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INV-OBK917 Hauptstrasse 6, 1928 (Dossier (Bauinventar))
Identifikation |
Signatur: | INV-OBK917 |
Signatur Archivplan: | OBK917 |
Titel: | Hauptstrasse 6 |
Ansichtsbild: |
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Bildlegende: | Ansicht von Osten (2019) |
Bezirk: | Kulm |
Gemeinde: | Oberkulm |
Adresse: | Hauptstrasse 6 |
Versicherungs-Nr.: | 285 |
Parzellen-Nr.: | 1813 |
Koordinate E: | 2651427 |
Koordinate N: | 1239521 |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1928 |
Grundlage Datierung: | Inschrift (Hauseingang) |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Profane Wohnbauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Repräsentatives Wohnhaus, Villa |
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Dokumentation |
Inschriften: | "1928" (Kranzgesims Hauseingang) |
Würdigung: | Repräsentatives Fabrikantenwohnhaus, das 1928 zur Bandweberei von 1919 auf der gegenüberliegenden Strassenseite erstellt wurde und das ältere Wohnhaus mit den darin eingerichteten früheren Fabrikationsräumen auf der nördlich angrenzenden Parzelle ablöste. Der unter einem markanten geknickten Walmdach mit geschweiftem Ziergiebel geborgene Mauerbau vereint in der Formensprache neobarocke, neoklassizistische und expressionistische Strömungen. Die mit unterschiedlichen Vorsprüngen abwechslungsreich gestalteten Fassaden zeichnen sich durch sorgfältig in Kunststein gefertigte Hausteinarbeiten aus. Im Innern hat sich die Raumstruktur samt der qualitätvollen Ausstattung in Holz und Stuck aus der Bauzeit weitgehend erhalten. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Das Wohnhaus wurde 1928 für Walter Huber-Brändli, den damaligen Eigentümer der schräg gegenüberliegenden Bandfabrik (Hauptstrasse 15, Vers.-Nr. 256) erbaut [1]. Die Bandweberei war 1864 von Jakob Müller, alt Gemeindeammann, mit vier Webstühlen in dessen eigenem Wohnhaus gegründet worden [2]. Nach seinem Tod ging die Firma an Sigmund Huber-Berner über, der bisher als Mechaniker gearbeitet hatte. Vermutlich 1911 liess Sigmund Huber zu diesem Zweck sein 1893 erstelltes "Wohnhaus [mit] Laubenanbau, Scheune und Schopf" (Vers.-Nr. 7) zur Bandweberei samt Laden umbauen und erweitern [3]. Ein Briefkopf aus demselben Jahr nennt als Produkte Baumwoll-, Leinen- und Seidenbänder aller Art und als Spezialität Fabrikausrüstbänder und Zigarrenbänder [4]. 1919 konnte gegenüber dem Wohnhaus, auf der anderen Strassenseite das Fabrikgebäude erstellt werden (Kopfbau des heutigen Gebäudekomplexes, Vers.-Nr. 256). 1922 übernahm der Sohn Walter Huber-Brändli Wohnhaus und Fabrik, welche er ab 1927 in Form einer Kommanditgesellschaft leitete. Zwei Jahre später bezog er auf dem Grundstück südlich des Stammhauses das hier beschriebene, neue Wohnhaus. Das Tor mit den gemauerten Pfosten und bekrönenden Vasen passt ebenfalls in die 1920er Jahre, während der Klosterputz und die mit Klosterziegeln (halbrunden Dachziegeln) gedeckte Mauerkrone der Einfriedung wie das darin eingelassene, mit einem Fenstergitter versehene Rundbogenfenster eher in das mittlere 20. Jh. verweisen. In jüngerer Zeit wurde dem Gebäude in der südwestlichen Ecke zur Erweiterung des Wohnraums ein eingeschossiger Anbau angefügt, der sich trotz der formalen Angleichung vom historischen Bau abgrenzen lässt und dessen Wirkung kaum beeinträchtigt. |
Beschreibung: | Das vom Strassenraum deutlich zurückgesetze, von einem grosszügigen Garten umgebene Wohnhaus befindet sich in Sichtweite der Bandweberei, auf der gegenüberliegenden Strassenseite. Der zweigeschossige Mauerbau trägt ein geknicktes Walmdach mit markant vorkragenden Dachvorsprüngen, die an den Ecken mit eleganten urnenförmigen Wassersammlern und geschwungenen Fallrohren ausgestattet sind. Den Hauptakzent der strassenseitigen Ansicht bildet eine breite Lukarne mit drei kleinen Rechtecklichtern, die in ihrem verspielten Ziergiebel mit dem eigenwillig gewellten, gezackten und in Voluten endenden Kranzgesims den Einfluss des Expressionismus zeigt. Ein kantiges Gurtgesims, das die Fallrohre mit Ringsteinen umschliesst, trennt das Parterre vom Obergeschoss, während der halbhohe Kellersockel durch einen kleinen Vorsprung abgesetzt ist. Im Weiteren gestaltet sich die Gliederung des Baukörpers und Anordnung der Fenster und Türen an jeder Fassade anders. Die nach Osten Richtung Strasse und Fabrik ausgerichtete Hauptfassade zeichnet sich durch einen der südlichen Gebäudehälfte vorgelagerten, allseitig verglasten Standerker auf trapezoider Grundfläche aus. Die Gewände, Pfosten, Gesimse und Brüstungsfelder sind in alter Steinmetzkunst aus Kunststein, teils mit scharrierten und gestockten Oberflächen sowie mit Band- und Ringornamenten oder Felderung gearbeitet. Das