INV-ATT902 Hauptstrasse 14, 17. Jh. (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
1/2

Identifikation

Signatur:INV-ATT902
Signatur Archivplan:ATT902
Titel:Hauptstrasse 14
Bezirk:Zofingen
Gemeinde:Attelwil
Adresse:Hauptstrasse14
Versicherungs-Nr.:14
Parzellen-Nr.:336
Koordinate E:2645804
Koordinate N:1234477
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2645804&y=1234477

Chronologie

Entstehungszeitraum:17th cent.
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:ATT908
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Würdigung:Wohl aus dem 17. Jahrhundert stammendes ehemaliges Strohdachhaus, das in traditioneller Bohlenständerbauweise aufgeführt ist und über eine intakte vierteilige Hochstudkonstruktion verfügt. Das grossvolumige, markant an der Strasse stehende Gebäude entfaltet mit seinen charakteristisch abgewalmten, vollständig geschlossenen Dachflächen eine prägende Wirkung im Ortsbild. Als Bauernhaus, Pferdewechselstation und Pintenwirtschaft hat es eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Bis heute ist es in der Gesamtanlage sehr gut erhalten und bewahrt namentlich im Wohnteil die ursprüngliche, eigenwillige Grundrissanlage und wesentliche Teile der historischen Ausstattung mitsamt dem nahezu unveränderten Gadengeschoss. Im kantonalen Vergleich zählt das Gebäude zu den eindrücklichsten Vertretern des „Aargauer Strohdachhauses“, weshalb ihm ein grosser bau- und kulturgeschichtlicher Zeugenwert zukommt.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die Entstehungsgeschichte des markanten Gebäudes, welches früher als Postablage und Pferdewechselstation sowie als Wirtshaus und Quartier für Durchreisende gedient hat, ist nicht in allen Teilen geklärt [1]. Aufgrund der konstruktiven Merkmale kann von einem Baudatum im 17. Jh. ausgegangen werden.
Erste konkrete Hinweise zur Nutzungsgeschichte stammen aus dem frühen 19. Jh. So ist der Name von Felix Morgenthaler am 1810 datierten Stalleingang belegt, ebenso am Eingang des zur Hofanlage gehörenden Nebengebäudes von 1806 (Bauinventarobjekt ATT908), in dessen Obergeschoss einst eine Tanzstube zur Wirtschaft eingerichtet war [2].
Die Jahrzahlen 1806 (Nebengebäude), 1810 (Stalleingang) und 1821 (westlicher Hauseingang) belegen eine grössere Umbautätigkeit zu Beginn des 19. Jh., welche möglicherweise mit der Einrichtung der Pintenwirtschaft in Zusammenhang steht. Zu jener Zeit dürften Fassadenveränderungen im rückwärtigen Küchenbereich (Fachwerkwände) sowie im Erdgeschoss der südlichen Stubenfront (Bretterverschalung der Ständerwand, grössere Fensteröffnungen) stattgefunden haben. Der Gastwirtschaftsbetrieb hatte angeblich bis in die 1870er Jahre Bestand.
Bis 1860 befand sich die Liegenschaft in den Händen der Familie Morgenthaler, ehe sie an Johannes Maurer überging. Der Wechsel von Stroh- auf Ziegelbedachung dürfte – wie bei grösseren Gebäuden durchaus üblich – schrittweise über eine längere Zeitspanne hinweg erfolgt sein und hat gemäss Brandkataster erst 1933 seinen Abschluss gefunden. Ein auf der südwestlichen Schmalseite des Hauses gelegener Speicher ist vor einiger Zeit abgebrochen worden. Auf den noch vorhandenen Steinfundamenten steht heute ein neues Chalet-Wohnhaus.
