INV-AAB916 Röm.-kath. Pfarrhaus u. Villa Geiser, 1850 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-AAB916
Signatur Archivplan:AAB916
Titel:Röm.-kath. Pfarrhaus u. Villa Geiser
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Aarburg
Ortsteil / Weiler / Flurname:Bahnhofstrasse
Adresse:Bahnhofstrasse 51, 53
Versicherungs-Nr.:356, 357
Parzellen-Nr.:592, 838
Koordinate E:2635308
Koordinate N:1241296
Situationsplan (AGIS):https://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2635308&y=1241296

Chronologie

Entstehungszeitraum:1850
Grundlage Datierung:Brandkataster

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Wohnhaus

Dokumentation

Würdigung:1850 für den Textilfabrikanten Adolf Grossmann errichtetes repräsentatives Doppelwohnhaus mit einer grosszügig angelegten Gartenanlage mit wertvollem, altem Baumbestand. Der spätklassizistische Bau verfügt über streng axial gestaltete Fassaden mit umlaufendem Gurtgesims. Seine Risalite sind an der südlichen Schaufassade durch dreigliedrige Fensterreihen mit Muschelsandsteingewänden und kunstvoll reliefierten Terrakotta-Brüstungsverkleidungen ausgezeichnet. An historischer Ausstattung bewahrt das Doppelwohnhaus mehrere vierteilige Füllungstüren mit Messingbeschlägen und gestemmte Fenstervertäferungen, qualitätsvolles Tafelparkett, Stuckdecken und einen aufwändig gestalteten Turmofen aus der Zeit um 1900.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Gemäss dem Eintrag im Lagerbuch der Aargauischen Brandversicherungsanstalt wurde das repräsentative Doppelwohnhaus 1850 für den Textilfabrikanten Adolf Grossmann errichtet [1] [2]. Ursprünglich gehörte zu den beiden Wohnteilen noch je ein Ökonomiegebäude. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. führten Export- und andere Schwierigkeiten zum Niedergang des Grossmannschen Grossbetriebes [3]. Wohl in diesem Kontext ging die Doppelvilla 1870 in den Besitz des Pfarrers Heinrich Welti-Kettiger über, der als Religionslehrer des Seminars Wettingen seit 1861 auch das von Nanette Schmitter 1827 gegründete Töchterinstitut leitete. Dieses wurde damals von der Hofmattstrasse (Kantonales Denkmalschutzobjekt AAB010) hierher verlegt. Nach der Aufhebung des Instituts 1905 wurde die östliche Haushälfte von der im Sperrholzhandel tätigen Familie Geiser bewohnt [4]. Dieser Nutzungswechsel zog eine bauliche Umgestaltung des Innern mit sich. Um 1910 wurde an der östlichen Stirnseite eine Vorhalle errichtet. Heute gehört die ehemalige Villa Geiser der röm.-kath. Landeskirche des Kantons Aargau und wird als Jugend- und Wohnhaus genutzt. Die westliche Haushälfte dient seit 1939 als Pfarrhaus der röm.-kath. Kirchgemeinde Aarburg. Im zugehörigen Park wurden weitere Gebäude errichtet: im Westen die 1942 von Otto Dreyer gestaltete röm.-kath. Guthirtkirche sowie im Norden Ende der 1990er-Jahre ein Pfarreizentrum und ein Jugendgruppenhaus.
Beschreibung:Das repräsentative Doppelwohnhaus befindet sich auf der nördlichen Seite der Bahnhofsstrasse in mitten eines grosszügig angelegten Parks mit wertvollem, altem Baumbestand und zwei Brunnen aus der Bauzeit (Bauinventarobjekte AAB926B und AAB926C). Der langgestreckte, zweigeschossige Mauerbau besitzt ein schwach geneigtes Satteldach. Ein Gurtgesims zieht sich um den ganzen Baukörper, dessen giebelseitige Frontpartien allseitig um Mauerstärke über den sechsachsigen Mitteltrakt vorspringen. Die Risalite sind an der nach Süden gerichteten Schaufassade durch dreigliedrige Fensterreihen mit Muschelsandsteingewänden und reliefierten Brüstungsverkleidungen aus sogenanntem «Merziger Terrakotta» ausgezeichnet [5]. Die orientalisierenden Reliefs zeigen jeweils zwei Greifen, die eine zentrale Lyra flankieren und von Volutenornamenten gerahmt werden [6].
Die westliche Haushälfte mit dem röm.-kath. Pfarrhaus verfügt über eine fünfachsige Giebelfassade, wobei das Giebeldreieck ein dreiteiliges Reihenfester aufweist. Ein von zwei Säulen getragenes Vordach schützt den zentralen Hauseingang, zu dem eine Treppe führt.
