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INV-AAB943 Werkstättengebäude Jugendheim, 1984 (Dossier (Bauinventar))
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1984 |
Grundlage Datierung: | Baugesuch |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Werkstatt |
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Schutz / Status |
Status Bauinventar: | Neuaufnahme Bauinventar 2021 |
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Dokumentation |
Würdigung: | In prominenter Situierung an der Bahnhofstrasse gelegenes Werkstattgebäude des Jugendheims Aarburg, das im Zusammenhang mit Umbauten auf der Festung 1985/86 nach Plänen des Aarburger Architekten Max Morf erbaut wurde. Das sorgfältig gestaltete, seiner Funktion entsprechend aber mit vergleichsweise rohen Materialien ausgeführte Gebäude präsentiert sich als Komposition aus zwei in die Tiefe gestaffelten rechteckigen Baukörpern, die von gegenläufigen und sich teilweise überschneidenden Pultdächern mit Kupferverkleidung und markanten Oberlichtern abgeschlossen werden. Mit der skulpturalen Gestaltung und der Verwendung streng axialer Gliederungselemente bildet das Bauwerk ein qualitätvolles Beispiel für die Architektur der 1970er- und frühen 1980er-Jahre. Durch die Artikulation in verschiedene, in die Tiefe gestaffelte, langgestreckte Baukörper kommt es insbesondere in der Ansicht über Eck vor dem Hintergrund des steil aufragenden Felssporns mit der Festung effektvoll zur Geltung, womit ihm ein erheblicher Situationswert für das Ortsbild von Aarburg zuzusprechen ist. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Das heutige Jugendheim wurde 1893 als «Zwangserziehungsanstalt» für jugendliche Straftäter auf der Aarburg eröffnet. Nachdem Kritik an den veralteten Einrichtungen und pädagogischen Methoden laut geworden war, erfolgte zwischen 1946 und 1959 eine tiefgreifende bauliche Erneuerung und die Umwandlung zur «Kantonalen Erziehungsanstalt». 1972 wurde die Einrichtung in «Erziehungsheim» umbenannt; seit 1989 trägt sie den Namen «Jugendheim Aarburg». Ein neuerlicher Um- und Ausbauschritt erfolgte, wiederum im Zusammenhang mit dem Wandel der pädagogischen und therapeutischen Erkenntnisse, 1984–88 [1]. In diesem Rahmen entstand auch der Werkstattneubau am südlichen Hangfuss unterhalb der Festung [2]. 1982 konnte der Kanton ein an der Bahnhofstrasse gelegenes Grundstück mit ehemaligen Gewerbegebäuden (Rohbi Maschinen AG) erwerben, womit sich die Möglichkeit ergab, die bis dahin auf der Festung untergebrachten Schreiner- und Schuhmacherwerkstätten an einen verkehrsgünstigeren Ort zu verlegen und eine Metallwerkstatt neu einzurichten. Deren Zweck besteht darin, den Jugendlichen eine Berufslehre zu ermöglichen. Im gleichen Jahr wurde der Aarburger Architekt Max Morf mit einem Vorprojekt für den Umbau der Gewerbegebäude beauftragt. 1983 beschloss der Regierungsrat, statt eines Umbaus am gleichen Standort einen Neubau zu erstellen, ebenfalls nach Plänen des Architekten Morf. Die Ausführung erfolgte 1985/86. Aufgrund eines Wettbewerbs für Kunst am Bau im Jahr 1987 realisierte der Künstler Beat Zoderer nebst weiteren Werken auf der Festung 1989–91 eine als Treppenturm mit Containerunterstand nutzbare Skulptur neben dem Werkstattgebäude [3]. Anstelle der Schuhmacherei wurde später eine Malereiwerkstatt eingerichtet. 2012 erfolgte eine Verlängerung des Gebäudes in den gleichen Formen um eine Fassadenachse nach Westen (Architekt Dieter Morf, Aarburg). |
Beschreibung: | Das Werkstattgebäude des Jugendheims ist südlich unterhalb der Festung (Kantonales Denkmalschutzobjekt AAB001) längs an die Bahnhofstrasse gelagert, wo es vor dem Hintergrund des schroff ansteigenden Felssporns mit den wuchtigen barocken Befestigungsmauern und der alten Burganlage wirkungsvoll in Erscheinung tritt. Es handelt sich um ein sorgfältig gestaltetes, der Funktion entsprechend vergleichsweise roh materialisiertes Gebäude in den skulpturalen Formen der 1970er- und frühen 1980er-Jahre. Der langgestreckte zweigeschossige Baukörper erhebt sich über einem Grundriss aus zwei sich überlagernden Rechtecken, über denen das Gebäude von zwei gegenläufig geneigten, sich teilweise überschneidenden Pultdächern mit markanten Oberlichtern abgeschlossen wird; ein kleinerer Annex an der Ostseite nimmt eine Garage auf. Konstruktiv ist der zweigeschossige Baukörper als Stützentragsystem aus Eisenbeton realisiert. Die Aussenwände sind zweischalig mit dazwischenliegender Wärmedämmung aufgemauert. Das Dach ruht auf Stahlfachwerkträgern. An der Westseite wurde das Gebäude nachträglich in denselben Formen um eine Fensterachse verlängert. Bis auf Brüstungshöhe des Obergeschosses ist der Baukörper mit massiven, verputzten Aussenwänden versehen, während sich im Obergeschoss ein langgestrecktes, nur von Stützenpaaren unterbrochenes Fensterband öffnet. Die streng axial gegliederten Fassaden sind im Erdgeschoss über hochrechteckige, mit einer Ausnahme geschosshohe Dreierfenster geöffnet. Der ursprünglich einzige Werkstatteingang