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INV-BET907 Mühle, 1738 (Dossier (Bauinventar))
Ansichtsbild: |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1738 |
Grundlage Datierung: | Inschrift (Hauseingang) |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Mühle |
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Dokumentation |
Inschriften: | 1738 (Hauseingang) |
Würdigung: | Für den damaligen Müller und Untervogt Heinrich Meyer errichtetes Mühlengebäude, zu dem nebst dem heute noch bestehenden Landwirtschaftsbetrieb früher auch eine Sägerei und eine Bäckerei gehörte. Das ausserhalb des Dorfes im Kulturland gelegene bäuerlich-gewerbliche Ensemble zeigt eine stimmige Anordnung, welche in ihrem Situationswert durch einen prominent gelegenen bäuerlichen Nutzgarten mit stattlichem Wegkreuz von 1733 (Kantonales Denkmalschutzobjekt BET006) noch aufgewertet wird. Die Mühle zeigt sich im charakteristischen Erscheinungsbild eines Freiämter Ständerbaus mit traditioneller Schindelverkleidung, wobei der Mühlenraum als massiv gemauertes Sockelgeschoss aufgeführt ist.
Empfehlung: kommunaler Substanzschutz des Mühlen-Kernbaus mitsamt der westseitigen Erweiterung über dem ehemaligen Radhaus; kein Schutz des neuen nördlichen Treppenhausanbaus. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Die erste urkundliche Erwähnung einer Mühle in Bettwil findet sich 1331 im Grossen Urbar des Stifts Einsiedeln [1]. Das bestehende Mühlengebäude datiert gemäss Inschrift am Hauseingang aus dem Jahr 1738. Bauherr war der damalige Müller, Landwirt und Untervogt Heinrich Meyer, der sich wenige Jahre zuvor (1733) schon auf einem stattlichen Wegkreuz im Garten vor der Mühle verewigt hatte (Kantonales Denkmalschutzobjekt BET006). Heinrich Meyer amtete während 24 Jahren als Untervogt und Friedensrichter und soll neben drei Höfen noch "eine Tonne Geld" besessen haben [1]. Gemäss Überlieferung war er eine ebenso bekannte wie umstrittene Persönlichkeit. Er bemühte sich um die Gründung einer Kaplanei in Bettwil, die in der Folge sein Sohn Johann Jakob Meyer bis zum Tod 1794 besetzte. Vater Heinrich Meyer tat sich hierbei als grosszügiger Stifter hervor und liess um 1760 die Kaplanei, das spätere Pfarrhaus (Kantonales Denkmalschutzobjekt BET002) sowie die zugehörige Pfrundscheune (Kantonales Denkmalschutzobjekt BET011) auf eigene Kosten errichten. Später konnte er die Gebäulichkeiten für 2500 Gulden an die Gemeinde verkaufen. Im ersten Brandkataster von 1850 wird das Mühlengebäude als "2-stöckiges Wohnhaus mit gewölbtem Keller, Mühlewerk, Wasserrad und Sägemühle, von Stein und Holz unter Ziegeldach", nun im Besitz von Jakob Gauch, beschrieben [3]. Ein Wasserwerksplan von 1879 zeigt anschaulich die damaligen Verhältnisse mit dem Mühlengebäude und seitlichem Bäckereianbau und Ladenlokal (vermutlich seit 1832 bestehend), der grossvolumigen freistehenden Scheune (um 1900 modernisiert), einem Waschhaus, einer westlich des Hauptgebäudes stehenden Sägerei (ca. 1965 abgebrochen) und einer Beimühle weiter nördlich am Erusbach. Gemäss dem zugehörigen Verbal besass die Hauptmühle ein oberschlächtiges Wasserrad von 5.20 m Durchmesser, welches einen sogenannten Champagner-Mahlgang, eine Rönle, einen Mehl- und einen Kernenzylinder, einen Abräder und eine Griesstäube antrieb. Ein zweites oberschlächtiges Wasserrad von 6.10 m Durchmesser befand sich bei der Sägerei, und auch die Beimühle verfügte über ein eigenes, etwas kleineres Wasserrad von 3.90 m [4]. 1916 stellte man den Mühlenbetrieb ein und wandelte das Radhaus in einen Abstellraum mit darüber liegenden Zimmern um. Der Dachraum des Hauses wurde 1981 zu einer zweiten Wohnung ausgebaut, wobei man die Fenster an der östlichen Vorderfront vergrösserte. 2005 folgte die Umdeckung des Daches von den angestammten Biberschwanzziegeln auf Falzziegel, verbunden mit einem auffälligen Dachausbau mit Balkon. Als vorläufig letzter, einschneidender Eingriff hat man den ehemaligen Ladenanbau auf der Nordseite durch einen neuen Erschliessungstrakt ersetzt. In diesem Zusammenhang wurde der auf der Nordseite des Kernbaus gelegene historische Hauseingang von 1738 durch unsachgemässe Eingriffe in Mitleidenschaft gezogen. |
