INV-BRG912 Alte Bleiche in der Au, 1823 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-BRG912
Signatur Archivplan:BRG912
Titel:Alte Bleiche in der Au
Bezirk:Bremgarten
Gemeinde:Bremgarten (AG)
Ortsteil / Weiler / Flurname:Au
Adresse:Bleicheweg
Versicherungs-Nr.:284
Parzellen-Nr.:772
Koordinate E:2668132
Koordinate N:1245321

Chronologie

Entstehungszeitraum:1823
Grundlage Datierung:Brandkataster

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:BRG913
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Färberei, Bleiche

Dokumentation

Würdigung:1823 errichtetes Gewerbegebäude, das zur Bleiche in der Bremgarter Au gehörte und 1993 zum Wohnhaus umgebaut wurde. Der eingeschossige Mauersockel, der die Walk- und Wascheinrichtungen beherbergte, öffnete sich an der zum Fluss gerichteten Längsseite ehemals auf ein heute verschwundenes Radhaus; der Fachwerk-Oberbau mit dem imposanten, weitgespannten Krüppelwalmdach musste 1993 vollständig ersetzt werden. Zusammen mit dem noch im 19. Jahrhundert zu Wohnzwecken umfunktionierten ehemaligen Hängeturm (Bauinventarobjekt BRG913) bildet das Bleichegebäude eine typologisch und gewerbegeschichtlich wertvolle kleine Baugruppe, die sich in landschaftlich reizvoller Lage am Reussufer erhebt.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Bleiche und Hängeturm:
Die Bleiche oder «Bleiki» auf der Au ist aktenmässig bereits 1695/97 belegt, indem die Witwe Katharina Honegger von der Bleicherei und Färberei «zur Auw» (Bleiche) damals Anteile an der Walke bei der Bruggmühle hatte [1]. Die Anlage in der Au, die aus zwei Walkmühlen mit unterschlächtigen Wasserrädern in der Laufreuss bestand, ist aus den Stadtplänen von Scheuchzer/Ridiger (1712) und Baille (1748) bekannt; letzterer bezeichnet an dieser Stelle zwei Gebäude für Färben, Walken und Bleichen, von denen das obere etwa an der Stelle des heutigen liegt, sowie ein Wächterhäuslein [2]. Das heute bestehende Bleichegebäude sowie der Hängeturm wurden gemäss Angaben im Brandkataster gleichzeitig 1823 für Stadtrat Wietlisbach erbaut. Die Einträge lauten auf «Ein Bleichegebäude 1 Stok hoch gemaurt, 51 Fuss lang und 47 Fuss breit, mit Ziegel gedekt, ganz neuer Bau» (1823 Vers.-Nr. 266) sowie «Ein ganz neu erbautes Gebäude zum Tröknen, 1 Stok gemaurt, 3 Stok Riegel, 34 Fuss hoch und 24 breit mit Ziegel gedekt» (1823 Vers.-Nr. 267) [3]. 1828 wurde der Bleichebetrieb von Leodegar Weissenbach, dem Vater des späteren Ständerats Placidus Weissenbach d.Ä., erworben [4]. 1838 gründeten Jakob und Xaver Weissenbach unmittelbar reussabwärts in Stadtnähe die mechanische Baumwollspinnerei in der Au (Bauinventarobjekt BRG911). Ein Plan von 1857 in den Konzessionsakten des Kantons dokumentiert die damalige Anlage; ein im gleichen Jahr entstandener zweiter Plan zeigt die Bleiche zudem zusammen mit dem Wasserwerk der benachbarten Spinnerei (vgl. Bilddokumentation) [5]. Ein aus Steinen aufgeschüttetes Streichwehr in der Reuss leitete das Wasser der Bleiche zu, wo ein unterschlächtiges Wasserrad gemäss zugehörigen Beschrieb sechs Hämmer sowie eine Mange antrieb; unterhalb floss es dem Oberwasserkanal der Spinnerei zu, der auch einen Zufluss direkt aus der Reuss besass. Bei Niedrigwasser wurden die Steinschüttungen «durch hölzerne fliegende Wuhre verlängert» [6]. Die beiden Gebäude der Bleiche sind auf den beiden Plänen als «Tröckne-» resp. «Hängethurm» einerseits sowie als «Bleiche-Waschhaus» resp. «Bleiche» anderseits bezeichnet.
Der Bleichebetrieb wurde wohl kurz vor 1876 aufgegeben, zumal der Hängeturm im ersten verfügbaren Brandkataster aus jenem Jahr bereits als «Wohnhaus v[on] Stein u. Rieg mit 2 Tremkellern» erscheint, die Bleiche hingegen als «Magazingebäude u. Anbau v[on] Stein & Rieg», beide mit harter Bedachung. Es ist anzunehmen, dass der Hängeturm in diesem Zusammenhang in einzelne Wohnungen unterteilt wurde. Die Gebäude befanden sich nun im Eigentum der Aktien-Spinnerei zur Auw und erlebten in der Folge auch dieselben Handänderungen (1879 Kölliker, Honegger & Co., 1893 Robert Honegger & Cie.) [7]. Erst 1881 wurde das Wasserrecht der Bleiche offiziell aufgehoben und der Spinnerei zugeschlagen; ein Plan zu den Wehranlagen der Spinnerei aus demselben Jahr bezeichnet den Hängeturm als «Kosthaus», was bedeutet, dass er zur Unterbringungen von Fabrikarbeitern genutzt wurde [8]. In den 1940er Jahren wurden die Gebäude vom Fabrikanten Joseph Honegger an einen engen Mitarbeiter veräussert [9]. Seit längerem wird die Umgebung der beiden Gebäude als kleiner Campingplatz genutzt.
Jüngere Veränderungen am Bleichegebäude:
