INV-SPB908A Hochhaus "Gyrhalde", 1955-1959 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-SPB908A
Signatur Archivplan:SPB908A
Titel:Hochhaus "Gyrhalde"
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Süden, mit Nachbarhaus "Buchbühl" im Hintergrund (2010)
Bezirk:Baden
Gemeinde:Spreitenbach
Adresse:Poststrasse 170
Versicherungs-Nr.:426
Parzellen-Nr.:634
Koordinate E:2669374
Koordinate N:1253387

Chronologie

Entstehungszeitraum:1955 - 1959
Grundlage Datierung:Schriftliche Quelle

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:SPB908B
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Hochhaus

Dokumentation

Autorschaft:Mario della Valle (Architekt)
Würdigung:1955-59 vom Architekten und Immobilienunternehmer Mario della Valle auf eigene Rechnung erbautes erstes Hochhaus von Spreitenbach, das zusammen mit einem etwas später entstandenen Pendant (Bauinventarobjekt SPB908B) eine Zweiergruppe an der Poststrasse bildet. Um das noch vor der Inkraftsetzung der ersten Spreitenbacher Bauordnung in Angriff genommene Bauvorhaben entwickelte sich eine weitherum wahrgenommene Kontroverse, die zunächst zu einem Baustopp führte und Anstoss für die fortschrittliche Bauordnung und Zonenplanung von 1960 gab. Die von markanten Flugdächern abgeschlossenen Hochhäuser sind in zeittypischen, gepflegten Bauformen der 1950er Jahre gehalten, die allerdings eher einem herkömmlichen Mehrfamilienhaus als einem Hochhaus entsprechen. Nicht nur dies, sondern auch die ausgesprochen ungewöhnliche Ausführung als massiver Backsteinbau, die in einer vergleichsweise engräumigen Grundrissstruktur resultiert, legt Zeugnis von der ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte des Gebäudes ab. Das hier beschriebene Hochhaus «Gyrhalde» ist durch eine Aussenwärmedämmung aus den 1990er Jahren in seiner äusseren Erscheinung etwas geschmälert. Insbesondere in der Ansicht von der Talebene her bilden die beiden Hochhäuser aber einen wirkungsvollen Gegensatz zu den vom selben Architekten und Unternehmer nur kurz zuvor realisierten Einfamilienhäusern an der Bahnhofstrasse. Anschaulich bezeugen sie damit das rasante Wachstum Spreitenbachs in den Jahren der Hochkonjunktur.
Bau- und Nutzungsgeschichte:1953 waren in Spreitenbach die ersten Anzeichen des grossen Siedlungswachstums der Nachkriegszeit zu erkennen, als an der zuvor neu angelegten Bahnhofstrasse und damit weitab vom alten Dorfkern der Bau von Einfamilienhäusern einsetzte [1]. Dies nahm der Gemeinderat 1954 zum Anlass, eine erste Bauordnung vorzubereiten, zumal Spreitenbach bis dahin wie viele andere Landgemeinden über kein entsprechendes Regelwerk verfügte. Eine verbindliche Pflicht für den Erlass von Bauvorschriften durch die Gemeinden bestand im Kanton Aargau noch lange nicht; erst mit dem Baugesetz von 1971 wurde eine Normalbauordnung geschaffen, welche beim Nichtvorhandensein einer Gemeindebauordnung in Geltung trat [2]. Während einige der Einfamilienhäuser an Bahnhof- und Haselstrasse wohl unabhängig für jeweils einzelne Bauherrschaften entstanden, realisierte der damals noch in Zürich ansässige Architekt Mario della Valle als Immobilienunternehmer ein zusammenhängendes Quartier typengleicher Bauten (Bahnhofstrasse 109-119, Gyrhaldenstrasse 18-28). Noch vor dem Inkrafttreten der Bauordnung im Juni 1955, welche die Bauhöhe auf drei Geschosse beschränken sollte, informierte della Valle die Gemeinde im Februar 1955 über seine Absicht, statt eines geplanten, herkömmlichen Mehrfamilienhauses ein Hochhaus zu erstellen. Einen Monat später nahm er denn auch die Ausführung in Angriff. Als im Spätsommer 1955 vier Stockwerke erstellt waren, entwickelte sich eine weitherum wahrgenommene Debatte um das Bauprojekt.
