INV-SAF925 Ökonomiegebäude Villa Lindenrain, 1914 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-SAF925
Signatur Archivplan:SAF925
Titel:Ökonomiegebäude Villa Lindenrain
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Nordwesten (2021)
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Safenwil
Adresse:Lindenrain 4
Versicherungs-Nr.:271
Parzellen-Nr.:948
Koordinate E:2641512
Koordinate N:1241096

Chronologie

Entstehungszeitraum:1914
Grundlage Datierung:Brandkataster

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:Villa Lindenrain (SAF912)
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Nebengebäude Profanbau

Dokumentation

Autorschaft:Ernst Hüssy, Architekt
Würdigung:Ausserordentlich stattliches ehemaliges Ökonomiegebäude zur Villa Lindenrain (Bauinventarobjekt SAF912), welche 1914 nach Plänen von Architekt Ernst Hüssy für den Textilfabrikanten Fritz Hochuli (1860-1934) errichtet wurde. Der unter einem mächtigen Mansarddach geborgene Mauerbau, in welchem früher die Pferde, Wagen und Kutschen sowie eine Dienstwohnung untergebracht waren, bildet mit dieser eine repräsentative, ortsbild- und landschaftsprägende Baugruppe. 1985 erfolgte die vollständige Umnutzung des Gebäudes zu Wohnzwecken, wobei die bauzeitliche Dachwohnung weitgehend erhalten blieb.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die Villa Lindenrain (Bauinventarobjekt SAF912), zu der das Ökonomiegebäude gehört, ist ein eindrückliches Zeugnis der einst blühenden Schweizer Textilindustrie, die mit der Weberei und Färberei Hüssy & Co. und der Strickerei Hochuli & Co. zwei grosse Unternehmen in Safenwil besass. Während erstere ihren Anfang 1816 im Webkeller des Bauwollwebers Johann Rudolf Hüssy (1789-1857, vgl. Bauinventarobjekt SAF901) nahm, produzierte die 1897 eröffnete HoCoSa von Anfang an maschinell. Gegründet wurde sie von Fritz Hochuli (1860-1934), der in Safenwil aufgewachsen und anfangs wie sein Vater Lehrer war. Schon als junger Mann gab er seinen Beruf wieder auf und ging ins Ausland, um Erfahrungen zu sammeln. Nach zehn Jahren, die er in Paris und London verbrachte, kehrte er in die Schweiz zurück und arbeitete zunächst in der Strickerei His & Co. in Murgenthal sowie in Strickereibetrieben in Montbéliard und Winterthur. 1897 wagte er den Schritt in die Selbständigkeit und gründete in Safenwil ein eigenes Unternehmen zur maschinellen Herstellung gestrickter Kinder- und Damenunterwäsche [1]. Daneben gab es bis 1935 den Zweig der Handhäkelei, der Heimarbeiterinnen in der Schweiz und in Frankreich beschäftigte. Dank des sich gut entwickelnden Geschäfts besass Hochuli für seine Feinstrickwaren schon bald einen internationalen Kundenkreis, zu dem England und seine Kolonien als Hauptabnehmer zählten [2]. Der 1917 aus Amerika zurückgekehrte und in den väterlichen Betrieb eingetretene Sohn Max Hochuli brachte für das Geschäft wohl neue Impulse. Um den Betrieb ausbauen zu können, beauftragte Fritz Hochuli das Architekturbüro von Heinrich Meili-Wapf (1860-1927) und dessen Sohn Armin Meili (1892-1981) mit der Projektierung eines grösseren Fabrikgebäudes (Bauinventarobjekt SAF913), welches 1917-18 östlich der alten Anlage gegenüber dem Bahnhof ausgeführt wurde. Bereits vier Jahre davor, 1914, liess Fritz Hochuli als neuen repräsentativen Wohnsitz und Ausdruck des wirtschaftlichen Aufstiegs auf dem Lindenfeld, oberhalb des Dorfes thronend, die Villa Lindenrain errichten. Sowohl die Planung des Hauptbaus als auch des stattlichen zugehörenden Ökonomiegebäudes mit Pferdeställen, Einstellplätzen für Wagen und Kutschen samt einer Angestelltenwohnung lag bei Architekt Ernst Hüssy, Safenwi [3]. Für die Anlage des weitläufigen Parks mit grossem Brunnen (Bauinventarobjekt SAF904B) zog Hochuli den aus dem Schwarzwald stammenden, seit 1904 in Olten lebenden Gartenarchitekten Adolf Vivell (1878-1959) bei, der just im Jahre 1914 an der Landesausstellung in Bern für seinen Garten mit dem Grossen Ausstellungspreis ausgezeichnet wurde. Adolf Vivell entwarf viele Architekturgärten für den Berner Architekten des Neobarock Henry Berthold von Fischer. Er war Mitbegründer des Bunds Schweizer Gartenarchitekten, offiziell "Bund Schweizer Gartengestalter" (heute Bund Schweizer Landschaftsarchitekten), und hatte drei Söhne, Adolf, Edgar und Helmut, die ihm alle in der Berufswahl folgten [4].
Das Ökonomiegebäude wurde 1985 zu einem reinen Wohnhaus umgewandelt, indem der ehemalige Raum für Sattelzeug im Osten zu einer Garage und der ehemalige Pferdestall und die drei Einstellplätze für Fuhrwerk zu einem Entrée mit Treppenaufgang und Nebenräumen sowie zu einem grosszügigen Wohnbereich umgebaut wurden [5]. Die Angestelltenwohnung in der westlichen Hälfte des Mansardgeschosses blieb bestehen und erfuhr eine Erweiterung nach Osten in den Bereich des ehemaligen Heustocks