Die östliche Haushälfte, die sogenannte Villa Geiser, wurde, wohl anlässlich der Einrichtung des Töchterinstituts um 1870/80, rückwärtig um einen Quergiebelanbau vergrössert. An diesen wurde später als Ersatz für das im Kernbau entfernte Treppenhaus ein Erschliessungsanbau angefügt. Die Giebelseite der Villa Geiser erhielt kurz nach 1900 einen repräsentativ gestalteten Portalvorbau mit vier mächtigen in Muschelsandstein gehauenen Säulen dorischer Ordnung, die ein profiliertes Gebälk tragen. Der zunächst offene Säulengang wurde nachträglich zu einem Wintergarten ausgebaut.
Die beiden im Grundriss gegengleich konzipierten Gebäudehälften sind giebelseitig erschlossen und weisen in Firstrichtung einen Mittelgang auf. Von den mittig angelegten Treppenhäusern ist jenes in der westlichen Gebäudehälfte erhalten und bewahrt noch die kannelierten, mit Basen und Kapitellen ausgestatteten Gusseisensäulen und die zugehörigen Geländer. Im röm.-kath. Pfarrhaus scheint auch die Raumaufteilung noch weitgehend original zu sein. Nach Süden blicken im Erdgeschoss zwei grosse repräsentative Räume, rückwärtig sind ein weiteres Zimmer und die Küche untergebracht. Vom unteren Podest der dreiläufig angelegten Treppe ist die Toilette zugänglich. Unter jeder der beiden Haushälften sind ein grosser und zwei kleinere tonnengewölbte Keller U-förmig um das zentrale Treppenhaus angeordnet.
An historischer Ausstattung bewahrt das Doppelwohnhaus mehrere vierteilige Füllungstüren mit Messingbeschlägen und gestemmte Fenstervertäferungen aus der Bauzeit. Bemerkenswert sind im röm.-kath. Pfarrhaus die schmucken Tafelparkette und ein historistischer Turmofen aus der Zeit um 1900 mit hellblauen Reliefkacheln, Kranzgesims und einem bekrönenden Aufsatz mit Blattmaske und Früchten. Im Keller befindet sich eine halbrunde Nische mit dekorativ vorgelagerten Stuckpilastern. Die östliche Haushälfte bewahrt die Intérieurs der Umbauphase von ca. 1905 mit Gipsdecken, die mit feinen Stockprofilen verziert sind. (Hausinneres nicht gesehen; Angaben gemäss Kurzinventar 1996).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung. Einzelobjekt 0.0.28
Anmerkungen:[1] Neben der 1824/25 von Johann Jakob Grossmann gegründeten Alten Spinnerei (Bauinventarobjekt AAB904) stehen mehrere Villen mit der Textilfabrikantenfamilie Grossmann in Verbindung; so auch die sog. «Villa Weber» (Bauinventarobjekt AAB903) und das repräsentative Doppelwohnhaus an der Bahnhofstrasse 39/41 (Bauinventarobjekt AAB915).
[2] Als Architekt kommt möglicherweise Caspar Joseph Jeuch (1811–1895) in Frage, da stilistische Ähnlichkeiten zu seinen Bauten bestehen und er ab 1841 Mitglied der Baukommission des Kantons Aargau war. Zu Jeuch siehe Isabelle Rucki, Dorothee Huber, Architektenlexikon der Schweiz. 19./20. Jahrhundert, Basel 1998, S. 298.
[3] Jakob Bolliger, Aarburg. Festung, Stadt und Amt, Aarburg 1998, S. 324.
[4] Brunner, Heitz 1983, S. 11; 15.
[5] Mit «Merziger Terrakotta» wird ein innovatives keramisches Industrieprodukt mit künstlerischem Gestaltungsanspruch bezeichnet, das von der Firma Villeroy & Boch von der Mitte des 19. Jh. bis zum Zweiten Weltkrieg zunächst in Mettlach und ab 1879 in Merzig im Saarland hergestellt wurde. Zum Merziger Terrakotta siehe Arthur Fontaine, Merziger Terrakotta. Weltkarriere und Wiederentdeckung eines historischen Industrieproduktes, Norderstedt 2016, 3. Auflage.
[6] Stilistisch sehr ähnliche Brüstungsreliefs mit zwei Greifen besitzt die von Caspar Joseph Jeuch 1845 erbaute Dépendance zum Hotel «Ochsen» in Baden (Kantonales Denkmalschutzobjekt BAD050).
Literatur:- Hans Brunner, Fritz Heitz, Schweizerischer Kunstführer Aarburg. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hrsg.), Bern 1983, S. 11.
- Annelies Hüssy, Christoph Reding, Jürg Andrea Bossardt, Manfred A. Frey, Hans Peter Neuenschwander, Die Burg und Festung Aarburg. Schweizerischer Kunstführer. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte (Hrsg.), Bern 2007, S. 56.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau (StAAG): CA.0001/0599-0602, Brandkataster Gemeinde Aarburg, 1850-1938.
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=28260
 

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