Beschreibung:Der hölzerne Baukörper duckt sich unter einem mächtigen, für Strohdachhäuser charakteristisch abgewalmten Dach. Das innere Dachgerüst bildet eine rauchgeschwärzte Hochstudkonstruktion mit vier mächtigen Firstständern („Hochstüden“) sowie Firstpfette, Unterfirst, Sperrrafen, Windstreben und fächerförmig verlegten Rafen als charakteristische Bestandteile. Die Stellung der Firstständer gibt dabei das Grundmuster der inneren Raumteilung vor: Zwei Hochstüde erheben sich beidseits des Tenns, ein dritter befindet sich in der Trennwand von Wohnteil und Scheune, während der vierte im Bereich der Wohnung auf der Feuermauer zwischen Küche und Stube abgefangen ist. Das original erhaltene Dachgefüge ist bei späteren Instandstellungsarbeiten punktuell verstärkt worden.
Das Gebäude zeigt am Wohn- wie auch am Scheunenteil weitgehend die alte Bohlenständerkonstruktion, wenngleich Teile der Wandfüllungen und Fensteröffnungen im Verlauf des 19. Jh. erneuert worden sind. Auf einem niedrigen Mauersockel aus Bruchsteinen liegt ein kräftiger eichener Schwellenkranz mit einfachen Zungenschlössern. Das Wandgerüst besteht aus zweigeschossig hochgeführten Ständern, die durch breite verblattete Kopfhölzer mit dem oberen Wandrähm verstrebt sind. Schlanke, teils mit Kerbschnitten verzierte Büge stützen die vorgeschobene Flugpfette, welche als Auflager für die weit ausladende Dachfläche dient. Die originale Wandausfachung des 17. Jh., bestehend aus breiten liegenden Bohlen und durchlaufenden, kräftig profilierten Brustriegeln, ist an den Obergadenwänden (aussen teils mit einer alten vertikalen Bretterschalung abgedeckt) und auf der nördlichen Hausrückseite bei der Hinterstube noch vollumfänglich erhalten. Demgegenüber dürften an der unteren südlichen Stubenfront die Wandfüllungen mitsamt den grossen, regelmässig angeordneten Fenstern und der horizontal aufgenagelten äusseren Bretterschicht aus dem 19. Jh. stammen. Abweichend von der reinen Holzbauweise, weist der nordwestlich gelegene Küchenbereich Fachwerkwände mit stichbogig ausgeschnittenen Fensteröffnungen, wohl ebenfalls aus dem frühen 19. Jh., auf. Eine vorgeschobene stirnseitige Bruchsteinmauer und eine offene hölzerne Laube mit spiralig beschnitzten Ständern umfangen die Nordwestecke des Hauses und bilden eine wettergeschützte Erschliessungszone.
Wie der Wohnteil zeigt auch der grosszügig dimensionierte Ökonomietrakt noch wesentliche Teile der alten Bohlenwände mit breiten verblatteten Kopfhölzern. Die Jahrzahl 1810 mit der Inschrift „FELIX MOR[gen] DA[ler]“ am stichbogig ausgeschnittenen Türsturz des Stalleingangs belegt kontinuierliche Erneuerungen namentlich im Stallbereich, welche allesamt in traditioneller Holzbauweise ausgeführt sind. Aus der gleichen Zeit dürfte der Eingang ins Futtertenn mit geschweiftem Jochbalken und farbigem Fries stammen, ebenso das holzgnagelte Tenntor, auf dem noch Spuren einer Bemalung mit Kreisbogen und Zimmermannsemblemen auszumachen sind (vgl. Bauinventarobjekt ATT915).
Der grossvolumige Baukörper ist als Mittertennhaus konzipiert, wobei das Raumkonzept durch ein aussenseitig angefügtes Futtertenn und einen zusätzlichen, zwischen Wohnteil und Tenn geschobenen Nutztrakt (Schopf, Remise) eine ungewöhnliche Erweiterung erfährt. Der Wohnungsgrundriss zeigt bei der Erschliessung deutliche Abweichungen vom gängigen Schema, was in erster Linie wohl auf die zeitweilige Nutzung als Gastwirtschaft zurückzuführen ist. Der durch ein kräftiges eichenes Türgewände gekennzeichnete Haupteingang (mit Jahrzahl 1821 am Sturz) liegt eher unscheinbar an der westlichen Schmalseite des Hauses. Hier gelangt man in einen geschlossenen Laubengang, der über Eck geführt ist und auf der Hausrückseite in eine offene Laubenzone übergeht. Vom Laubengang führt ein direkter Zugang in die ehemalige Gaststube und ein zweiter in die Küche, welche noch über einen zusätzlichen Eingang von Hausrückseite verfügt. Dass es sich bei der beschriebenen Erschliessungssituation um die ursprüngliche handelt, kann daraus ersehen werden, dass der darunter liegende Gewölbekeller sich über den eigentlichen Wohnungsgrundriss hinaus bis zur Aussenwand des Laubengangs erstreckt.
