Ansichtsbild: |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | approx. 1800 |
Grundlage Datierung: | Schätzung |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Profane Wohnbauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Wohnhaus |
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Dokumentation |
Würdigung: | Stattliches spätklassizistisch-biedermeierliches Doppelwohnhaus aus dem frühen 19. Jahrhundert mit Zierelementen des Schweizer Holzstils, das seine historische Bausubstanz weitgehend bewahrt hat. Das Äussere besitzt mit den rhythmisch angeordneten Rechteckfenstern mit profilierten Sohlbänken, dem umlaufenden Zahnschnittfries, der Eckquaderung, der partiellen Schindelverkleidung und dem östlichen zweigeschossigen Laubenvorbau einen reichhaltigen Fassadenschmuck. Das mit Biberschwanzziegeln eingedeckte Satteldach ist mit einer Sägezier entlang der giebelseitigen Kanten sowie mit dekorativ gestalteten Giebellukarnen versehen. Dem langgestreckten, traufständigen Baukörper kommt eine wichtige Stellung im Ortsbild zu, da er von der historischen Bebauung entlang der Bahnhofstrasse zeugt. Im Innern bewahrt er mit den Kachelöfen, dem Tafelparkett, dem Eisenherd, den Sprossenfenstern und den Türblättern der Hauseingänge mehrere historische Ausstattungselemente. Da mit der Schriftstellerin Lucie Beetschen-Meyer ("Anna Burg",1875-1950) und dem im hiesigen Gesundheitswesen sehr engagierten Arzt Dr. Adolf Hürzeler (1869-1933) zwei prominente Aarburger das Haus bewohnten, besitzt es eine lokalgeschichtliche Bedeutung. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Das spätklassizistisch-biedermeierliche Doppelwohnhaus an der Bahnhofstrasse 39/41 wurde wohl im frühen 19. Jh. errichtet; auf der um 1840 angefertigten Michaeliskarte ist es bereits eingezeichnet. Im ersten verfügbaren Brandkataster von 1850 wird als Eigentümer Abraham Wullschleger (1798-1858) aufgeführt, Mitglied einer traditionsreichen Aarburger Baumeister-Dynastie [1]. Seit 1890 befand sich das Wohnhaus im Besitz von Emil Meyer-Grossmann, der eine Hemdenfabrik betrieb und dessen Frau Marie Grossmann eine Urenkelin des Textilfabrikgründers Johann Jakob Grossmann war [2]. Die Eheleute Meyer-Grossmann zogen in dem Haus ihre drei Töchter auf, von denen die jüngste Lucie Beetschen-Meyer (1875-1950) unter dem Pseudonym "Anna Burg" als Schriftstellerin tätig war und sich vor allem mit Lyrik und Kurzprosa Renommee verschaffte [3]. Ihre Schwester Emilie Meyer heiratete 1894 den Arzt Dr. Adolf Hürzeler (1869-1933), der in der westlichen Haushälfte eine Praxis betrieb und neben seinem Engagement für die Schulpflege auch zuständiger Arzt für die Jugenderziehungsanstalt auf der Festung war [4]. Nach seinem Tod ging die westliche Haushälfte in den Besitz seiner Tochter Martha Hürzeler und ihres Ehemannes Dr. Werner Hinnen über. In der östlichen Haushälfte wohnte damals immer noch Lucie Beetschen-Meyer. Im 20. Jh. erfuhr das Doppelwohnhaus teilweise Modernisierungen, wobei das Äussere weitgehend intakt blieb und auch ein Teil der historischen Innenausstattung bewahrt wurde. |
Beschreibung: | Das langestreckte Doppelwohnhaus ist mit seiner südlichen Traufseite auf die Bahnhofstrasse ausgerichtet und liegt in einer weitläufigen Gartenanlage. Der zweigeschossige Mauerbau unter einem leicht geknickten Satteldach mit Biberschwanzziegeln ist quer zur Firstrichtung in zwei Wohnteile gegliedert, zwischen denen ursprünglich Verbindungstüren bestanden. Die Haushälften sind hinsichtlich der Grundrissgestaltung und der Erschliessung unterschiedlich ausgebildet. Während die östliche über einen stirnseitigen Eingang verfügt, kann die westliche traufseitig von der Bahnhofstrasse aus sowie über einen gegenüberliegenden rückwärtigen Eingang betreten werden. Die strassenzugewandte Südfassade des Doppelwohnhauses schliesst gegen aussen mit einer Eckquaderung ab und gliedert sich in neun Achsen mit einheitlichen gefalzten Rechteckfenstern mit kräftig profilierten Sohlbänken; davon gehören vier zum westlichen und fünf zum östlichen Hausteil. Unter der Dachuntersicht verläuft ein hölzerner Zahnschnittfries. Die beiden Giebellukarnen mit Zierelementen im Schweizer Holzstil dürften eine Ergänzung des späteren 19. Jh. sein. Eine dazu passende