INV-DOT927 Villa Othmarsingerstrasse 17, 1940-1941 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-DOT927
Signatur Archivplan:DOT927
Titel:Villa Othmarsingerstrasse 17
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Westen (2020)
Bezirk:Bremgarten
Gemeinde:Dottikon
Adresse:Othmarsingerstrasse 17
Versicherungs-Nr.:381
Parzellen-Nr.:1117
Koordinate E:2660150
Koordinate N:1248662

Chronologie

Entstehungszeitraum:1940 - 1941
Grundlage Datierung:Baugesuch

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Repräsentatives Wohnhaus, Villa

Schutz / Status

Status Bauinventar:Neuaufnahme Bauinventar 2022

Dokumentation

Autorschaft:Wilhelm Fischer
Würdigung:Frühes Beispiel einer Villa im Landistil, welche 1940/41 von Wilhelm Fischer, Zürich, für den Fabrikanten Kurt W. Fischer am nordwestlichen Ortsausgang, angrenzend an das zugehörige Industriegelände errichtet wurde. Hinter dem langgezogenen, gestaffelten Gebäude erstreckt sich ein parkartiger Garten nach Plänen des renommierten Garten- und Landschaftsarchitekten Gustav Ammann, der den malerischen Ausdruck der Gesamtanlage unterstreicht. Das sorgfältig gestaltete Wohnhaus mit Klosterputz, Hausteinpartien aus Muschelkalk und Mönch-Nonne-Falzziegeln bewahrt im Innern weitgehend die gepflegte bauzeitliche Ausstattung, die sich zeittypisch durch einzelne kunsthandwerkliche Details auszeichnet. Die jüngste der drei Fischer-Villen ist nicht nur ein authentischer Bauzeuge lokalgeschichtlicher Bedeutung, sondern auch ein architekturgeschichtlich wertvolles Beispiel des gehobenen Wohnens im Landistil.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die Villa wurde um 1940/41 für den Fabrikanten Kurt W. Fischer und seine Frau Hilda A. Lüthi errichtet [1]. Kurt W. Fischer-Lüthi und sein Bruder Ernest H. Fischer-Obrecht hatten die kaufmännische und die technische Leitung der "Ernest H. Fischer's Söhne" inne, welche 1930 als eine von zwei Firmen aus der aufgelösten Aktiengesellschaft "J. J. Fischers Söhne" hervorgegangen war. Während "J. C. Fischer's Söhne Hutfabrik" den ursprünglichen Geschäftszweig des Unternehmens weiterzuführen versuchte, hatte die "Ernest H. Fischer's Söhne" ihre Standbeine hauptsächlich in der Ramiefabrikation und dem Handel mit Hutmaterialien. Man richtete sich in den Gebäuden der Vorgängerfirma im Fildigebiet ein, welche eine Bleicherei und Färberei mit Werkstätten und Lagerhäusern umfassten, und erweiterte 1930 mit einem Bürogebäude im Stil der frühen Moderne (Bauinventarobjekt DOT920) [2]. Der ältere Ernest (geb. 1900) übernahm 1924 das Elternhaus am Bleicheweg 6, eine Villa von 1899 [3]. Kurt (geb. 1902) liess sich kurz nach seiner Heirat im Jahr 1937 nordwestlich der Fabrik nieder, wo er auf einem grosszügigen Grundstück eine Villa mit Park erstellen liess.
Mit der Projektierung des Hauses beauftragte er den ebenfalls in Dottikon aufgewachsenen und möglicherweise mit ihm verwandten Architekten Wilhelm Fischer (geb. 1900), der sich nach Arbeitsstationen in Deutschland (Büro von Prof. Klotzbach in Wuppertal-Barmen, Landhäuer in Berlin-Grunewald), St. Gallen (Ziegler und Balmer), Winterthur (Rittmeyer und Furrer) und Zürich (Architekturbüro Tittel) 1929 selbstständig gemacht und u. a. mit grösseren Wohnüberbauungen in Wiedikon und Höngg bereits einige Erfolge zu verzeichnen hatte [4]. Das Bauprojekt scheint unter unmittelbarem Nachwirken der Schweizerischen Landesausstellung 1939 in Zürich entstanden zu sein. Nicht nur das Wohnhaus war bereits ganz