Der Gemeinderat, der von della Valle zunächst eine Beschränkung auf drei Geschosse gefordert hatte, musste sich damit abfinden, dass die Bauordnung für den bereits begonnenen Neubau keine Gültigkeit hatte, und verzichtete in der Folge auf weitere Einwendungen gegen die Fertigstellung des Hochhauses. Im September 1955 beantragte ein Nachbar mit Verweis auf eine Beeinträchtigung seiner Liegenschaft insbesondere durch den Schattenwurf des Hochhauses beim Regierungsrat die Einstellung der Bauarbeiten. Wenig später forderten der Heimatschutz sowie die Regionalplanungsgruppe Nordwestschweiz, den Neubau mit Verweis auf den Heimat- und Landschaftsschutz zu verbieten, und 75 Einwohner verlangten in einer Petition vom Gemeinderat, gegen den Neubau einzuschreiten. Der Regierungsrat verfügte bereits im September provisorisch einen Baustopp nach Vollendung des bereits begonnen fünften Obergeschosses. Nach einem Augenschein der Gesamtregierung im November 1955 wurde der Weiterbau mit einer Verfügung im Januar 1956 untersagt, wogegen della Valle, wenn auch erfolglos, staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht erhob.
Ein Hochhaus war in der damaligen Schweiz ein Novum, in einer ländlichen Gemeinde des Kantons Aargau erst recht. Die ersten Hochhäuser waren eben erst in den Jahren zuvor in grösseren wie auch kleineren Städten entstanden. Einem Hochhaus an sich standen der Regierungsrat wie auch der als Gutachter zugezogene Solothurner Kantonsbaumeister Max Jeltsch keineswegs grundsätzlich ablehnend gegenüber. Kritisiert wurde vor allem das Fehlen einer Gesamtplanung, womit man die in der Schweiz seit dem Beginn des Hochhausbaus gefestigte Auffassung bestätigte, dass Hochhäuser aufgrund ihrer starken Auswirkungen auf das nähere wie auch das fernere Umfeld nur innerhalb eines klar abgesteckten planerischen Rahmens möglich waren. Ausserdem wurden Zweifel an der Feuersicherheit wie auch der Tragfähigkeit des Gebäudes angemeldet. Das im vierten Obergeschoss steckengebliebene Hochhaus wurde derweil zu einer weitherum bekannten Bauruine (vgl. Bilddokumentation). Die Debatte um das Bauprojekt gab aber den hauptsächlichen Anstoss zur Ausarbeitung einer betont modernen Ortsplanung, welche schliesslich zum Bau des Hochhausquartiers Langäcker (Bauinventarobjekt SPB914) in den 60er Jahre und des Shopping-Centers von 1970 führte.
Erst mit dem Erlass des Teilzonenplans «Gyrhalde», der als Teil der Ortsplanung von 1960 vorab bearbeitet wurde und 1959 die Genehmigung des Grossen Rats erhielt, konnte das Hochhaus fertiggestellt werden. Es erhielt nun 13 statt der zwischenzeitlich geplanten, resp. behaupteten zwanzig Stockwerke, die technisch in der gewählten Massivbauweise wohl auch kaum hätten realisiert werden können. Für die Ausführung wurden in der Ziegelei Frick besonders tragfähige Backsteine entwickelt. Gemäss einer Projektänderung von 1960 baute della Valle das Attikageschoss als eigenes Büro aus und verlegte im Gegenzug zur Gewährung der Baubewilligung seinen Geschäfts- und Steuersitz nach Spreitenbach. Einige Jahre später realisierte er 1965-69 als Pendant des nun als «Hochhaus Gyrhalde» bekannten Gebäudes das ähnlich gestaltete, unmittelbar benachbarte «Hochhaus Buchbühl» (Bauinventarobjekt SPB908B).
