INV-BIW913 Untere Wanne 10, 12, 1515 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-BIW913
Signatur Archivplan:BIW913
Titel:Untere Wanne 10, 12
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Birrwil
Adresse:Untere Wanne 10, 12
Versicherungs-Nr.:26 A, B
Parzellen-Nr.:311, 1416
Koordinate E:2657407
Koordinate N:1237886
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2657407&y=1237886

Chronologie

Entstehungszeitraum:1515
Grundlage Datierung:Dendrochronologische Analyse

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Inschriften:"jacob /glor/ birwil / 1787"
Würdigung:Das "Foxbecke-Hus" ist ein ehemaliges Strohdachhaus, das mit dem dendrochronologisch ermittelten Baujahr 1514/15 als ältestes bislang datiertes Bauernhaus im Kanton Aargau ausgewiesen ist. Hinter der kürzlich angebrachten Wärmedämmung sind wesentliche Teile des alten Ständergerüsts erhalten, wogegen die grosse Teile der Bohlenfüllungen anlässlich der Renovation von 1981/82 ersetzt werden mussten. Weitgehend im Originalzustand erhalten ist die rauchgeschwärzte Hochstudkonstruktion, an der die Baugeschichte exemplarisch ablesbar ist: Der zentrale Kern (1514/15) erfuhr schon früh einen talseitigen Anbau (1554/55) und später noch eine hangseitige Erweiterung (vermutlich 18. Jh.). Das früh schon als Doppelbauernhaus genutzte Gebäude hat die innere Raumgliederung und Teile der historischen Ausstattung bewahrt. Aufgrund seines hohen Alters, der vielfältigen Baugeschichte und der wertvollen Konstruktionselemente an Wand und Dach kann dem Gebäude ein über die Region ausstrahlender bautypologischer und konstruktionsgeschichtlicher Zeugenwert zugesprochen werden.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die dendrochronologische Analyse hat ergeben, dass der Kernbau des Hauses mit zwei Hochstüden um 1514/15 errrichtet wurde, und dass nur wenige Jahrzehnte später (1554/55) eine östliche, talseitige Erweiterung erfolgte. Die Datierung des Sturzbalkens am Reihenfenster der südlichen Stubenfassade weist auf eine zusätzliche, nicht weiter zu klärende Bauphase hin [1]. Mit diesem Baubefund handelt es sich um das älteste bisher datierte Hochstudhaus auf Aargauer Boden [2].
Einer Güterbeschreibung im Liebegger Urbar von 1581 zufolge dürfte es sich um die Liegenschaft von Hanns von Lüthwyl gehandelt haben, welche "uff der Wannen gelegen, fürhin an die strass, so in den Wylihoff gat"; 1644 leben Michael und Hans Leuthweiler an der unteren Wanne [3]. Gemäss den schriftlichen Aufzeichnungen von Lokalhistoriker Willi Hintermann befand sich das schon früh in zwei Wohneinheiten aufgeteilte Haus seit dem frühen 18. Jh. in den Händen der Zimmermannsfamilie Gloor, mit Zunamen "Vogtsjoggis" (im östlichen Hausteil Vers.-Nr. 26A) und "Christenjoggis" (im westlichen Hausteil Vers.-Nr. 26B). Ein im östlichen Hausteil gefundenes altes Brett trägt denn auch die Inschrift "jacob /glor/ birwil / 1787" (siehe Bilddokumentation).
Im ersten verfügbaren Brandkataster von 1829 ist von einem "Wohnhaus mit Bescheuerung von Holz mit Strohdach" die Rede. Eigentümer des östlichen Hausteils war Rudolf Gloor, der westliche Hausteil gehörte Johannes Gloor [4]. Ein Nachkomme mit Namen Jakob Gloor hat hier seine Initialen "IG 1875" am Bein eines hellblauen Biedermeierofens hinterlassen. Von der Familie Gloor stammt auch die heute noch gebräuchliche volkstümliche Bezeichnung "s' Foxbecke Hus" [5].
Eine ältere Fotoaufnahme um 1980 zeigt das Haus ostseitig noch mit Stroheindeckung. Anlässlich eines Dachausbaus von 1986 wurde ein Balkenkranz eingezogen und die östliche Dachfläche neu mit Eternitschindeln eingedeckt. 2015/16 erfolgte am östlichen Hausteil (Vers.-Nr. 26A) eine energietechnische Sanierung mit Aussenisolation und Erdsondenheizung. Das alte Ständergerüst mit teilweise erneuerten Wandfüllungen von 1981/82 ist hinter der neuen Holzfassade erhalten geblieben [6].
Beschreibung:Das charakteristisch abgewalmte Gebäude ist mit Firstrichtung Ost-West quer ins steil abfallende Gelände gestellt, wo es stirnseitig an die Untere Wannenstrasse zum Dorfplatz stösst. In der ursprünglichen Konstellation des frühen 16. Jh. könnte es sich um ein Mittertennhaus, mit talseitigem Wohnteil und einem hangseitig anschliessendem Ökonomietrakt mit Tenn und Stall, gehandelt haben. Zu diesem kleineren Kernbau gehören zwei beidseits des Tenns aufragende Firstständer (Hochstüde) samt Firstpfette, Unterfirst, Sperrrafen und Windstreben, welche dendrochronologisch mit 1514/15 datiert sind. 1554/55, also nur wenige Jahrzehnte später wurde der dritte, ebenfalls bis auf das Bodenniveau reichende Firstständer des östlichen, talseitigen Wohnteils angefügt. Im 1986 zu Wohnzwecken ausgebauten Dachraum sind die Nahtstellen an First und Unterfirst noch gut zu erkennen. Eine zweite, hangseitige Erweiterung über dem westlichen Hausteil weist einen vergleichsweise schmächtigen vierten Hochstud mit dünner Firstpfette und Unterfirst auf; aufgrund der Ausgestaltung ist diese zweite, hangseitige Erweiterung wohl ins 18. Jh. einzuschätzen [7]. Spätestens seit diesem Zeitpunkt besteht die heutige Nutzungskonstellation mit zwei gleichwertigen Wohnteilen und dazwischen liegendem, gemeinsam genutztem Tenn.
Zur ältesten Bausubstanz gehören die Firstständer und Teile der 1981 restaurierten östlichen Südfassade (heute hinter der neuen holzfassade von 2015/16). In einen eichenen Schwellenkranz eingezapft ist ein zweigeschossiges Ständergerüst mit liegenden Bohlenfüllungen. In steilem Winkel angeblattete Kopfhölzer mit breiten Zierfasen und ein auffallend kräftiger Brustriegel im Obergeschoss weisen auf das hohe Alter der Konstruktion hin. Zwischen Stube und Nebenstube findet sich eine "Nahtstelle" mit gestossener Schwelle und Brustriegel, welche der Ansatzstelle beim Dachgerüst entspricht. Zur Ausebnung und Stabilisierung des Baugrundes wurde 1981 hinter der Bruchsteinmauer im Keller eine Betonwand und darauf ein Betonboden bis zur Nebenstube im Süden und unter der Küche eingezogen. Die Firstständer der Hochstudkonstruktion wurden dabei auf ein Betonfundament gestellt. Die östliche Stirnmauer aus Bruchstein, die bis auf Höhe des Obergadens reichte, wurde durch eine Kalksteinmauer ersetzt. Anlässlich der Sanierungsarbeiten von 2015/16 wurde diese nun verputzt.
Im Unterschied zum östlichen, talseitigen Hausteil ist der westliche, hangseitige Hausteil (Vers.-.Nr. 26B) als verputzte Fachwerkkonstruktion mit Einzelfenstern in unregelmässiger Achsenstellung aufgeführt. Den hangseitigen Abschluss bildet hier eine massive Stirnmauer.

