INV-SPB915 Siedlung "Schleipfe", 1989-1991 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-SPB915
Signatur Archivplan:SPB915
Titel:Siedlung "Schleipfe"
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Gesamtansicht von Osten (2020)
Bezirk:Baden
Gemeinde:Spreitenbach
Adresse:Poststrasse 167-187
Versicherungs-Nr.:970-975
Parzellen-Nr.:618
Koordinate E:2669350
Koordinate N:1253261

Chronologie

Entstehungszeitraum:1989 - 1991
Grundlage Datierung:Schriftliche Quelle

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Siedlung, Wohnanlage

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2020

Dokumentation

Autorschaft:Jacques Schader, Zürich (Architekt)
Würdigung:Vom bekannten Zürcher Architekten Jacques Schader und seinem damaligen Büropartner Roland Hegnauer projektierte Wohnsiedlung, die 1989-91 durch die Eisenbahner-Baugenossenschaft Spreitenbach insbesondere für die Beschäftigten des Rangierbahnhofs Limmattal realisiert wurde. Die aus zwei ungleich langen Zeilen bestehende Überbauung, die einen gemeinsamen Erschliessungsraum in der Falllinie des Hangs rahmt und auf halber Höhe von einer Querachse unterbrochen wird, ist durch die feine Abstufung von halböffentlichen und privaten Räumen wie auch die Anlage von Zonen zur gemeinschaftlichen Nutzung an der Vorstellung eines dichten, «urbanen» Wohnens orientiert. Sie zeigt mit einem Sockel aus Sichtbeton, den eternitverkleideten Baukörpern sowie den markant eingesetzten Stahlbauelementen eine sorgfältig detaillierte, für die Zeit um 1990 charakteristische Formensprache und stellt einen wichtigen Zeugen der jüngeren Wohnbauarchitektur dar. Als Teil des Schleipfe-Areals realisiert, bildet sie im Spreitenbacher Kontext ein Gegenmodell zu dem in den 1960er Jahren ganz nach den Prinzipien des modernen Städtebaus gestalteten Hochhausquartier Langäcker (Bauinventarobjekt SPB914).
Bau- und Nutzungsgeschichte:Aus einem 1969 veranstalteten Wettbewerb für einen Gestaltungsplan zur Überbauung des Schleipfe-Quartiers ging der Beitrag der Badener Architekten Funk und Fuhrimann (Marc Funk und Hans Ulrich Fuhrimann) und der Landschaftsarchitekten Atelier Stern als Siegerprojekt hervor [1]. Der auf dieser Grundlage erarbeite Gestaltungsplan erlangte 1980 Rechtskraft und signalisierte mit der kleinteiligen Gliederung des Areals in geschlossene Hofbereiche und dem Einbezug der Landschaft bereits eine gewisse Abkehr von den im Langäckerquartier (Bauinventarobjekt SPB914) verfolgten Prinzipien des modernen Städtebaus. Unter den Bauträgern des Areals befand sich unter anderem die Eisenbahner-Baugenossenschaft Spreitenbach, die in der Folge der Eröffnung des Rangierbahnhofs Limmattal (vgl. Bauinventarobjekte SPB919/920) im Jahr 1978 Wohnungen für die dort Beschäftigten erstellte. Das Baufeld Schleipfe 1 wollte die Genossenschaft zunächst in ähnlicher Weise überbauen, wie man dies bereits mit der benachbarten, konventionelleren Siedlung Schleipfe 2 vorgeführt hatte. Auf Empfehlung der SBB entschied man sich schliesslich aber für einen Direktauftrag an den bekannten Zürcher Architekten Jacques Schader (1917-2007), worauf insbesondere Uli Huber als Chef der Hochbauabteilung bei der Generaldirektion der SBB, ein ehemaliger Assistent Schaders an der ETH Zürich, hingewirkt hatte [2]. Der damals bereits ältere Schader, der als einer der wichtigsten Vertreter der Nachkriegsmoderne in der