schmiedeeiserne Geländer des darüber liegenden Altans ist in schlichter, neoklassizistischer Formensprache mit Stäben, Rauten und einzelnen Blüten gestaltet. Im Übrigen ist die axial gegliederte Fassade mit gekuppelten Fenster besetzt, wobei über dem Erker noch eine Fenstertür zum Altan dazwischengeschoben ist. Die Fenster werden wie am ganzen Gebäude von unterseitig geohrten Kunststeingewänden samt Ladenfalz und scharrierter Oberfläche eingefasst und besitzen noch die hölzernen Jalousieläden. Unspektakulär präsentiert sich im Vergleich dazu die ebenfalls dem Garten zugewandte Südfassade, welche zwei Achsen mit Einzelfenstern aufweist. Nordseitig sind drei Achsen ausgebildet, von welchen die mittlere den Haupteingang des Hauses aufnimmt. Eine Treppe führt der Hausmauer entlang zum Podest, das als überdachter Bereich mit flachbogigen Wandöffnungen in einen eingeschossigen Anbau integriert ist. Dieser erstreckt sich über die beiden westlichen Achsen und ist – analog zum Erker – im Obergeschoss als Altan mit einem schlichten Schmiedeeisengeländer eingefasst. Die Haustür wird von einem profilierten, mit Bandmotiven verzierten Gewände aus Kunststein gerahmt, das am Kranzgesims die Initialen des Bauherrn und das Baujahr "1929" trägt. Das eichene Türblatt ist barockisierend mit einer geschnitzten Rocaille und anderen Ornamenten verziert. Die obere Füllung ist verglast und mit einem rautenförmig gegliederten Gitter mit den Initialen "W" und "H" versehen. An der Westfassade des Hauses tritt das in der Mittelachse angelegte Treppenhaus als halbrunder, bis unter das Dach geführter Vorsprung zutage. Er öffnet sich mit einem ebenerdigen Hinterausgang auf den Vorplatz und zeigt auf Höhe der Zwischenpodeste dreiteilige Fenster. Darüber ist das Dach mit einer Fledermausgaube besetzt. Neben einem einzelnen, barockisierend geformten Fensterchen mit rautenförmig gegliedertem Gitter (Toilette, vgl. dieselbe Fensterform am selben Verwendungsort bei der Fabrikantenvilla von 1924 an der Kreuzbündtenstrasse 3, Bauinventarobjekt OBK916) besteht die Befensterung aus einzelnen Rechtecklichtern, wobei das Nordwestzimmer stattdessen ein gezacktes Putzdekorfeld zeigt. In der Südwestecke schliesst ein jüngerer, gleichfalls eingeschossiger Anbau an (nicht im Schutzumfang enthalten), der die Höhe des Gurtgesimses als Trauflinie übernimmt und aufgrund seiner sorgfältigen Anbindung an den Hauptbaukörper dessen Wirkung kaum beeinträchtigt. Das Hausinnere hat die ursprüngliche Raumstruktur weitgehend bewahrt. Durch die Tür gelangt man über einen kurzen Gang auf den Vorplatz mit dem angrenzenden Treppenhaus. Südseitig sind, durch eine Schiebetür voneinander getrennt, das Wohnzimmer und das Esszimmer (mit Durchgang zum Anbau) angelegt, während sich im Nordosten ein weiteres Zimmer anschliesst. Die im Nordwesten eingerichtete Küche schliesst auch die Fläche des Vorbaus mit ein. Den Raum zwischen ihr und dem Treppenhaus nimmt eine Toilette ein. Erhalten ist in wesentlichen Teilen auch die bauzeitliche Ausstattung, bestehend aus Stuckdecken sowie Fischgratparkett, Wandtäfer und (Füllungs-)türen samt Rahmen aus Eiche. Die aus demselben Material bestehende Innentreppe ist mit geraden Staketen und zeittypischem, volutenförmig abschliessendem Antrittspfosten und Handlauf gestaltet. Das Wohnzimmer zeichnet sich durch eine raumhohe Wandverkleidung aus Eichentäfer mit profilierten Rahmenleisten und abschliessendem Gesims aus. Die Öffnung zum Erker ist an der Untersicht der Rahmung mit Eichenlaubranken und einer Rosette beschnitzt. Das weitgehend analog gegliederte Obergeschoss weist gestrichenes Holzwerk auf. Die Gipsdecken sind teils mit Hohlkehlen und Stuckspiegeln sowie einzeln gesetzten Ornamenten ausgestattet. |
Anmerkungen: | [1] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1899-1938 (Vers.-Nr. 285). [2] Steiner 1991, S. 179. [3] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1899-1938 (Vers.-Nr. 7). – Der Versicherungswert des Gebäudes erhöhte sich dadurch von 11'400 auf 18'900 Franken. [4] Siehe dazu den entsprechenden Eintrag unter www.industriekultur.ch. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung. |
Literatur: | - Karl Steiner, Oberkulm. Zeitbilder aus der dörflichen Vergangenheit bis zur Gegenwart, 2. Ausgabe, Oberkulm 1991, S. 179. |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0259: Brandkataster Gemeinde Oberkulm 1899-1938 (Vers.-Nr. 285). - https://www.industriekultur.ch/admin/gui/object_manage.php , Objekt: ID: 23628 5727-1 Baumwollbandweberei Sigmund Huber-Berner (Zugriff vom 25.01.2021). |
Reproduktionsbestimmungen: | © Kantonale Denkmalpflege Aargau |
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=137191 |
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