Der ältere, östliche Hausteil (Vers.-Nr. 26A) hat in gängiger Manier die Hauptwohnräume Stube und Nebenstube nach Süden ausgerichtet, und rückwärtig schliessen die Küche mit abgetrennter Vorratskammer sowie ein von der Nordseite zu betretender Stichgang an. Früher war seitlich des Gangs ein kleiner Stall mit firstparallelem Futtergang ausgeschieden (heute Vorraum mit Wendeltreppe ins Obergeschoss). Der Abgang in den unter der Stube gelegenen kleinen Tremkeller befindet sich im Stichgang und ist mittels einer Falltür gesichert. Bis 1981 führte von der Küche, die ursprünglich als zweigeschossige Rauchküche vorzustellen ist, eine schmale Stiege in den Obergaden. Beidseits des durchlaufenden Hochstuds befinden sich die Türen zu den Schlafkammern. Ihre gegenüber dem Erdgeschoss abweichende Aufteilung ist an der südseitigen Fassade noch unschwer ablesbar. Im Innern haben sich eine alte Bohlenwand und zwei Türgewände erhalten, wovon das eine einen kielbogenartig abgefasten Sturz aufweist. In der Stube steht eine blaue Sitzkunst aus dem 19.Jh., der zugehörige Kachelofen ist abgegangen.