Schweiz bekannt ist und als dessen Hauptwerk unbestritten die Kantonsschule Freudenberg in Zürich von 1958-61 gilt, realisierte die Siedlung Schleipfe zusammen mit seinem damaligen Büropartner Roland Hegnauer als eines seiner letzten Werke 1989-91. In den Entwurf flossen Wohnbaukonzepte mit ein, die Schader seit Jahrzehnten an seinem Lehrstuhl an der ETH Zürich verfolgt hatte, während er selbst bis dahin keine Wohnbauten realisiert hatte [3]. Die Ausführung der Siedlung Schleipfe 1 erfolgte in drei Etappen 1989-91.
Während die Siedlung in der Architekturpublizistik positive Beachtung erfuhr [4], wurde sie seitens der Genossenschaft und der Bewohner verschiedentlich als Beispiel für überzogenen Formalismus und mangelnde Gebrauchstauglichkeit dargestellt [5]. Anpassungen wie etwa die Aufschüttung von begrünten Vorgartenzonen und die Aufstellung von Pflanzkübeln in der ursprünglich von gärtnerischen Elementen ganz freien Mittelachse zeugen von entsprechenden Anpassungswünschen.
Beschreibung:Gemäss dem Gestaltungskonzept von Funk und Fuhrimann teilt sich das Gesamtareal Schleipfe in sechs Siedlungseinheiten, welche durch Grünzüge in der Falllinie des Hangs getrennt sind und in sich als Hofbebauungen von unterschiedlicher Gestaltung organisiert sind. Die Erschliessung erfolgt jeweils talseitig von der hangparallel verlaufenden Poststrasse her; zudem sollte eine interne, dem Fussgängerverkehr vorbehaltene Strasse die sechs Baufelder auf halber Höhe miteinander verbinden. Die hier beschrieben Siedlung Schleipfe 1 belegt das nordwestlichste Baufeld schräg gegenüber den Hochhäusern «Buchbühl» und «Gyrhalde» an der Poststrasse (Bauinventarobjekte SPB908A/B). Sie zeigt eine für die Zeit um 1990 charakteristische Formensprache, die ebenso von postmodernen Elementen wie auch vom Rückbezug auf die klassische Moderne geprägt ist. Die Anlage gliedert sich in streng orthogonal durchkomponierter Anordnung in zwei unterschiedlich lange Zeilen, die einen in der Falllinie ausgedehnten Hof als gemeinsamen, halböffentlichen Erschliessungsbereich fassen; etwas oberhalb der Mitte werden sie von der allerdings nur auf diesem Baufeld konsequent umgesetzten hangparallelen Querachse unterbrochen. Über diese spannt sich ein teilweise offener Brückenbau, welche die beiden Zeilen in Querrichtung verbindet und gemeinsame Aussenbereiche sowie Spiel- und Hobbyräume umfasst.
Die Gebäude sind im Sockelbereich aus Sichtbeton ausgeführt; die Fassaden zeigen eine mit kleinformatigen Eternitschindeln verschalte Aussenwärmedämmung, die auch ein Beispiel für die zur Entstehungszeit noch vergleichsweise neue Berücksichtigung energetischer Anforderungen bildet. Die von Flachdächern abgeschlossenen Gebäudezeilen werden in ihrer streng kubischen Gliederung durch die Einschnitte der Erschliessungsachsen und die zurücktretenden Attikageschosse belebt. Stark mitbestimmt wird die Wirkung der Überbauung zudem von Stahlbauelementen aus Doppel-T-Trägern und Winkelprofilen. Die zur zentralen Erschliessungsachse hin drei- und nach aussen viergeschossigen Zeilen entsprechen beidseits des Querwegs zwei verschiedenen Haustypen. Dabei ist Haustyp 1 im unteren Bereich der Überbauung jeweils durch langgestreckte, mehrläufige Treppen erschlossen. Diese schneiden als verglaste «Treppengassen» quer zum Hofraum in die Baukörper ein und betonen als klare Zäsuren die Mittelachsen der