dem Landistil, einer späten Ausprägung des Heimatstils, verpflichtet [5], auch beim Umschwung strebte die Bauherrschaft eine Gestaltung an, die sich mit bedeutenden Projekten der zeitgenössischen Landschaftsarchitektur messen liess. So beauftragte man damit niemand Geringeren als Gustav Ammann (1885–1955), den richtungsweisenden und bekanntesten Schweizer Garten- und Landschaftsarchitekten seiner Zeit. Ihm war auch die gärtnerische Leitung an der Landi 39 anvertraut gewesen. Davor war Ammann u. a. für die Gärten der Werkbundsiedlung Neubühl (1930–32) und das Freibad Allenmoos (1935–39) zusammen mit den Architekten Werner Max Moser und Max Ernst Häfeli in Zürich beigezogen worden. Gustav Ammann gilt mit überaus zahlreichen realisierten Entwürfen und Veröffentlichungen als Begründer der modernen Schweizer Gartenarchitektur [6]. Bei der Planung des vorliegenden Gartens in Dottikon war bereits sein Sohn Peter Ammann (1919–2011) mitbeteiligt, der 1942 wohl noch während der Ausführung in das Büro seines Vaters eintrat [7]. Es war möglicherweise eines der ersten gemeinsamen Projekte.
Beschreibung:Das an der Ecke Othmarsingerstrasse/Fildistrasse gelegene Grundstück ist zur Strasse hin mehrheitlich von Mauern umgeben, die teilweise als mannshoch gemauerte Einfriedung mit Klosterputz und Mönch-Nonne-Ziegel-Abdeckung gestaltet ist. Darin ist an der Strassenkreuzung die Nische für ein Wegkreuz (Bauinventarobjekt DOT922E) eingelassen. Entlang der Othmarsingerstrasse sind die nur kniehoch aus Hausteinen gefügten Mauern mit einer Hecke ergänzt. Dazwischen befinden sich, teils mit Granitplatten, teils mit einer Pflästerung versehen, die Zufahrt und der Vorplatz zum leicht zurückversetzten Gebäude. Die gesamte Anlage ist begrünt und weist einen alten Baumbestand auf, der wie die Mauern und die inneren Strukturen (Wege, Plätze, Treppe) weitgehend auf den Entwurf von Gustav Ammann zurückgehen dürfte.
Der gestaffelte Baukörper setzt sich zusammen aus einem längs zur Othmarsingerstrasse gestellten zweigeschossigen Wohnhaus unter knappem, schwach geneigtem Satteldach und einen in Firstrichtung anschliessenden, leicht versetzten, eingeschossigen Garagenanbau. Die Eindeckung besteht aus Falzziegeln, die aus der Ferne wie Mönch- und Nonne-Ziegel wirken. Der wohl noch bauzeitliche helle Klosterputz, Hausteinpartien und -gewände aus regionalem Muschelkalk und dunkel gebeiztes Holz prägen den Charakter des Gebäudes, in den ansatzweise vielleicht auch die Vorstellung eines italienischen Landhauses hineinspielt. Fenster- und Türöffnungen sind bezüglich Lage und Format durch die innere Organisation der Räume bestimmt und entsprechend differenziert ausgestaltet – ein Merkmal, das den Landistil in der hier vorliegenden Form als späte Ausprägung des Heimatstils zu erkennen gibt.
Die der Hauptstrasse zugewandte Nordostfassade fällt durch ein grossformatiges, annähernd quadratisches Fenster in der Mitte auf, welches die Eingangshalle mit Innentreppe belichtet. Die mit Fenstergittern versehenen, kleinformatigen, querliegenden Fenster im Erdgeschoss zeigen die Lage der Küche und Nebenräume (Garderobe, WC) an, während die unauffälligen Fenster im Obergeschoss zu den Zimmern der Angestellten, zum Bad und zur Ankleide gehören. Das Toilettenfenster setzt hier und an der nordöstlichen Giebelseite als Oculus (Rundfenster) einen weiteren Akzent. Romantisch-malerisch wirkt die unregelmässig mit Öffnungen versehene nordwestliche Stirnfront. Hier befindet sich der mit