Die Küche mit einem abgetrennten kleinen Vorratsraum nimmt die Nordwestecke des Hauses ein. Von hier gelangte man in die östliche Hinterstube und durch eine Verbindungstür in die südlich anschliessende, als „Säli“ genutzte Nebenstube. Zwischen der Küche und der Hauptstube (ehem. Gaststube) bestand ursprünglich nur eine Durchreiche, der bestehende schmale Durchgang wurde erst nachträglich eingefügt. Von der Küche führt eine Stiege in den Obergaden, der auf der Südseite zwei grosse und auf der Nordseite über der Hinterstube eine zusätzliche Kammer umfasst. Sämtliche Räume sind hier als Rohbau belassen und die Lichtöffnungen teilweise noch mit alten Schiebfenstern ausgestattet. Über der ehemaligen Rauchküche erstreckt sich ein offener Raum, in dem sich früher ein grosser Rauchfang („Chemihutte“) befand (heute entfernt). Unmittelbar neben der Treppe zum Obergaden liegt der Abgang zum quer unter Küche und Laube verlaufenden Gewölbekeller. Früher existierte ein zusätzlicher Aussenzugang über eine Rampe vor der Laube. Ein zweiter, zeitweilig als Webraum genutzter Trämkeller unter dem „Säli“ war über einen südseitigen Ausseneingang erschlossen (heute zugeschüttet).
Die Wohnungsausstattung besteht aus profilierten Deckenbalken mit Bretterböden und Deckleisten, Feldertäfer an den Wänden sowie aus einem Kreuzriemenboden mit Hartholzfriesen und Füllungen aus Tannenholz. An der Feuermauer zur Küche hin kennzeichnen zwei Sandsteinplatten den früheren Standort des Kachelofens mit Sitzkunst. Als typische Ausstattungselemente der ehemaligen Gaststube sind die dreiseitig herumgeführte Wandbank und eine hochklappbare Trennwand zwischen Gaststube und „Säli“ (Nebenstube) zu erwähnen. Eine sorgfältig ausgeführte breite Abfasung am südwestlichen Eckständer könnte auf die frühere Existenz einer Kultnische („Herrgottswinkel“) hindeuten. Die Küche bewahrt den alten, aus Sandstein gefertigten Schüttstein mit Ausgussnase. An weiteren historischen Ausstattungselementen sind Wandkästen und Brettertüren mit Einschubleisten, aufgedoppeltem Rahmenwerk, Rollbändern und alten schmiedeisernen Schlössern zu erwähnen (gemäss Kurzinventar von 1992). Ein Teil der alten Möblierung, unter anderem das "Zythüüsli“, befindet sich heute im Weberei- und Heimatmuseum Schmiedrued sowie im Muhener Strohdachhaus [3].
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Eine mündlich überlieferte Jahrzahl „1376“, die früher angeblich am Hauseingang zu lesen war, ist als eher unwahrscheinlich einzuschätzen.
[2] Staatsarchiv Aargau, Lagerbücher der Aargauischen Brandversicherungsanstalt, CA.0001/0604-6 1850-1938; Brandkatastereintrag von 1853: Nebengebäude mit Tanzsaal.
[3] Freundliche Mitteilung Frau Hedwig Hochuli (1992).
Literatur:- Walter Blaser, Bauernhausformen im Kanton Aargau, 1974, S. 83 ff.
- Markus Widmer-Dean, Ortsgeschichte Attelwil, 2006, Abb. S. 63.
- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Baden 2002, S. 241 (Abb. 506).
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 42.
Quellen:- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Materialien.
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=28764
 

Social Media

Share
 
Home|Login|de en fr it
Online queries in archival fonds