beidseitig jeweils vier zweispännigen Hausteile [6]. Streng gestaltete und zugleich filigran detaillierte Vorbauten aus Stahl enthalten auf jedem Geschoss jeweils zwei Balkone, die durch seitliche Milchglaswände und entsprechende Brüstungen gefasst werden. Die Mittelachsen der Balkonvorbauten sind durch hochrechteckige Farbfelder akzentuiert, deren unterschiedliche Töne der Farbpalette von Le Corbusier entnommen sind [7]. Haustyp 2 oberhalb der Querachse wird durch konventionellere Treppenhäuser erschlossen, an die jeweils dreispännig die Wohnungen anschliessen.
Die zentrale Erschliessungsachse wird seitlich durch halbhohe Betonmauern gefasst, welche dem Hofraum eine klare räumliche Struktur geben und ihn als halböffentlichen Erschliessungsraum gegenüber den privaten Sitzplätzen der Erdgeschosswohnungen abtrennen. Über den Zugängen zu den einzelnen Hausteilen erheben sich grosse, quadratische Farbfelder, welche ohne strenge Regelmässigkeit mit den Farbfeldern der Balkonvorbauten korrespondieren und mit den jeweiligen Hausnummern beschriftet sind. Die privaten Sitzplätze wurden nachträglich begrünt. Talseitig tritt zur Poststrasse hin markant der hier freiliegende, gemeinsame Sockel in Erscheinung, der in streng axialsymmetrischer Anordnung mit einem als Stahlbau ausgeführten Eingangspavillon überbaut ist. Auf Strassenniveau öffnet sich die Tiefgarageneinfahrt; zu beiden Seiten führen Freitreppen empor auf die Fussgängerachse zwischen den beiden Zeilen. Ebenfalls als Stahlbau ausgeführt ist der teilweise offene, brückenartige Hallenbau in der Querachse.
Die Wohnungen von Haustyp 1 sind entlang der vom Architekten so konzipierten «Treppengassen» halbgeschossig gegeneinander versetzt und erstrecken sich auch in ihrem Inneren je nach Grösse über zwei bis vier halbgeschossig versetzte Ebenen (vgl. Modell Gebäudeschnitt). Die von der Erschliessungsachse wie auch von der Parkgarage aus zugänglichen Treppenläufe sind dabei teilweise auch übereinander angeordnet. Lifte sind nicht vorhanden. Ziel war es, mit der komplexen Struktur eine vielfältige Raumsituation innerhalb der Wohnungen und Begegnungsmöglichkeiten ausserhalb der Wohnungen zu schaffen.
Anmerkungen:[1] Zum Gesamtareal Hanak 2018, S. 187-191; Gemeinde Spreitenbach, Quartierentwicklung Schleipfe. Quartierleitbild, Entwurf 2019 (www.spreitenbach.ch, Zugriff 11.2.2020), insbes. S. 9f.
[2] Hanak 2018, S. 187-191.
[3] Vgl. zu Schader allg. Hanak 2018.
[4] Vgl. Schleipfe 1 1994; Werk, Bauen + Wohnen, 1993; Hanak 2018.
[5] Vgl. Liechti 2002; freundlicher Hinweise anlässlich der Begehung (2020).
[6] Hanak 2018, S. 189.
[7] Ebd.
Literatur:- Michael Hanak, Jacques Schader (1917-2007), Architektur für die Nachkriegsmoderne, Zürich 2018, S. 187-191.
- Richard Liechti, Architektentraum im (un)heimlichen Eisenbahnerdorf, in: wohnen extra, August 2002, S. 14f.
- Schleipfe 1. Wohnüberbauung der Eisenbahner-Baugenossenschaft Spreitenbach, 1989-91, Hrsg.: Paul Meyer, Professur für Architektur und Baurealisation, ETH Zürich (Wohnbauten im Vergleich, Bd. 20), Zürich 1994.
- Wohnüberbauung Eisenbahner Baugenossenschaft, Spreitenbach, 1991, in: Werk, Bauen + Wohnen, 1993, H. 3, S. 26-31.
- Grünplanung Quartier Schleipfe, Spreitenbach/AG, in: Anthos. 20. Jg. (1981), H. 4, S. 46.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=137368
 

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