Hausteinquadern eingefasste und von einem aus der Mauer kragenden, angedeuteten Vordächlein mit Mönch- und Nonne-Ziegeln geschützte, stichbogige Hinterausgang von der Küche her. Schräg darüber ragt ein kleiner Balkon aus der Fassade, der über einen schmalen stichbogigen Durchgang zugänglich ist. Die Fenster sind aus der Achse verschoben gesetzt. Die nach Südwesten orientierte Rückseite des Hauses öffnet sich währenddessen mit grossen querliegenden Fenstern und einem Balkon zum Garten hin. Während das Obergeschoss annähernd gleichmässig mit unauffälligen, dreiteiligen Fenstern zu den Schlafzimmern besetzt ist, sind die Öffnungen am Erdgeschoss stärker variiert. Das Westzimmer besitzt ein hohes, aus der Fassade vorspringendes Blumenfenster, dessen Muschelkalkrahmen oben mit einem knappen Pultdach und Mönch-Nonne-Ziegeln abschliesst. Die Gartenfront des Wohnzimmers ist als Fensterband gestaltet, welches, durch einen Pfeiler unterbrochen, ums Eck herumgeführt ist.
Nach Osten schliesst, gegenüber der Südwestfassade des Hauptbaus zurückspringend, der Garagenanbau an. Die westliche Hälfte des Anbaus, die einen dem Wohnhaus zugeschlagenen Raum enthält, tritt rustikalisierend mit Hausteinfassade und einem mächtigen Balken als Fenstersturz in Erscheinung. Durch einen weiteren Rücksprung der Fassade ergibt sich daneben ein offener, überdachter Bereich, der seitlich von einer vorkragenden Mauer mit vergitterter Rundbogenöffnung eingefasst wird. Das hier als Vorscherm etwas weiter hinabgezogene Dach ruht auf einer mächtigen Flugpfette. Ähnlich verhält es sich auf der Nordwestseite des Anbaus, wo neben der Garage mit zwei hölzernen Stichbogentoren ein schmaler, überdachter Bereich als Verbindung zum Hauseingang besteht. An diesen schliesst, mit kleinem Versatz, das Vordach zum Hauseingang an, das von einer mächtigen zylindrischen Stütze aus Muschelkalk und einem kleinen Gebäudevorsprung getragen wird. Die Untersicht des gesamten Vordachs ist als rustikale Balkendecke gestaltet. Dazu passen die in einer einfachen abgerundeten Form endenden Rafen am ganzen Haus. Die schmiedeeisernen Fenstergitter, Geländer und wohl auch einige (Aussen-)leuchten stammen aus der Bauzeit des Hauses.
Den Hauseingang flankiert die organisch nach aussen gekrümmte Mauer eines eingeschossigen, unter das Vordach des Eingangs integrierten Gebäudevorsprungs. Partien der Mauer und die Einfassung der stichbogenförmigen Haustür sind sorgfältig aus Muschelkalkquadern gefügt. Die solide in Metall und Glas gefertigte Tür (vgl. Küchenausgang) zeigt die Wappen der Bauherrschaft Fischer und Lüthi. Sie öffnet auf einen Flur mit grosszügigem Treppenhaus, der zusammen mit der Küche und einer Garderobe mit angegliederter Toilette im Gebäudevorsprung, den strassenseitigen Teil der Gebäudefläche einnimmt. Die Wand gegenüber dem Eingang ist mit einem Mosaik geschmückt, das einen Imker und eine Gärtnerin zeigt [8]. Boden und Treppe sind durchgehend mit dunklen Natursteinplatten belegt. Das schmiedeeiserne Geländer fällt durch seinen modernen Handlauf aus schlichtem Stahlrohr auf. Leichtigkeit und Eleganz verleiht dem Treppenhaus der sanft geschwungene Abschluss des oberen Flurs zum Luftraum hin.
