INV-SAF909 Karl-Barth-Haus, 1828 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-SAF909
Signatur Archivplan:SAF909
Titel:Karl-Barth-Haus
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Norden (2021)
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Safenwil
Adresse:Kirchrain 2
Versicherungs-Nr.:85
Parzellen-Nr.:889
Koordinate E:2641051
Koordinate N:1240972

Chronologie

Entstehungszeitraum:1828
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerliches Wohnhaus

Dokumentation

Würdigung:Stattlicher Wohnteil eines ehemaligen bäuerlichen Vielzweckbaus von 1828, genannt «Zum Fellenberg», der 1866 vom damaligen Eigentümer Hans Hüssy-Walty (1818–1906) der reformierten Kirchgemeinde von Safenwil geschenkt und in der Folge als Pfarrhaus genutzt wurde. Der Bau tritt durch seine Eckstellung an der Abzweigung der zur Kirche führenden Strasse im Ortsbild prominent in Erscheinung. Eine besondere historische Bedeutung kommt dem Gebäude als Wohnhaus des evangelischen Theologen Karl Barth (1886–1968) zu, der in Safenwil von 1911–1921 als Pfarrer wirkte und zu den grossen Protagonisten der evangelischen Theologie des 20. Jahrhunderts gehört. Im Dachgeschoss befindet sich die museal genutzte originale Schreibstube Barths, in der er von 1916–1918 die erste Fassung seines epochalen Römerbriefkommentars niederschrieb.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Als das Gebäude 1828 von den Geschwistern Hilfiker als Bauernhaus errichtet wurde, schloss an die östliche Giebelseite des Wohnhauses eine Scheune an. 1857 verkauften die Hilfikers das Haus an den Safenwiler Textilindustriellen Hans Hüssy-Kunz-Walty (1818–1906). Dieser liess darin eine Schule für arme Knaben einrichten und verlieh dem Haus den Beinamen «Zum Fellenberg», womit er seinen Freund den Pädagogen Philipp Emanuel von Fellenberg (1771–1844) ehrte. 1866 schenkte Hüssy-Kunz-Walty das Gebäude der reformierten Kirchengemeinde. Da sich Safenwil gerade erst im Jahr davor, 1865, als eigene Pfarrei etabliert hatte und die noch im Bau befindliche Kirche ganz in der Nähe etwas weiter hangaufwärts zu stehen kam, wurde das Gebäude fortan als Pfarrhaus genutzt. 1907 fand ein Umbau statt, bei dem die Scheune abgebrochen und im Erdgeschoss ein Unterrichtssaal eingerichtet wurde [1]. Vermutlich wurde dabei auch die Dachkonstruktion ersetzt.
Von 1911–1921 arbeitete der in Basel geborene und in Bern aufgewachsene evangelische Theologe Karl Barth (1886–1968) als Pfarrer in Safenwil und bewohnte das Pfarrhaus. Im Verlauf seiner Karriere avancierte Barth zu einem der bedeutendsten evangelischen Theologen des 20. Jahrhunderts. Konfrontiert mit der Notlage der Arbeiterschaft im Aargauer Bauern- und Arbeiterdorf, widmete er sich sozialen und politischen Fragestellungen. Sein dezidiert sozialdemokratisches Gedankengut führte zu einer Auseinandersetzung mit der Safenwiler Fabrikantenfamilie Hüssy und trug ihm den spöttischen Beinamen «roter Pfarrer von Safenwil» ein. Während seiner zehnjährigen Tätigkeit als Dorfpfarrer hielt Barth rund 500 Predigten. Zudem war diese für seine ganze spätere Theologie prägend. In seiner Schreibstube im Dachgeschoss des Safenwiler Pfarrhauses verfasste Barth von 1916–1918 die erste Fassung seiner Auslegung des Römerbriefes, mit der er sich von der historisch-kritischen Herangehensweise der liberalen Theologie abwandte. Der Römerbriefkommentar machte Barth über die Landesgrenzen hinaus bekannt und trug ihm, obwohl er nie eine Dissertation verfasst hatte, einen Ruf an die Universität Göttingen als Professor für reformierte Theologie ein, dem er 1921 folgte [2].
1978/79 erhielt das inzwischen als Kirchgemeindehaus genutzte Gebäude an der Südseite einen eingeschossigen Anbau.
Beschreibung:Das Karl-Barth-Haus befindet sich am Hangfuss des Kirchrains und ist traufständig auf die Dorfstrasse ausgerichtet. Es handelt sich um den Wohnteil eines ursprünglichen bäuerlichen Vielzweckbaus, dessen Ökonomietrakt 1907 abgebrochen wurde. Der noch bestehende Wohnteil präsentiert sich als zweigeschossiger Baukörper mit verputzten Bruchsteinmauern unter einem geknickten Krüppelwalmdach mit Giebelründen auf unverzierten Bügen an den Stirnseiten. Die Ecken der mit einem Kellenwurf verputzten Bruchsteinmauern sind von gequaderten Lisenen eingefasst. Die strassenseitige Trauffassade umfasst sechs Achsen steingefasster Rechtecktenster. Eine doppelläufige Treppe führt zum zentralen Hauseingang, dessen Türsturz die Jahreszahl 1828 und die ergänzte Inschrift «RENOV. 1979» trägt und mit einem Schlussstein mit einer Girlande im Louis-seize-Stil verziert ist. Zudem bewahrt der Hauseingang die originale zweiflüglige Füllungstür mit Oberlicht.
Im Innern wurde die bauzeitliche Grundrissdisposition durch den Umbau 1907 und die Erweiterung 1978/79 verändert. Heute beherbergt das Gebäude Büros und eine Wohnung. Im Dachgeschoss befindet sich die Schreibstube von Karl Barth mit der originalen Möblierung, die heute museal genutzt wird.
Das Gebäude ist von einem Garten umgeben, dessen Beete ursprünglich mit Buchsbaumhecken eingefasst waren.
Anmerkungen:[1] Hilfiker-Schudel 1977), S. 1.
[2] Zu Karl Barth siehe Theologische Realenzyklopädie, hrsg. von Gerhard Krause, Gerhard Müller, Berlin, New York 1980, Bd. 5, S. 251–268; Eberhard Busch, Karl Barths Lebenslauf. Nach seinen Briefen und autobiographischen Texten, München 1975; Christiane Tietz, Karl Barth. Ein Leben im Widerspruch, München 2018.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
- ICOMOS Liste historischer Gärten und Anlagen der Schweiz, Kanton Aargau, Safenwil, 4283-02.
Literatur:- Rosa Hilfiker-Schudel, Kirchen- und Dorfgeschichte von Safenwil, Safenwil 1966, S. 17–20.
- Rosa Hilfiker-Schudel, Das alte Pfarrhaus zum Fellenberg in Safenwil. in: kulturelle Vereinigung Safenwil, Nr. 12 (Dez. 1977), S. 1.
- A. Hüssy, C. Staelin-Hüssy, J.P. Zwicky, Die Hüssy vom Strigel. Vorfahren und Nachfahren des Johann Rudolf Hüssy-Zimmerli von Safenwil 1789–1857, Zürich 1939, S. 121.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0651 (1850-1874), Vers.-Nr. 67, CA.0001/0652 (1875-1898) Vers.-Nr. 78, CA.0001/0653 (1899-1938), Vers.-Nr. 85, Brandkataster Gemeinde Safenwil.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=139907
 

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