Das während langer Zeit ungenutzte, bereits bei einem Augenschein 1982 in seiner Stabilität stark beeinträchtigte Gebäude stürzte um 1990 ein [10]. 1993 wurde es unter Rekonstruktion der ursprünglichen Dachform in ein Wohnhaus mit Kleingewerberaum umgebaut, wobei das Mauerwerk stark repariert und das Holzwerk vollständig erneuert werden musste [11].
Beschreibung:Die beiden Gebäude der ehemaligen Bleiche bilden eine kleine gewerbliche Baugruppe, die in der Au rund 200 Meter oberhalb der Spinnerei auf dem rechten, inneren Ufer der Bremgarter Reussschleife liegt. Nicht nur das hier beschriebene eigentliche Bleichegebäude, sondern auch der Hängeturm (Bauinventarobjekt BRG913) erhob sich nach Ausweis alter Pläne und Fotografien ehemals hart am Wasser; heute ist zur Reuss hin ein schmaler Uferstreifen vorhanden. Das Bleichegebäude, das 1993 zu einem Wohnhaus umgebaut wurde, präsentiert sich als mächtiger, scheunenartiger Bau, der über einem hohen, gemauerten Erdgeschoss von einem imposanten Krüppelwalmdach abgeschlossen wird. Der Fachwerk-Oberbau samt der Dachkonstruktion wurde beim Umbau von 1993 in Anlehnung an den früheren Zustand vollständig erneuert. An der zum Fluss gerichteten Längsseite ist der Mauersockel beinahe über die ganze Länge geöffnet. Gemäss Wasserwerkplan von 1857 schloss hier das über den Kanal gestellte Radhaus an, das wohl ohne Trennwand in den Innenraum des Bleichegebäudes mit den Walk- und Wascheinrichtungen überging. Vor dem Umbau war die Längsseite nur notdürftig mit Brettern verschalt; heute ist sie mit einer Holzkonstruktion verschlossen.
Die beiden Stirnseiten sind mit rechteckigen Einzellichtern besetzt, die südliche Längsseite mit grossformatigen Toröffnungen. Über den Dachraum spannt sich ein ungewöhnlich hoher liegender Stuhl, und die Giebelflächen waren hier mit grossen rechteckigen Fensteröffnungen besetzt, was beides darauf schliessen lässt, dass auch das erste Dachgeschoss gewerblich genutzt wurde. Der zweite Dachboden wies stirnseitig unter dem Krüppelwalm ein offenes, mit hölzernen Staken versehenes Feld auf, welches wohl zu Belüftungszwecken diente und eine Nutzung als Trocknungsraum vermuten lässt. Bei der Erneuerung wurde der Stakenverschluss als Gestaltungselement in ähnlicher Form aufgegriffen.
Der Gebäudesockel enthält heute Nebenräume, eine Garage sowie eine offene Treppenhalle. Der rekonstruierte Oberbau ist zweigeschossig zu Wohnzwecken ausgebaut.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung, Erhaltungsziel A.
Anmerkungen:[1] Lehner 1999, S. 84.
[2] Auskunft von Stadtarchivar Dr. Bürgisser, Bremgarten, an A. Schlatter, Kantonale Denkmalpflege, 1982, im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege; Hiltmann 1999, S. 23.
[3] Stadtarchiv Bremgarten: 12/4, Brandkataster Gemeinde Bremgarten, 1805-1850 u. 1876-1897; Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0081, Brandkataster Gemeinde Bremgarten, 1899-1938.
[4] Hiltmann 1999, S. 24.
[5] StAAG, DB.W01/0008/07, Pläne von 1857.
[6] Ebd., Verbal vom 19.10.1857.
[7] Stadtarchiv Bremgarten: 12/4, Brandkataster Gemeinde Bremgarten, 1805-1850 u. 1876-1897; Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0081, Brandkataster Gemeinde Bremgarten, 1899-1938.
[8] StAAG DB.W01/0008/07, Notiz von 1942 sowie Plan der Wehranlagen der Spinnerei von 1881.
[9] Freundl. Auskunft des heutigen Eigentümers (2018).
[10] Badener Tagblatt (BT), 27.1.1993.
[11] Begleitung durch die Kantonale Denkmalpflege, Architekt Othmar Schaufelbühl; Akten im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege.
Literatur:- Bruno Lehner, Über den Neubau des Kraftwerks „zur Bruggmühle“, in: Bremgarter Neujahrsblätter 1999, S. 77-86, hier S. 84.
- Michael Hiltmann, Die Schifferzunft zur Oele und die Geschichte der Flösserei auf der Reuss und der Bremgarter Wasserwerke, in: Bremgarter Neujahrsblätter, 1999, S. 9-24, hier S. 23f.
- Peter Felder, Der Bezirk Bremgarten (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. IV), Basel 1967, S. 170.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau (StAAG): StAAG, DB.W01/0008/07, Wasserwerkskonzessionen Gemeinde Bremgarten.
- Stadtarchiv Bremgarten: 12/4, Brandkataster Gemeinde Bremgarten, 1805-1850 u. 1876-1897; Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0081, Brandkataster Gemeinde Bremgarten, 1899-1938.
- ETH-Bibliothek, Zürich, Bildarchiv: LBS_H1-008620, LBS_H1-008621, LBS_MH01-000112, LBS_MH01-002776, LBS_MH01-005120B, LBS_H1-015297.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Denkmalschutzakten.
- Stadt Bremgarten, Baugesuchsarchiv: Umbau 1993.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=31428
 

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