Im Erdgeschoss ist vom Flur aus auch das im Anbau befindliche "Herrenzimmer" zugänglich. Gartenseitig reihen sich im Hauptbau von Westen nach Osten ein "Kinderzimmer", das Esszimmer und das Wohnzimmer aneinander. Hier haben sich holzsichtige bauzeitliche Fenster, ein Kamin und Türen mit handgeschmiedeten figürlichen Beschlägen erhalten. Der funktional organisierte Grundriss im Obergeschoss umfasst sämtliche Schlaf- und Badezimmer sowie die "Mädchenzimmer" (Angestelltenzimmer). Dem Elternzimmer im Südosten ist eine Ankleide zugeordnet, welche noch die bauzeitliche holzsichtige Schrankwand bewahrt. Weiter finden sich im Obergeschoss teilweise Natursteingesimse und bauzeitliche Keramikplättchen.
Bei der Gestaltung des Gartens achtete Gustav Amman auf ein freundliches Abschliessen des Vorgartens zur Strasse hin, indem er den leicht zurückversetzten, unterschiedlich hohen Mauern gestuftes Grün vorlagerte. Gleichzeitig setzte er insbesondere im rückwärtigen Bereich Bäume und Sträucher ein um die Einsicht von der Strasse her zu verdecken. Mit Mäuerchen, Treppen, Granitplattenwegen und Plätzen schuf er verschiedene Bereiche. Einer davon ist die dem Garagenanbau vorgelagerte ummauerte Terrasse mit altem Kastanienbaum. Daneben setzt eine breite, einseitig gerundete Treppe den Hauptakzent der Anlage. "Die breite Treppe, die in die Wiese überleitet, gibt dem Garten den Raum und die Weite der Landschaft," kommentierte er eine entsprechende Abbildung in seiner Publikation "Blühende Gärten" von 1955 [9].
Entlang der Fildistrasse entstand wohl etwas später in derselben Formensprache das Gartenhaus mit angegliedertem Gewächshaus [10]. Möglicherweise ist auch das nierenförmige Schwimmbassin eine nachträgliche Ergänzung.
Anmerkungen:[1] Gemäss Bauplänen (freundliche Mitteilung der Eigentümerschaft). Auf die Gattin von Kurt W. Fischer, Hilda A. Lüthi verweist der noch vorhandene Hochzeitsschrank von 1937.
[2] Plüss-Benguerel 1948, S. 83–87.
[3] Zu Bleicheweg 6: Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0084: Brandkataster Gemeinde Dottikon 1898-1937 (Vers.-Nr. 26).
[4] Vgl. https://www.fischer-architekten.ch/de/ueber-uns/profil (Zugriff: 01.09.2022).
[5] Vgl. Elisabeth Crettaz-Stürzel: "Heimatstil", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 19.06.2015. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011186/2015-06-19/, konsultiert am 26.08.2022.
[6] Marta Knieza / Alex Winiger, Bestandsbeschrieb Gustav Ammann, in: Website gta Archiv / ETH Zürich, November 2010/Oktober 2012, archiv.gta.arch.ethz.ch/nachlaesse-vorlaesse/gustav-ammann (Zugriff: 2.9.2022). - https://www.nsl.ethz.ch/projekt/gustav-ammann-1885-1955-landschaften-der-moderne-in-der-schweiz/ (Zugriff: 01.09.2022).
[7] Vgl. Ammann 1955, S. 35–36.
[8] Das Mosaik stammt möglicherweise vom ortsansässigen Künstler Hans-Eric Fischer (1907–1982), vgl. das Mosaik in der Eingangshalle der Schulhauserweiterung Hübel von Richard Beriger (Bauinventarobjekt DOT928).
[9] Ammann 1955, S. 35 (Zitat) –36.
[10] Die Versicherungsnummer 420 deutet auf eine spätere Ergänzung des Gebäudes hin. Auf dem Gartenplan von Gustav Ammann ist allerdings an derselben Stelle bereits ein kleinerer Bau eingezeichnet. Möglicherweise wurde dieser nicht sofort realisiert oder später vergrössert.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Industriekultur Schweiz. www.industriekultur.ch, Kanton Aargau, Dottikon, Objekt-ID: 5605-8, Ernest H. Fischer's Söhne, Bleicherei und Färberei (Zugriff vom 15.11.2021).
Literatur:- Gustav Amman, Blühende Gärten, Zürich/Stuttgart 1955, S. 35–37.
- Hermann Plüss-Benguerel, 120 Jahre Fischer's Söhne Dottikon. 1828–1948, Aarau 1948.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=138992
 

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