Sägezier verläuft auch entlang den giebelseitigen Dachkanten. Das Giebelfeld der westlichen Schmalfront ist mit Fassadenschindeln verkleidet; dessen drei regelmässig angeordnete Rechteckfenster hölzern eingefasst sind. Die östliche Schmalseite ziert ein doppelgeschossiger Laubenvorbau auf feingliedrigen Holzstützen mit dekorativ ausgesägten Brüstungsbrettern. Rückwärtig wird die Trauffassade durch einen zur westlichen Haushälfte gehörenden turmartigen Risalit mit Satteldach bestimmt. Über der östlichen Haushälfte befinden sich zwei analog zur Strassenseite gestaltete Giebellukarnen. Dieser giebelseitig erschlossene Wohnteil mit strassenseitiger Stubenfront wurde 1936 im Innern durch einen Umbau im Bereich der rückwärtigen Küche und des mittigen in Firstrichtung gelegenen Treppenhauses erheblich verändert. An älterer Ausstattung blieben die inneren bauzeitlichen Sprossenfenster mit Stangenverschlüssen erhalten, ebenso Parkettböden und Türen aus der Zeit um 1900, insbesondere das Türblatt des Haupteingangs mit dekorativem Türgitter. Der westliche Hausteil besitzt im Erdgeschoss einen quer zum First durchlaufenden Gang, von dem im Norden eine Treppe ins Obergeschoss führt. In der Hausmitte geht er in einen Stichflur über, von dem aus man südlich die Stube, nördlich die Küche und westlich einen weiteren Wohnbereich betritt. Auch in dieser Haushälfte haben sich die ursprünglichen Sprossenfenster erhalten; zudem existiert in der Küche des Obergeschosses ein Eisenherd. Von der Innenausstattung aus dem frühen 20. Jh. zeugen mehrere Kastenöfen samt den zugehörigen Einfeuerungsstellen; einer der Kachelöfen ist stilistisch dem Art Déco verpflichtet. Aus der selben Zeit stammen auch die Fliesenböden und die verschiedenen Tafelparkette. Unter dem Wohnbereich weisen beide Gebäudeteile voneinander unabhängige Gewölbekeller auf, die früher ebenfalls einen Verbindungsgang besessen haben. (Hausinneres gemäss Kurzinventar 1993.) Zur westlichen Haushälfte gehört ein vermutlich im späteren 19. Jh. errichtetes Nebengebäude, in dem früher Hemden genäht worden sein sollen. Später waren darin Pferd und Kutsche untergebracht, mit denen Dr. Adolf Hürzeler seine Hausbesuche machte. Die ehemalige Remise wurde zur Garage umgebaut. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung. |
Anmerkungen: | [1] Das Aarburger Geschlecht der Wullschleger kann als Baumeister-Dynastie bis ins 18. Jh. zurückverfolgt werden. So war bereits der gleichnamige Vater des im Brandkataster verzeichneten Eigentümers des Doppelwohnhauses Abraham Wullschleger (1760-1812) als Zimmermann tätig; sein Sohn Johannes Wullschleger-Müller (1800-1876) gründete beim Dürrberg im Norden von Aarburg ein eigenes Zimmereigeschäft, das von dessen Söhnen weitergeführt wurde. Zu der Familie gehörten auch die Architekten Robert Wullschleger (1874-1959), der in Aarburg u. a. das Post- und Bankgebäude (Bauinventarobjekt AAB940) gebaut hat und dessen ältester Sohn Hugo Wullschleger (1906-?), der ein Vertreter des "Neuen Bauens" war (s.n., Die Entwicklung der Firma Robert Wullschleger AG Aarburg. in: Aarburger Haushalt-Schreibmappe, 1969, S. 54-55, hier S. 54.). [2] Neben der 1824/25 von Johann Jakob Grossmann gegründeten Alten Spinnerei (Bauinventarobjekt AAB904) stehen mehrere Villen mit der Textilfabrikantenfamilie Grossmann in Verbindung; so auch die sog. "Villa Weber" (Bauinventarobjekt AAB903) und die sog. "Villa Geiser" (Bauinventarobjekt AAB916). [3] Walter Ruesch, Prominente Aarburger: Lucie Beetschen-Meyer "Anna Burg". in: Aarburger Neujahrsblatt, 1980, S. 21; Regula Wyss, "Burg, Anna", in: Historisches Lexikon der Schweiz, Online-Version vom 16.02.2005. [4] Walter Ruesch, Prominente Aarburger: Dr. med. Adolf Hürzeler (1869-1933). in: Aarburger Neujahrsblatt, 1973, S. 6-7. |
Literatur: | - Annelies Hüssy, Christoph Reding, Jürg Andrea Bossardt, Manfred A. Frey, Hans Peter Neuenschwander, Die Burg und Festung Aarburg. Schweizerischer Kunstführer. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hrsg.), Bern 2007, S. 56. |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0599-0602, Brandkataster Gemeinde Aarburg, 1850-1938. |
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=28254 |
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