INV-SAF928 Hohlgasse 9, 18. Jh. (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Identifikation

Signatur:INV-SAF928
Signatur Archivplan:SAF928
Titel:Hohlgasse 9
Ansichtsbild:
1/2
Bildlegende:Ansicht von Südwesten (2022)
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Safenwil
Adresse:Hohlgasse 9
Versicherungs-Nr.:195
Parzellen-Nr.:124
Koordinate E:2641440
Koordinate N:1241734

Chronologie

Entstehungszeitraum:18th cent.
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Inschriften:"Samuel Haller Hafner in Zofingen 1797" (Kachelofen)
Würdigung:Hochstudhaus, das wohl 1797 errichtet und im Laufe der Zeit durch einen zweiten Wohnteil und einen Wagenschof erweitert wurde. Der Vielzweckbau ist unter einem weit hinabgezogenen Walmdach geborgen, das noch bis 1919 eine Stroheindeckung trug. Er ist in der Grundkonstruktion samt rauchgeschwärztem Dachwerk weitgehend erhalten und zeigt am Äussern wertvolle Bestandteile wie holzgenagelte Tenntore mit profilierten Jochbalken, Ständerbohlenwände, beschnitzte Bughölzer, ein barock profiliertes Gesims und den nicht mehr genutzten Hinterausgang. Eine grosse Rarität sind die holzgenagelten Torflügel mit den aufgemalten Zimmermannsemblemen. Ein Kachelofen mit Hafnerinschrift, profilierte Deckenbalken und wenige Brettertüren zeugen von der historischen Innenausstattung. Das Bauernhaus ist einer der beiden letzten Vertreter dieses einst landschaftsprägenden Haustyps im Ort, die noch wesentliche Teile der altertümlichen Grundkonstruktion sowohl im Fassaden- als auch im Dachbereich bewahren.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das Bauernhaus dürfte im späten 18. Jh. entstanden sein. Ein wahrscheinliches Baujahr ist 1797, welches in der Hafnerinschrift an einer Gesimskachel des Stubenofens überliefert ist. Der Vielzweckbau bestand ursprünglich aus einem Wohnteil und einer Scheune. Noch in der ersten Hälfte des 19. Jh. erfolgte die Erweiterung nach Westen durch eine zweite Wohnung unter verlängertem Walmdach. Die Scheune wurde fortan von beiden Parteien geteilt. Beide Hausteile befanden sich um 1850 in den Händen der Familie von Daniel Schärer, H[an]s Jakobs [,] S[e]l[i]g, der damals selber wohl bereits verstorben war. Seine Frau behielt bis 1863 ihren Hausteil (B). Dann ging dieser an Samuel Schärer, "dürlirudis" über, dessen Berufsbezeichnung 1899 mit "Wächter" angegeben wird [1]. Darunter ist vermutlich die Funktion eines Flurwächters zu verstehen, der die Felder mittels Zaun und Gattertür vor den Tieren zu schützen hatte. So geht denn auch der in Safenwil verbürgte Familienname "Diriwächter" (Türenwächter) genau auf diese Berufsbezeichnung zurück [2].
1895 wurde ein Kamin erstellt, so dass der Rauch nicht mehr durch das Dachgebälk abzog. Die Stroheindeckung wurde jedoch erst 1919 durch Eternitschindeln ersetzt. Eine Zutat des frühen 20. Jh., die vielleicht gleichzeitig mit der Aufmauerung der Stallfront erfolgte, ist der ostseitige Wagenschopf, der zur Strasse hin mit einem Giebel abschliesst [3]. An den älteren Gebäudeteilen hat das 20. Jh. seine Spuren aussen wie innen in Form zahlreicher Bodenbeläge, Wand- und Deckenverkleidungen hinterlassen, unter welchen sich jedoch noch die bauzeitliche Ständerbohlenkonstruktion verbergen dürfte. Im hinteren Teil des ehemals zwischen Tenn und Wohnteil durchlaufenden Korridors wurde ein Treppenhaus eingebaut, so dass der Hinterausgang nicht mehr benutzt werden kann. Dieser hat sich in der Rückfassade jedoch vollständig, samt Türblatt und geschweifter Schwelle, erhalten.
Beschreibung:Das ehemalige Strohdachhaus liegt an der Einmündung der Hohlstrasse in die Hardstrasse, an welcher sich die Ortsteile Fritz, Hard und Holz im nördlichen der beiden alten Dorfkerne von Safenwil aneinanderreihen. Bis zum Bau der Autobahn 1967 bildeten die Hohlstrasse und der Mühlenrain einen durchgehenden Verkehrsweg zwischen dem nördlichen und dem südlichen Dorfkern. Der langgezogene Vielzweckbau steht mit dem First in West-Ost-Richtung. Er ist als Mittertennhaus konzipiert, mit zwei Wohnteilen im Westen, anschliessendem Tenn, Stall und strassenseitigem Wagenschopf. Das mächtige, mit Eternitschindeln gedeckte Walmdach weist noch die charakteristische, weit hinabgezogene Form auf, wobei es im Osten nahtlos in das jüngere Satteldach über dem Wagenschopf übergeht. Den Unterbau des Gebäudes bildet ein aus Bruchsteinen gefügter, mehrheitlich verputzter Kellersockel mit mehreren kleineren Gewölbe- und Tremkellern (Keller mit Balkendecke). In den beiden