INV-BEW905 Unterdorf 14, 1803 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-BEW905
Signatur Archivplan:BEW905
Titel:Unterdorf 14
Bezirk:Muri
Gemeinde:Beinwil (AG, Freiamt)
Ortsteil / Weiler / Flurname:Beinwil, Unterdorf
Adresse:Unterdorf 14
Versicherungs-Nr.:160
Parzellen-Nr.:709
Koordinate E:2668709
Koordinate N:1231622

Chronologie

Entstehungszeitraum:1803
Grundlage Datierung:Inschrift (Ofenkachel)

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerliches Wohnhaus

Dokumentation

Würdigung:Stattliches steilgiebliges Freiämter Bauernhaus, das in der Zeit um 1800 für den späteren Regierungsrat Vinzenz Küng und dessen Ehefrau Katharina Beutler errichtet wurde. Das heute als Zweifamilienhaus genutzte Gebäude zeigt ein intaktes äusseres Erscheinungsbild mit Krüppelwalmen, Schindelschirm und stirnseitigen Klebdächern. Im Innern haben sich die Raumstruktur und wertvolle Teile der historischen Ausstattung – unter anderem ein Kachelofen mit dem Allianzwappen der Bauherrschaft – erhalten. Eine bauliche Besonderheit stellen die auffallend kräftigen, teils gekrümmten Deckenbalken und die ebenfalls gekrümmten Stützhölzer in den Kellerräumen dar. Der markante Baukörper ist prägender Bestandteil des Beinwiler Unterdorfes, wo er eine wichtige Stellung an der ehemaligen Durchgangsstrasse einnimmt.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Gemäss den Allianzkacheln am heute noch bestehenden Stubenofen wurde das Wohnhaus 1803 für den nachmaligen Regierungsrat Vinzenz Küng (1764-1843) und seine Ehefrau Katharina Beutler errichtet. Zu jener Zeit nahm das Gebäude eine exponierte Stellung an der alten Dorfstrasse ein, welche vor der 1968 erfolgten Korrektur auf der Nordseite des Hauses verlief und in einem starken Knick nach Osten umbog (vgl. Michaeliskarte um 1840 in der Fotodokumentation).
Der Bauherr Vinzenz Küng, eine über die Gemeinde hinaus bekannte Persönlichkeit, war Gerichtsschreiber in Muri und später Mitglied des Appellationsgerichts in Aarau. 1815 wurde er als Vertreter der katholisch-konservativen Richtung in den Kleinen Rat (Regierungsrat) gewählt, dem er bis zur Verfassungsrevision 1831 angehörte. In der Folge war er bis 1837 als Amtmann des Bezirks Muri tätig, und während vieler Jahre gehörte er auch dem aargauischen Grossen Rat an [1].
Vinzenz Küng übernahm 1796 von seinem Vater, Ammann Lunzi Küng, den stattlichen Hof im Unterdorf. Es ist davon auszugehen, dass er 1803 am Standort der alten Hofstätte das heutige Wohnhaus errichten liess. Möglicherweise könnte der Keller mit den auffällig kräftigen Balkenlagen noch Reste des Vorgängerbaus enthalten. Im ersten verfügbaren Brandkataster von 1828 wird ein "Wohnhaus von Holz mit gewölbtem und Tremkeller unter Ziegeldach", im Eigentum von Regierungsrat Vinzenz Küng, aufgeführt [2]. 1850 befand sich die Liegenschaft in den Händen von Josef Küng, ehe sie 1866 an Melchior und Joseph Bucher überging. Nach weiteren Besitzerwechseln gelangte sie in die Hände der Familie Leu, welche den Landwirtschaftsbetrieb bis heute bewirtschaftet.
In den 1980er Jahren hat man das Gebäude einer sorgfältigen Aussenrenovation unterzogen. Heute dient es als Zweifamilienhaus mit einem grösseren ostseitigen und einem kleineren westlichen Wohnteil.
Beschreibung:Das stattliche Bauernhaus steht im Beinwiler Unterdorf östlich der alten Dorfstrasse, welche unmittelbar nördlich davon in einem starken Knick nach Osten umbiegt. Es ist mit Firstrichtung Süd-Nord traufständig an die Strasse gestellt, wobei der nach Süden gerichteten Stubenfront ein mit einem schmiedeeisernen Zaun eingefriedeter Garten vorgelagert ist. Auf der westlichen Strassenseite rahmten einst zwei Spalierbäume den Hauseingang, von denen einer heute noch vorhanden ist. Sozusagen als Pendant beschirmt ein mächtiger Nussbaum den rückwärtigen Zugang. Hier schliesst auf der Nordostseite des Hofplatzes eine grossvolumige freistehende Stallscheune an.
