|
INV-SPB916 Siedlung Boostockstrasse, 1982 (Dossier (Bauinventar))
Identifikation |
Signatur: | INV-SPB916 |
Signatur Archivplan: | SPB916 |
Titel: | Siedlung Boostockstrasse |
Ansichtsbild: |
|
Bildlegende: | Ansicht von Südosten (2020) |
Bezirk: | Baden |
Gemeinde: | Spreitenbach |
Adresse: | Boostockstrasse 9, 11, 13 |
Versicherungs-Nr.: | 405 |
Parzellen-Nr.: | 2810 |
Koordinate E: | 2669695 |
Koordinate N: | 1252422 |
|
Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1982 |
Grundlage Datierung: | Schriftliche Quelle |
|
Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Profane Wohnbauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Siedlung, Wohnanlage |
|
Schutz / Status |
Status Bauinventar: | Neuaufnahme Bauinventar 2020 |
|
Dokumentation |
Autorschaft: | René Haubensak, Zürich (Architekt) |
Würdigung: | Originell disponierte und in postmodernen Formen sorgfältig gestaltete Überbauung mit Eigentumswohnungen, die 1982 nach Plänen des Zürcher Architekten René Haubensak für die Eiwog (Genossenschaft für Wohneigentum) erstellte wurde. Die drei sternförmig zueinander ausgerichteten Gebäudeflügel evozieren mit ihren verputzten Lochfassaden, den 45 Grad geneigten Satteldächern sowie den zahlreichen Vor- und Rücksprüngen das Bild traditioneller Häuser, grenzen sich durch die künstlerische Verfremdung der Bauformen aber gleichzeitig gegenüber einem wörtlichen Historismus ab. Das Zentrum der Anlage nimmt ein offener, als Holzgerüstbau erstellter Erschliessungskern ein, der zusammen mit den Freiflächen einen gemeinsam genutzten Aussenbereich zu den Wohnungen bildet. In der Überbauung manifestiert sich der Wunsch der Bauträgerin, kostengünstige Eigentumswohnungen mit hohem Qualitätsanspruch zu schaffen, welche gleichzeitig ein ausgewogenes Verhältnis von Privatsphäre und Gemeinschaft suchten. Architektonisch bildet die Anlage ein qualitätvolles Beispiel für die Hinwendung zu dörflichen Baustrukturen im Zeichen der Kritik am modernen Städtebau und an der suburbanen Vereinsamung in der Zeit um 1980. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Die Überbauung wurde 1982/83 nach Plänen des Zürcher Architekten René Haubensak (1931-2018) für die Genossenschaft «Eiwog» realisiert [1]. 1972 von LdU-Nationalrat Theodor Kloter gegründet, verfolgte diese den Zweck, preisgünstiges Wohneigentum von hoher architektonischer Qualität zu erstellen, wobei man auch den gemeinschaftlichen Aspekt betonte [2]. Nach der Realisierung wurden die Wohnungen jeweils an die Eigentümer verkauft, welche die Anlage in gemeinschaftlicher Selbstverwaltung betrieben, wie dies auch bei der Überbauung an der Spreitenbacher Boostockstrasse der Fall war. Haubensak hatte seit den 1970er Jahren verschiedentlich gemeinschaftliche Wohnprojekte realisiert, darunter etwa «Neualtwil» in Wil SG; als sein bekanntestes Werk gilt der «Klingenhof» im Zürcher Kreis 5 von 1977, ein Innenhof, den Haubensak durch teilweisen Abbruch von Hofeinbauten zu einem Spielplatz mit Ruinenlandschaft umgestaltete [3]. Anfänglich gehörte das sogenannte «Vogthaus» an der Boostockstrasse 7 (Vers.Nr, 34) zum Projektperimeter, ein Bauernhaus, dessen Wohnteil in seiner heutigen Erscheinung stark durch einen historisierenden Umbau von 1947-52 geprägt wird; schlussendlich erfolgte der nochmalige Umbau dieses Gebäudes allerdings unabhängig vom Neubau [4]. |
Beschreibung: | Die in originellen postmodernen Formen der Zeit um 1980 gehaltene Überbauung ist nahe der alten Dorfstrasse in zurückversetzter Lage an die Boostockstrasse gelagert, wo sie das Grundstück zwischen dem Gemeindehaus und dem sogenannten «Vogthaus» einnimmt. Die insgesamt neun Eigentumswohnungen verteilen sich in origineller Disposition auf drei Baukörper, die sternförmig um einen zentralen, offenen Treppenhauskern angeordnet sind und als jeweils eigenständige Häuser in Erscheinung treten. Das Projekt dokumentiert mit seiner Grundanlage getreu den Zielen der Bauträgerschaft die Suche nach dem Ausgleich zwischen der Privatsphäre der Eigentumswohnungen und einem gemeinschaftlichen Ganzen. Seine Gestaltung steht dabei für die Hinwendung zu traditionellen Bauformen und dörflichen Bebauungsstrukturen, die seit den 70er Jahren im Zug der Kritik am modernen Städtebau und der suburbanen Vereinzelung einsetzte. Während die verputzten Lochfassaden und die von Quergiebeln belebten Satteldächer ein Bild traditioneller Architektur evozieren, setzen sich etwa der knappe Dachüberstand, die scharf abgekanteten Formen und die knallfarbenen Details