Wohngeschossen täuscht das heterogene, von Verputzen und Brettverkleidungen geprägte Fassadenbild darüber hinweg, dass die in eichene Schwellbalken eingezapfte Wandkonstruktion weitgehend in Ständerbohlenbauweise ausgeführt ist. So ist die nach Süden ausgerichtete Stubenfront des älteren Wohnteils mit einer einfachen, liegenden Bretterschalung verkleidet, während der jüngere Wohnteil mit einem für das frühe 20. Jh. typischen grobkörnigen Putz anschliesst. An der Rückfassade sind jedoch Teile der bauzeitlichen Holzkonstruktion sichtbar geblieben. Hier haben sich auch der ursprüngliche Hinterausgang mit Brettertür und kunstvoll geschweifter Schwelle sowie ein zur Küche gehörendes Fenster mit barock profiliertem Gesims erhalten. Demgegenüber könnten die fast durchwegs axial angeordneten Einzelfenster der Stubenfront - anstelle der im 18. Jh. noch zu erwartenden Reihenfenster - zumindest am älteren Wohnteil auf eine Umgestaltung im 19. Jh. zurückgehen. Die zeitlich etappierte Entstehung der beiden Wohnteile ist aussen an den unterschiedlichen Vorstössen der Ankerbalken (Deckenbalken) ablesbar, an welche am Kernbau Bughölzer mit Schnitzverzierung angeblattet sind. Das markanteste Bauteil an der Fassade sind die beiden mächtigen, mit Holznägeln zusammengebauten Tenntore. Die sich unter geschweiften, profilierten Jochbalken öffnenden Torflügel besitzen zum Wohnteil hin noch die alte Drehpfanne im Schwellbalken. Das nördliche Tor bewahrt zudem als grosse Rarität aufgemalte Zimmermannsembleme, welche eine für die Zeit um 1800 typische Form der Dekoration darstellen [4].
Durch den vorderen Hauseingang, der ein Türblatt aus der Zeit um 1900 mit Fensterchen und Schmiedeeisengitter besitzt, gelangt man in die Wohnung des Kernbaus. Die Aufkammerung entspricht mit Stube und Nebenstube im Süden sowie Küche und Nebenraum im Norden der bauzeitlichen Anlage, wobei es über den Nebenraum einen Durchgang zur Nachbarwohnung gibt. In der Stube ist ein grünweisser Kachelofen mit Sitzkunst aufgesetzt, der in der Wand zur Nebenstube noch die bauzeitlichen Kacheln bewahrt. Ein Relikt der ehemaligen Wohnkultur und ein wichtiger Hinweis auf die Baugeschichte ist hier eine Gesimskachel mit der Hafnerinschrift: "Samuel Haller Hafner in Zofingen 1797", womit vermutlich das Baujahr des Hauses vorliegt. Zur bauzeitlichen Ausstattung gehören auch die profilierten Deckenbalken in den Stuben. Ansonsten stammt der Ausbau samt Türen, Fenstern, Wandschränken und diversen Verkleidungen aus dem frühen 20. Jh. So auch die im Korridor eingebaute Treppe, welche die frühere Innenerschliessung – aufgrund des schmalen Gangs wohl eher eine einläufige Treppe von der Küche aus – ersetzte. Ein typisches Merkmal des ehemaligen Strohdachhauses zeigt sich denn auch im Raum über der Küche sowie im Dachgebälk, welche beide stark russgeschwärzt sind. Bis zum Einbau des Kamins 1895 zog der Rauch durch den offenen Dachraum ab. Da der Rauch eine konservierende Wirkung hat und Wurmbefall entgegenwirkt, sind die Dachwerke dieses alten Haustyps in der Regel gut erhalten. Die im vorliegenden Fall weitgehend intakte Hochstudkonstruktion mit Firstständern, First, Unterfirst und Rafen bildet mit dem darunterliegenden Ständerbaugefüge ein wertvolles Zeugnis dieses einst regional vorherrschenden und landschaftsprägenden Haustyps.
Hinter der Scheune befindet sich ein wohl um 1900 ergänzter, über das Dach mit dem Hauptbau verbundener Schweinestall.
Anmerkungen:[1] Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0651 (1850-1874), Vers.-Nr. 174, CA.0001/0652 (1875-1898) Vers.-Nr. 185, CA.0001/0653 (1899-1938), Vers.-Nr. 195, Brandkataster Gemeinde Safenwil.
[2] Zur Herkunft und Deutung des Names siehe https://www.srf.ch/radio-srf-1/auf-den-spuren-eures-namens/diriwaechter (Zugriff: 10.12.2022).
[3] Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0651 (1850-1874), Vers.-Nr. 174, CA.0001/0652 (1875-1898) Vers.-Nr. 185, CA.0001/0653 (1899-1938), Vers.-Nr. 195, Brandkataster Gemeinde Safenwil.
[4] Vgl. Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Fricktal und Berner Aargau, Baden 2002, S. 170-171.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0651 (1850-1874), Vers.-Nr. 174, CA.0001/0652 (1875-1898) Vers.-Nr. 185, CA.0001/0653 (1899-1938), Vers.-Nr. 195, Brandkataster Gemeinde Safenwil.
Reproduktionsbestimmungen:© Kantonale Denkmalpflege Aargau
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=139926
 

Social Media

Share
 
Home|Login|de en fr it
Online queries in archival fonds