Beschreibung: | Die Schaufassade nach Südosten gerichtet, tritt das Mühlengebäude als breitbehäbiges "Freiämterhaus" mit steilem Krüppelwalm, Klebdächern und Schindelschirm in Erscheinung. Das in Bruchsteinmauerwerk aufgeführte, verputzte Sockelgeschoss enthält den Mühlenraum. Darüber setzt die Ständerkonstruktion der beiden Wohngeschosse an. Die Fassadengestaltung mit regelmässig gesetzten Fensterachsen, Schindelschirm und Verkleidung der Eckständer mit Brettpilastern dürfte aus dem späteren 19.Jh. stammen. Sie stand wohl in Zusammenhang mit baulichen Veränderungen, bei denen an der Stelle des ehemals offenen Radhauses ein zweiachsiger seitlicher Anbau unter abgeschlepptem Dach entstand. Auf der Nordseite des Hauses war vermutlich schon im frühen 19. Jh. ein Quergiebelanbau mit Bäckerei und Ladenlokal entstanden (heute durch den modernen Treppenhausanbau ersetzt). Eine Inschrift "IA GALTCA" [für Jakob Gauch?] mit der Jahreszahl 1832 an einem Fenstersims dürfte sich auf diese bauliche Erweiterung beziehen. Möglicherweise ebenfalls in den 1830er Jahren wurde die dem Wetter ausgesetzte westseitige Stirnfront des Hauses neu in massivem Mauerwerk aufgeführt und mit Fenstergewänden aus Muschelkalk versehen. An der südöstlichen Schaufront betritt man den halbgeschossig eingetieften Mühlenraum durch ein ebenerdiges Rundbogenportal, dessen eichener Türflügel mit Sonnenradmotiv ausgestattet ist. Eine gefaste Eichensäule mit Sattelholz und Unterzug stützt die Balkendecke des Raumes, welche mit einem unscheinbaren geschnitzten Herzmotiv verziert ist. Seitlich schliessen an den Mühlenraum zwei tonnengewölbte Keller an. Das ehemalige Radhaus ist heute zu einer separat zugänglichen Garage umfunktioniert. In die Wohnräume gelangt man auf der Nordseite über einen ehemaligen Aussenzugang, welcher heute in die neue Treppenhauserschliessung einbezogen ist. Der aus der Bauzeit erhaltene, durch unsachgemässe jüngere Eingriffe aber in Mitleidenschaft gezogene Türsturz zeigt eine Kielbogenfase mit Kreuz sowie die Bauherreninschrift "HEINRICH ME MVLER DES 1738" (heute teilweise verdeckt) [5]. Beide Wohngeschosse sind über einen quer zum First verlaufenden Mittelgang erschlossen. Nach Südosten schliessen die Hauptwohnräume Stube und Nebenstube an, während die Küche und die Nebenräume – in der unteren Wohnung auch die ehemalige Backstube – das Hinterhaus einnehmen. Über der Radkammer kamen mit der Hauserweiterung im 19.Jh. noch insgesamt vier weitere Zimmer hinzu. In den teilweise modernisierten Räumen sind an bauzeitlicher Ausstattung noch alte Bohlenwände und Türen sowie die kräftigen Deckenbalkenlagen vorhanden. Wesentlich zur stimmigen Gesamtsituation trägt der südöstlich vorgelagerte Bauerngarten bei, welcher in ähnlicher Form schon auf dem Wasserwerksplan von 1879 eingezeichnet ist. In die gemauerte Gartenumfriedung einbezogen ist das von Untervogt Meyer gestiftete Prankenkreuz von 1733, mit der Sockelinschrift "HIER STET / DAS CHRÜTZ / ZVO EREN GOT/ES VN GEDE/CHNUS SEINES / HL LEIDENS VND / STERBENS / DER MVLLER AL/HIER SOL ES / IN EREN HABE" (Kreuz unter kantonalem Denkmalschutz BET006). |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung. |
Anmerkungen: | [1] Vgl. Germann, KDM AG Band V, 1967, S. 76. [2] Zu Heinrich Meier vgl. Moos 1875, S. 13; 1100 Jahre Bettwil 1993, S. 38-39. [3] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0484-0487: Brandkataster Gemeinde Bettwil, 1850-1938. [4] Staatsarchiv Aargau, DB.W01/0006/09, Wasserwerksakten. [5] Eine ähnlich gestaltete Inschrift findet sich am Haupteingang des Untervogtshauses Hinterdorfstrasse 4 (Bauinventarobjekt BET901). |
Literatur: | - 1100 Jahre Bettwil, Bettwil 1993. - Leonz Moos, Heimatkunde der aargauischen Pfarrgemeinde Bettwil, Bettwil 1875 (Typoskript 1908). - Georg Germann, Die Kunstdenkmäler des des Kantons Aargau, Bd. 5: Der Bezirk Muri, Basel 1967. - Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 1: Freiamt und Grafschaft Baden, Basel 1996, S. 160 (Abb. 238). |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0484-0487: Brandkataster Gemeinde Bettwil, 1850-1938. - Staatsarchiv Aargau, DB.W01/0006/09, Wasserwerksakten. - Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar 1989, Bettwil VIII-7/1. |
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URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=29910 |
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