutzumfangs).
Anmerkungen:[1] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1899-1938 (Vers.-Nr. 264).
[2] Gemäss Firmengeschichte auf www.kwc.ch und www.elva-sammlung.ch.
[3] Walti 1995, S. 77.
[4] Aufgrund Befalls mit dem Hausschwamm erlitt das mit einer hellgrünen, wohl noch bauzeitlichen Damastmustertapete ausgestattete Wohnzimmer im Bereich der Mauern und des Bodens kürzlich grossen Schaden.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Literatur:- Hans Walti, Oberkulm. Vergangenheit und Gegenwart in Bildern, Oberkulm 1995, S. 77.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1899-1938 (Vers.-Nr. 264).
- https://www.kwc.ch/ueber-kwc/ueber-uns/history/unternehmen.html (Zugriff vom 20.01.2021)
- http://www.elva-sammlung.ch/index.php/Informationen_zu_Karrer,_Weber (Zugriff vom 20.01.2021)
- https://www.industriekultur.ch/admin/gui/object_manage.php Objekt: ID: 23189 5726-2 KWC Karrer, Weber & Co. AG (Zugriff vom 25.01.2021)
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=137190
 

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