Der hangseitige westliche Hausteil (Vers.-Nr. 26B) ist in der vorliegenden Form aus der zweiten Erweiterung im 18. Jh. hervorgegangen. Mit Stube und Nebenstube auf der Südseite und Küche samt Stichgang auf der nördlichen Hausrückseite zeigt er ein ähnliches Grundrissmuster wie der ältere östliche Teil. Davon abweichend aber ist in der Nordwestecke ein ebenerdiger Kellerraum eingerichtet, welcher später teilweise zu Bad/WC umfunktioniert wurde. An älterer Ausstattung finden sich eine Feuerwand mit grünen Kacheln, von denen eine ins Jahr 1792 datiert ist, sowie eine alte Feuerstelle aus Sandstein mit aufgesetztem eisernem Sparherd. Der Kachelofen mit zweistufiger Kunst besteht aus hellblauen Füll- und weissen Frieskacheln. Er ist am Ofenfuss in das Jahr 1875 datiert und mit den Initialen JG (= Jakob Gloor) versehen. Aus dem 19.Jh. datiert auch das schlichte gerahmte Brettertäfer in der Stube, während die Obergadenräume vor einigen Jahren ausgebaut wurden (Inneres gemäss Kurzinventar von 1992).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Dendrochronologische Analyse durch Raymond Kontic, Dez. 2000 (Archiv Kantonale Denkmalpflege Aargau). – Sicher ermittelte Fälldaten der Hölzer des Kernbaus Herbst/Winter 1514/15. Da das gefällte Bauholz in der Regel innert Jahresfrist verbaut wurde, darf von einem Aufrichtedatum des Hauses von 1515 ausgegangen werden.
[2] Zusammenstellung der sicher datierten Hochstudbauten in Räber 2002, S. 446-449. – Das in der Ortschronik erwähnte Baujahr 1339 konnte dendrochronologisch nicht bestätigt werden. Ein derart hohes, weit ins Spätmittelalter zurückreichendes Baujahr ist bei hölzernen Profanbauten im schweizerischen Mittelland ohnehin als unwahrscheinlich zu bezeichnen. Die an einem Balken im Obergeschoss gefundene Inschrift könnte möglicherweise auch als 1554 gedeutet werden, womit sich ein Zusammenhang mit der östlichen Erweiterung des Hauses ergeben würde (vgl. Bilddokumentation).
[3] Hintermann 1985, S. 27-28; Hintermann 1985, S. 75.
[4] Staatsarchiv Aargau, BA.05/0068, CA.0001/0225-0227: Brandkataster Gemeinde Birrwil, 1829-1938.
[5] Schriftliche Aufzeichnungen von Willi Hintermann (Archiv kantonale Denkmalpflege).
[6] Baugesuchsakten 2015 (Archiv kantonale Denkmalpflege).
[7] Einen Hinweis auf diese Erweiterung könnte eine in die Feuermauer des westlichen Wohnteils eingelassene Ofenkachel mit der Inschrift 1792 liefern.
Literatur:- Willi Hintermann, Beiträge zur Geschichte von Birrwil, In: Heimatkunde aus dem Seetal, 58. Jahrgang, 1985, S. 37-77.
- Willi Hintermann, Birrwil 1185-1985, eine kleine Dorfgeschichte, Birrwil 1985.
- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Baden 2002, S. 41 (Abb. 19).
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, BA.05/0068, CA.0001/0225-0227: Brandkataster Gemeinde Birrwil, 1829-1938.
- Dendrochronologische Analyse durch Raymond Kontic, Dez. 2000 (Archiv Kantonale Denkmalpflege Aargau).
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=30798
 

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