Beschreibung:Das ehemalige Ökonomiegebäude steht an aussichtsreicher Lage westlich der Villa Lindenrain, von der es deutlich abgesetzt ist. Es ist unter einem mächtigen Mansarddach geborgen, das in der Grundform demjenigen des Hauptbaus entspricht, hier über dem eingeschossigen Baukörper jedoch viel wuchtiger und behäbiger wirkt. An der westlichen Schmalseite befindet sich ein Gebäudevorsprung mit dem Eingang und Treppenhaus zur Angestelltenwohnung. Auf der Westseite, wo sich früher ein Heuaufzug befand, ist der Walm über einen kleinen Balkon gezogen. Die über einer niedrigen Sockelzone mit einem zeittypischen Kellenwurf verputzten Fassaden werden an den Ecken von einer kräftig gefugten Eckquaderung eingefasst. Sie zeigen noch weitgehend die ursprünglichen Fenster-, Tür- und Toröffnungen. Die westliche Hälfte der nach Norden orientierten Vorderseite prägen drei grosse, seit dem Umbau verglaste Stichbogentore zu den früheren drei Einstellplätzen für das Fuhrwerk. Nach Osten schliessen sich das Fenster und die Rundbogentür (heute Haupteingang) zum einstigen Pferdestall an. Ganz im Osten dient ein neues Tor als Einfahrt zur Garage, welche im ehemaligen Aufbewahrungsraum für das Sattelzeug eingerichtet wurde. Abgesehen von dieser Veränderung präsentiert sich die Rückseite des Gebäudes in gespiegelter Form. Das Mansardgeschoss besitzt blechverkleidete Stichbogenfenster, während den Dachraum im Walmbereich zeittypische Fledermausgauben belichten.
Seit der Erweiterung der ehemaligen Angestelltenwohnung in den ehemaligen Heustock und das Erdgeschoss, gibt es zwei Hauseingänge. Der alte Hauseingang auf der Westseite des Gebäudes öffnet auf ein hölzernes Treppenhaus mit gedrechseltem Geländer, das in den historischen Teil der Wohnung über den Einstellplätzen führt. In diesem Gebäudevorsprung sind auch eine Toilette und ein nachträglich eingebautes Badezimmer untergebracht. Die Wohnung bewahrt die historische Raumstruktur. Nordseitig des mittigen Stichgangs sind die modernisierte Küche und das Esszimmer angelegt, südseitig drei kleinere Zimmer. An historischer Ausstattung haben sich die Füllungstüren, Dielenböden aus Pitch Pine (Pechföhre) und im Esszimmer der bauzeitliche Anstellofen aus Gusseisen mit braun glasierten Reliefkacheln erhalten. Als Hauptzugang zur Wohnung dient heute jedoch der frühere Eingang zum Pferdestall. Durch diesen gelangt man in das neue Entrée der Wohnung, wo eine grosszügige Rundtreppe zum Obergeschoss vermittelt. Der Bereich des ehemaligen Heustocks ist heute mit der Angestelltenwohnung verbunden. Im Erdgeschoss befindet sich anstelle der früheren Einstellplätze für das Fuhrwerk ein grosser Wohnraum, der wie das Entrée mit Steinplatten ausgelegt ist.
Das Dachwerk zeigt die auch bei der Villa verwendete Dreieckskonstruktion mit Firstständern. Unterkellert ist nur die westliche Gebäudehälfte.
Zur historischen Umgebungsgestaltung des Gebäudes zählen ein Wandbrunnen aus Zement und ein gepflasterter Vorplatz.
Anmerkungen:[1] Striegel-Nachrichten 2013, S. 2-3.
[2] Zum Kundenkreis der HoCoSa siehe https://www.industriekultur.ch/admin/gui/object_manage.php, Objekt: ID: 23177 5745-2 Hochuli & Co./HOCOSA (Zugriff: 14.12.2022).
[3] Über Ernst Hüssy ist wenig bekannt, auch seine verwandtschaftliche Beziehung zur Familie Hüssy ist nicht geklärt. Als Architekt wirkte er ausserdem beim Umbau 1910 der Villa an der Obersumpfstrasse 44, um 1907-12 beim Landhaus Dr. Mast (SAF908) und 1920 beim Bau des Schwimmbads mit Badehalle für das Franke-Gut in Aarau (Kantonales Denkmalschutzobjekt AAR089).
[4] Zur Adolf Vivell siehe https://www.georges-buergin.ch/vivell/werke-adolf-sen-2/adolf-ernst-senior-ausstellungen-ehrungen/ (Zugriff: 13.12.2022). – Die Berufsbezeichnung "Gartenarchitekt" durfte Vivell nach Dekret des Bundeverwaltungsgerichts erstmals ab 1936 führen; Thomas Freivogel: "Vivell, Adolf", in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Version vom 27.12.2014. Online: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/049202/2014-12-27/, (Zugriff: 13.12.2022).
[5] Baugesuchsarchiv Gemeinde Safenwil, Baugesuch Nr. 1985, Jahr 4.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), lokale Bedeutung.
- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), Einzelelement, Erhaltungsziel A.
- ICOMOS Liste historischer Gärten und Anlagen der Schweiz, Kanton Aargau, Safenwil 4283-04
Literatur:- Striegel-Nachrichten Nr. 20, hg. v. Kulturchreis Sodhubel, Safenwil 2013, S. 2-10.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0653 (1899-1938), Vers.-Nr. 271, Brandkataster Gemeinde Safenwil.
- Baugesuchsarchiv Gemeinde Safenwil, Baugesuch Nr. 1985, Jahr 4.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=139923
 

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