Um 1995 erhielt das Gebäude eine Aussenwärmedämmung mit Plattenverkleidung, wodurch das ursprüngliche Erscheinungsbild der Fassaden heute nicht mehr wahrnehmbar ist.
Beschreibung:Das dreizehngeschossige Hochhaus «Gyrhalde» bildet zusammen mit seinem etwas jüngeren, aber stärker im bauzeitlichen Zustand erhaltenen Pendant (Hochhaus «Buchbühl», Bauinventarobjekt SPB908B) eine in die Tiefe gestaffelte Zweiergruppe an der Poststrasse, die beim Herannahen auf der Strasse wie auch im Blick von der Ebene des Limmattals markant in Erscheinung tritt. Im Kunstdenkmälerband wird die ursprüngliche Wirkung der beiden Bauten vor der Bebauung der Talebene hervorgehoben: «Obwohl ohne besondere ästhetische Ansprüche errichtet, bildeten die beiden Hochhäuser anfänglich eine faszinierende Antithese zur unberührten Hügellandschaft von Buechhoger und Rotel abseits des Dorfs.» [3] Ein anschauliches Zeugnis der städtebaulichen Entwicklung Spreitenbachs gibt insbesondere der Blick von der Bahnhofstrasse, wo die beiden Hochhäuser über den nur wenige Jahre zuvor ebenfalls von della Valle errichteten Einfamilienhäusern aufragen; mit ihrer kleinmassstäblichen Struktur und ihren gemässigten Heimatstilformen geben diese einen auffälligen Gegensatz ab. Die beiden Gebäude sind, für Hochhäuser ausgesprochen ungewöhnlich, als massive Backsteinbauten ausgeführt, was sich in grossen Mauerstärken der Aussenfassaden und in vergleichsweise kleinen Fenstern niederschlug. Insbesondere beim hier beschriebenen, um einige Jahre älteren Hochhaus «Gyrhalde» ergibt sich durch die Konstruktion eine auffällig engräumige Raumstruktur im Inneren. Gerade in dieser zur Bauzeit technisch bereits überholten Konstruktion kommt freilich auch die ungewöhnliche Entstehungsgeschichte der beiden Bauten als Werk eines im Hochhausbau nicht versierten, unternehmerisch aber erfindungsreichen Architekten zum Ausdruck.
Die beiden turmartig hochragenden Gebäude erheben sich auf einem leicht längsrechteckigen Grundriss und stehen mit ihren Proportionen dadurch zwischen einem Punkthochhaus und einem eigentlichen, deutlich breiteren Scheibenhochhaus. Die beiden Baukörper wenden sich mit den Balkonfronten nach Süden und schliessen über einem vollverglasten Attikageschoss mit weit auskragenden Flugdächern, geradezu einem Leitmotiv in der Architektur der 50er Jahre. Die Turmschäfte sind mit Einzelfenstern in quadratischen und liegenden Proportionen sowie Balkontüren besetzt. Die Fassaden beider Bauten zeigten ursprünglich eine Gestaltung mit Wormser Verputz (Besenwurf), der durch ein feines Linienraster entlang den Fensterkanten akzentuiert war. Heute ist diese gepflegte und für die 50er Jahre charakteristische, wenn auch im Hochhausbau ebenfalls ungewöhnliche Fassadengestaltung nur noch am jüngeren Hochhaus «Buchbühl» zu erkennen ist, während sie am älteren Hochhaus «Gyrhalde» unter einer Aussenwärmedämmung mit Plattenverkleidung verschwunden ist.
Die südseitigen Balkone sind am hier beschriebenen Gebäude asymmetrisch in drei Reihen disponiert. Sie haben eine zeittypische Trapezform und besitzen noch die wohl bauzeitlichen Stahlgeländer; die Profilblechbrüstungen sind erneuert. Das Erdgeschoss beherbergte ursprünglich Ladenlokale, die sich südseitig beidseits des Hauseingangs über grosse Schaufensterflächen öffneten. Die übrigen Fassaden sind eher spärlich mit Einzelfenstern besetzt. Der Haupteingang liegt an der Nordseite und besitzt einen kleinen Vorbau mit Windfang. Das Flachdach war ursprünglich als begehbare Terrasse ausgestaltet; später wurden die Vordächer am Dachaufbau wie auch die umlaufende Aufhängevorrichtung für ein Sonnensegel entfernt.