Das Bauernhaus erhebt sich auf nahezu quadratischer Grundfläche als zweigeschossiger schindelverkleideter Ständerbau. Es ruht unter einem steilen, leicht geknickten Satteldach, das in regionaltypischer Bauweise mit kleinen Krüppelwalmen abgeschlossen wird. Die beiden Stirnfassaden sind mit je drei Klebdächlein auf zierbeschnitzten Bügen versehen, welche dem Gebäude seinen "Freiämter Charakter" verleihen. Die symmetrisch durchgebildeten Fassaden zählen giebelseitig jeweils sieben und traufseitig drei Fensterachsen. Als regionaltypische Besonderheit sind die Fenster im witterungsausgesetzten Erdgeschoss mit kleinen verschindelten Auskragungen – sogenannten Regendächlein – versehen. Die mittig gesetzten traufseitigen Hauszugänge sind über kleine dreiseitige Freitreppen erreichbar und werden von gewalmten Schutzdächern beschirmt. Den strassenseitigen Haupteingang begleiten zwei schmale vergitterte Gangfenster sowie ein Drillingsfenster mit rundbogigen Abschlüssen. Hier hat sich das originale vierfeldrige Türblatt samt den bauzeitlichen Beschlägen erhalten (rückwärtige Haustür erneuert).
Die Haustüren öffnen sich in einen quer zum First angelegten, früher durchlaufenden Mittelkorridor, der heute als Folge der Wohnungsaufteilung halbiert ist. Beidseits des Gangs schliessen drei Räume an, welche womöglich seit jeher, jedenfalls aber in späteren Jahren von zwei Haushaltungen genutzt wurden. Beide Seiten weisen eine identische Raumabfolge mit mittig gelegener Stube auf, an die rückwärtig gegen Osten eine Küche und westseitig zur Strasse hin ein Zimmer anschliessen (südöstliche Küche heute zu Sanitärraum umgenutzt). Das Herzstück des Hauses bildet in der nördlichen Stube ein bauzeitlicher Kachelofen, der vom Gang aus eingefeuert wird. Der Ofen besitzt grün-schwarz patronierte Füllkacheln mit zeittypischen Nelkenmotiven, gerahmt von weissgrundigen, bunt bemalten Frieskacheln mit Blumenmotiven, welche aus der Hafnerwerkstatt Notter in Boswil stammen dürften. Zwei Inschriftenkacheln zeigen in blauen Schriftzügen die Namen des Erbauerehepaars "Vinzenz Küng u. Fr. / Catharina Beütler, sein / Ehegemahl. 1803" sowie einen frommen Sinnspruch: "Der weise seyn will, sein Seel / betracht, Bereitet zum Tod / sich Tag und Nacht. 1803". Eine gleichartige Formensprache mit Blumen- und Häusermotiven weisen die bunt bemalten Zierkacheln an einer Sitzkunst in der südlichen Stube auf, die über einen sorgfältig gestalteten hölzernen Schubladensockel verfügt. Ein dritter, vermutlich etwas jüngerer Ofen mit grünen Kacheln und ebenfalls hölzernem Schubladenblock steht ebenfalls in der nördlichen Stube und wird von der westlich anschliessenden Küche aus befeuert.
Analog zur Raumaufteilung des Erdgeschosses ist das Obergeschoss in einen breiten Mittelgang mit beidseits anschliessenden Schlafkammern und Vorratsräumen gegliedert. Im zweigeschossigen offenen Estrichraum hat sich das bauzeitliche Dachgebälk, eine kräftige Sparrenkonstruktion mit stehenden (unten) und liegenden Stuhljochen (oben) in unveränderter Form erhalten.
Das erwähnte Grundrissmuster mit quer zum First durchlaufendem Mittelgang findet sich auch im Kellergeschoss. Als Besonderheit sind hier die kräftigen, handbehauenen und teils auffällig gekrümmten Deckenbalken aus Eichenholz anzuführen, ebenso die grossen gekrümmten Stützen, welche als Lastenabtrag auf eine massive Binnenmauer dienen. Die archaisch anmutende Deckenkonstruktion könnte auch älteren Datums und somit noch Teil eines vermuteten Vorgängerbaus sein (vgl. Bau- und Nutzungsgeschichte). Ergänzend zu den Kellerräumen mit Balkendecke nimmt ein tonnengewölbter Keller die Nordostecke des Hauses ein.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
- ICOMOS Liste historischer Gärten und Anlagen der Schweiz, Kanton Aargau, Beinwil 4224-1.
Anmerkungen:[1] Zu Vinzenz Küng vgl. Beinwil/Freiamt 1988, S. 72-73.
[2] Beinwil Freiamt 1988, S. 86 (No 39); Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0474-0477: Brandkataster Beinwil Freiamt 1850-1938.
[3] Zu den Boswiler Hafnern Notter vgl. Räber 1996, S. 235-237.
Literatur:- Beinwil Freiamt – Zeitbilder einer Landgemeinde, Aarau 1988 (Hrsg. Einwohnergemeinde Beinwil/Freiamt).
- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 1: Freiamt und Grafschaft Baden, Basel 1996.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 99.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0474-0477: Brandkataster Beinwil Freiamt 1850-1938.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, Beinwil/Freiamt, VIII-4/9.
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=29964
 

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