mit grossem Rechtecktor öffnet sich leicht aus der Mitte gerückt in dem zur Strasse vorspringenden Baukörper der Metallwerkstatt. Eine weitere, identisch gestaltete Öffnung wurde nachträglich angelegt; eine dritte öffnet sich in der Verlängerung von 2012. In dem von der Strasse zurückversetzten ostseitigen Trakt befindet sich der Eingang zur ehemaligen Schuhmacherwerkstatt mit Laden; das passend zum Gebäude gestaltete Glasvordach ist eine nachträgliche Ergänzung. Im Gegensatz zum vertikal gegliederten Erdgeschoss treten das Fensterband des Obergeschosses ebenso wie die breite Dachkante als horizontale Elemente in Erscheinung, allerdings wiederum subtil differenziert durch die vertikalisierenden Betonstützen, die gleichzeitig über die Flucht des Erdgeschosses vortreten und der Fassade damit ein charakteristisches Relief verleihen. An den beiden Stirnseiten sind die massiven Aussenwände über das Obergeschoss bis zur Dachkante hinaufgezogen. Die Stahlfenster wie auch die Fensterbänke sind mit einer zeittypischen Vorliebe für satte Grundfarben in leuchtendem Rot gehalten. Als markantes Gestaltungselement fällt von weither das körperhaft ausgebildete, aussen mit Kupfer verkleidete Dach ins Auge, das an den Aussenseiten der jeweiligen Pultdachflächen die Oberlichter für die Werkstätten aufnimmt. Insbesondere in den beiden Ansichten über Eck tritt das Gebäude dadurch als in die Tiefe gestaffelte Komposition aus mehreren sich scheinbar durchdringenden Baukörpern effektvoll in Erscheinung. An der nach Norden gerichteten Rückseite präsentiert sich das Gebäude aufgrund des steil ansteigenden Terrains eingeschossig. Die etwas einfacher gestaltete Fassade ist auf der ganzen Länge mit breiten, geschosshohen Rechtecköffnungen besetzt, welche analog dem Fensterband der Vorderfront von Sichtbetonpfeilern gerahmt werden. Im mittleren Bereich sind sie mit mehrfach unterteilten Stahlfenstern verglast, resp. als Eingang ausgebildet; an den beiden Kopfenden des Gebäudes sind die Öffnungen als direkte Zufahrt zur Schreinerei sowie als Garage mit grossen Toren versehen. Die kaum einsehbaren Dachflächen sind hinter dem Kupferabschluss mit Betonziegeln eingedeckt. Das Innere beherbergt im Erdgeschoss die Schlosserei und anstelle der ursprünglichen Schuhmacherwerkstatt heute die Malerei, während das Obergeschoss ganz von der Schreinerei eingenommen wird. Die Schlosserei verfügt über einen grossen, durchgehenden Werkstattraum sowie eine Anzahl kleinerer Nebenräume wie Garderoben, Büro und Toiletten neben einem Schulungsraum. Die Schreinerei ist abgesehen von den Nebenräumen in die Bereiche Zuschneideraum, Maschinenraum und Bankraum untereilt. Durch eine sorgfältige Gestaltung bestechen vor allem die Werkstatträume der Schreinerei, über denen sich die von einem filigranen Stahlfachwerk getragenen Oberlichter öffnen und für eine grosszügige Belichtung der Arbeitsplätze sorgen. Die Innenwände der Werkstatträume sind aus unverputztem Kalksandstein ausgeführt. Die Büroräume besitzen zeittypische Decken aus Weichholz-Federtäfer. Das im rückwärtigen Bereich gelegene Treppenhaus zeigt einen Bodenbelag aus Tonplatten. Die ursprünglichen Handläufe wurden vor einigen Jahren durch ein im gleichen Rotton gehaltenes Staketengeländer ersetzt. Auf der Ostseite des Grundstücks ist in einer scharfen Linkskurve der steil ansteigenden Zufahrt zur Festung (Schlossrain) ein skulpturales Kunstwerk von Beat Zoderer aufgestellt, das als konstruktivistisch anmutende Komposition aus Stahl- und Betonelementen in Erscheinung tritt und als Treppenaufgang, Aussichtskanzel sowie Containerunterstand konzipiert wurde. |
Anmerkungen: | [1] Baugeschichte der Aarburg und des Jugendheims nach Hüssy et al. 2007, S. 37–41; zum Um- und Ausbau 1984–88 vgl. Erziehungsheim Aarburg 1988; zur institutionellen Geschichte des Jugendheims jetzt ausführlich Peter M. Schulthess, Die Jugend auf der Aarburg. Straf- und zivilrechtlicher Massnahmenvollzug, 1893–2018, Basel [2018]. [2] Erziehungsheim Aarburg 1988, S. 10f., 24–29, 38f. [3] Akten im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege; zu Beat Zoderer vgl. SIKART Lexikon zur Kunst in der Schweiz: https://www.sikart.ch/KuenstlerInnen.aspx?id=4004627 (Stand 2012). |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung. |
Literatur: | - Erziehungsheim Aarburg, Um- und Ausbau der Festungsanlage, Schaffung einer geschlossenen Anstalt für Nacherziehung, Werkstattneubau [Baubericht], Aarau 1988, S. 10f., 24–29, 38f. - Annelies Hüssy et al., Die Burg und Festung Aarburg (Schweizerische Kunstführer, Nr. 819), Bern 2007, S. 37-41. |
Quellen: | - Gemeinde Aarburg, Baugesuchsarchiv: Baupläne 1984. - Kantonale Denkmalpflege Aargau, Denkmalschutzakten. - Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotosammlung. |
Reproduktionsbestimmungen: | © Kantonale Denkmalpflege Aargau |
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URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=138300 |
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