ebenso deutlich von einem wörtlichen Historismus ab. Die komplexen Geometrien, die in der Grundrissanordnung fast fraktal anmuten, waren dabei ausdrückliches Programm des Architekten. So konterte Haubensak nach eigener Aussage die Kritik von Berufskollegen an der Verspieltheit seiner Gebäude mit der für seine Architektur tatsächlich treffenden Feststellung: «Meine Bauten haben ebenso viele rechte Winkel wie die euren, aber noch unzählige Winkel mehr.» [5] Die drei ähnlich, wenn auch nicht ganz identisch gegliederten Häuser erheben sich mit zwei Vollgeschossen sowie einem ausgebauten Dachgeschoss über längsrechteckigem Grundriss. Sie werden radial zur sternförmigen Anordnung von Satteldächern abgeschlossen, deren Firste sich über dem Erschliessungskern vereinigen. Der Stern weist dabei keine regelmässige Geometrie auf, indem zwei der drei Flügel in einem Winkel von 90° zueinanderstehen, der dritte hingegen stumpfwinklig anschliesst. Die mehrheitlich gemauerten und verputzten Baukörper werden an den Längsfassaden jeweils durch einen polygonalen Erkerrisalit mit Quergiebel und weitere Vorsprünge belebt, wodurch sich eine vielfach verschnittene Dachlinie ergibt. Der mittlere Bereich der Längsfassaden ist im Unterschied zu den übrigen Teilen der Häuser mit einer Ausnahme in Holzbauweise erstellt und verbrettert; vorgelagert sind Balkonlauben und Wintergärten. Treppenabgänge und Fenstertüren sorgen für einen direkten Gartenzugang der Wohnungen im ersten Obergeschoss. Die Fenster werden von aufgemalten Einfassungen gerahmt, die sich an den drei Häusern jeweils in roter, grauer oder blauer Farbe von den weissen Fassaden absetzen. Mehrheitlich tragen sie hölzerne Schlagläden in dunkelgrüner Farbe. Auch die Fensterprofile sind jeweils im Kontrast zu den Einfassungen rot, blau oder dunkelgrau gehalten. Das Dach besitzt einen betont knappen Überstand und eine Neigung von 45°, womit eine geometrisch reduzierte Erscheinung erreicht wird. Die Dachflächen sind mit braunen Falzziegeln eingedeckt und tragen Giebellukarnen aus Zinkblech. Der zentrale Erschliessungskern ist als offener, hölzerner Gerüstbau ausgebildet, wobei sich durch die komplexe Geometrie der Eindruck eines eigentlichen hölzernen Stützenwalds ergibt. Die Holztreppe mit Stahlgeländern erschliesst auf beiden Obergeschossen jeweils eine Plattform, die Zugang zu den Geschosswohnungen gibt und gleichzeitig als gemeinsame Vorzone dient. Das nach Westen gerichtete, halbgeschossig versetzte Haus ist über eine weitere kurze Treppe zugänglich. Das nördliche und das südöstliche Haus umfassen im Erdgeschoss jeweils eine 5 1/2- und in den Obergeschossen zwei 4 1/2-Zimmer-Wohnungen. Das dritte, nach Westen gerichtete Haus enthält zwei Duplexwohnungen von 5 1/2 Zimmern, die sich das mittlere Geschoss teilen. Die Wohnungen umfassen jeweils einen grossen Wohnbereich mit halboffener Küche, der direkt vom Wohnungseingang betreten wird. Im äusseren Bereich der drei Häuser schliessen in den Etagenwohnungen beidseits eines kurzen Stichgangs die Zimmer sowie das Bad an; in den Duplexwohnungen werden sie über eine Treppe erreicht. Unter dem südöstlichen Haus und den umliegenden Aussenbereichen erstreckt sich eine in den ursprünglichen Bauplänen noch kleiner dimensionierte Tiefgarage. Der Zugang zum Grundstück erfolgt über einen Fussweg von der Boostockstrasse, neben dem sich die Tiefgarageneinfahrt öffnet. Diese wird in einer geradezu ironischen Weise von einem hölzernen Giebelhäuschen in reduziertem Massstab überragt, das als Spielgelegenheit für Kinder dient. Die Aussenbereiche sind neben den Wegen in einzelne, den jeweiligen Wohnungen zugeordnete Privatgärten eingeteilt. |
Anmerkungen: | [1] Baupläne im Baugesuchsarchiv der Gemeinde. [2] Fritz Schwarz, Eiwog, in: Werk-Archithese, 65. Jg. (1978), H. 21/22, S. 20f. [3] Vgl. zu René Haubensak: Neue Zürcher Zeitung (NZZ), 3.4.2015; werk, bauen + wohnen, 2018, H. 12, S. 45 (Nekrolog, verf. von Fritz Schwarz); https://www.swiss-architects.com/de/architecture-news/meldungen/rene-haubensak-1931-bis-2018 (Nekrolog, Zugriff 3.8.2020). [4] Freundliche Mitteilung anlässlich der Besichtigung (2020); zum «Vogthaus» vgl: Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, Spreitenbach II-19/2. [5] René Haubensak, zit. nach NZZ, 3.4.2015. |
Quellen: | - Gemeinde Spreitenbach, Baugesuchsarchiv: Baupläne 1982. |
Reproduktionsbestimmungen: | © Kantonale Denkmalpflege Aargau |
|
|
URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=137369 |
|
Social Media |
Share | |
|
|