Talseitig ist an das Hochhaus ein eingeschossiger Anbau mit Einzelgaragen angefügt, der in ungewöhnlicher und eher pragmatischer Ausgestaltung als Bauvolumen der schrägen Hanglinie folgt Vor der Südfassade des Hochhauses erstreckte sich ursprünglich eine freie Platzanlage, welche das Gebäude räumlich mit der Überbauung «Gyrhalde» (Poststrasse 110-166) zusammenband.
Der rückwärtig gelegene Haupteingang öffnet sich, halbgeschossig versetzt und nur über einen kleinen Vorplatz vermittelt, auf das an der Nordfassade gelegene Treppenhaus. Der auf Erdgeschossniveau gelegene Vordereingang ist über einen durchgehenden Gang mit dem Treppenhaus verbunden. An das Treppenhaus schliesst auf jedem Geschoss jeweils im Gebäudeinneren ein knapp bemessener Vorplatz an, von dem jeweils drei Wohnungseingänge sowie der einzige vorhandene Lift betreten werden können. Die Treppe windet sich in vollkommen ungewöhnlicher Anordnung einem massiven, quadratischen Mauerpfeiler empor, der aus der gewählten Massivbauweise resultiert, und mit einer Seitenlänge von rund einem Meter recht wuchtig in Erscheinung tritt. Ein weiterer Mauerpfeiler erhebt sich in der Mittelachse des erdgeschossigen Quergangs; in den Obergeschossen ist er durch die Innenwände kaschiert. Die Erschliessungsbereiche sind mit zeittypischen Terrakottaplatten belegt. Die Obergeschosse umfassen jeweils zwei Drei- sowie eine Vierzimmerwohnung. Die Räume sind vergleichsweise klein dimensioniert. An den aufgrund der Bauweise eher knapp dimensionierten Fenstern wird die Mauerstärke der massiven Aussenwände anschaulich; durch die Aussenwärmedämmung sind die Laibungen noch mächtiger geworden. Die Ausstattung auf einfachem Mietwohnungsstandard wurde sukzessive bei Mieterwechseln erneuert.
Anmerkungen:[1] Geschichtliches, soweit nicht anders angegeben, nach Steigmeier 2000, S. 264-270. – Die Debatte um den Hochhausbau wird kurz auch von Eisinger 2004, S. 207-210 geschildert, der aber offensichtlich die Ortsgeschichte von Steigmeier noch nicht kannte.
[2] §144/145 des Baugesetzes von 1971; vgl. Erich Zimmerlin, Baugesetz des Kantons Aargau (Kommentar), 2. Aufl., Aarau 1985, S. 343-346. Noch 1971 besassen etliche aargauische Gemeinden keine kommunale Bauordnung; vgl. Stand der Planung im Aargau, in: Plan, 28. Jg. (1971), S. 74-80.
[3] Hoegger 1995, S. 111.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
Literatur:- Andreas Steigmeier, Shopping-Boom: Spreitenbach zwischen 1950 und 2000, In: Andreas Steigmeier/Roman W. Brüschweiler/Anton Kottmann, Spreitenbach 2000, S. 259-334, hier S. 264-283.
- Angelus Eisinger, Städte bauen. Städtebau und Stadtentwicklung in der Schweiz 1940-1970, Zürich 2004, S. 207-210.
- Peter Hoegger, KDM Aargau VII, 1995, S. 111-112.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 132.
Quellen:- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotosammlung.
- ETH-Bibliothek, Zürich, Bildarchiv: Com_F64-02647; Com_F66-08339; Com_F66-07513.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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Related units of description:siehe auch:
DOK-SPB839.006 Hochhaus Gyrhalde (=SPB908A), 1955-1959 (Dossier (Dokumentationsobjekte))
 

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