INV-BUS910 Arbeiterhäuser Neubuchs, 1875 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-BUS910
Signatur Archivplan:BUS910
Titel:Arbeiterhäuser Neubuchs
Bezirk:Aarau
Gemeinde:Buchs (AG)
Ortsteil / Weiler / Flurname:Neubuchs
Adresse:Neubuchsstrasse 3-13
Versicherungs-Nr.:171B/A, 172B/A, 173A/B
Parzellen-Nr.:924, 1167, 1123, 1122, 1126, 1156
Koordinate E:2647826
Koordinate N:1249358

Chronologie

Entstehungszeitraum:1875
Grundlage Datierung:Brandkataster

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Baugruppe
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Siedlung, Wohnanlage
Epoche / Baustil (Stufe 3):Spätklassizismus

Dokumentation

Würdigung:Drei von ursprünglich sechs Doppelhäusern, die 1875 als Arbeitersiedlung der «Internationalen Bergbahn-Gesellschaft Aarau» erbaut wurden. Die vom Bergbahnpionier Nikolaus Riggenbach zusammen mit dem Bauingenieur und Bauunternehmer Ingenieur Olivier Zschokke gegründete Firma war im heutigen Zeughaus an der Rohrerstrasse ansässig. Die ursprünglich von jeweils vier Parteien bewohnten Doppelhäuser beherbergten in den spiegelbildlich angelegten Haushälften je zwei knapp dimensionierte Geschosswohnungen; dazwischen sind auf gleicher Flucht die zugehörigen Holzschöpfe angeordnet. Die Grundstruktur der Siedlung, die einzelnen Häuser mit ihrer äusseren Erscheinung und zum überwiegenden Teil auch die Raumstruktur im Inneren sind im wesentlichen erhalten. Die Anlage ist ein bemerkenswert frühes Beispiel für eine Arbeitersiedlung aus freistehenden Kleinhäusern mit rückwärtigen Pflanzgärten, womit ihr erheblicher sozial- wie auch wohnungsbaugeschichtlicher Zeugenwert zukommt.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Gemäss Angabe im Brandkataster wurden die drei Arbeiterwohnhäuser zusammen mit drei weiteren, heute nicht mehr bestehenden 1875 durch die Firma Riggenbach & Zschokke erbaut und unter dem sicher damals geprägten Ortsnamen «Neubuchs» eingetragen [1]. Die Firma war 1873 von dem als Bergbahnpionier und Erbauer der Rigibahn bekannten Ingenieur Nikolaus Riggenbach zusammen mit dem Bauingenieur und Bauunternehmer Olivier Zschokke gegründet worden und auch als «Internationale Bergbahn-Gesellschaft Aarau» bekannt. In den für die Firma erbauten, später zum Zeughaus umgenutzten Werkhallen an der Rohrerstrasse in Aarau wurde die Ausrüstung mehrerer Bergbahnen hergestellt (Arth-Rigi-, Rorschach-Heiden-, Rigi-Scheidegg- und Lausanne-Ouchy-Bahn), bevor die Firma schon 1880 aufgrund des Auftragsrückgangs im Zug der Grossen Depression aufgelöst werden musste [2].
Die drei südlichen Doppelhäuser gingen daraufhin 1882 in das Privateigentum von Niklaus Riggenbach über, die nördlichen in jenes von Olivier Zschokke. 1887 wurden Riggenbachs Häuser in das gemeinsame Eigentum von Ingenieur Jakob Bächli und Architekt Gustav Wülflke übertragen, beides Teilhaber von Olivier Zschokkes zweiter, auf Eisenbahn- und Wasserbau spezialisierter Firma Zschokke & Cie; ab 1890 war Bächli alleiniger Eigentümer dieser Häuser. 1910 wurden die Liegenschaften von Bächlis Erben an einzelne Eigentümer verkauft, welche die jeweiligen Haushälften vielleicht bereits bewohnten und unter denen sich insbesondere Fabrikarbeiter und Bahnangestellte finden. 1924 folgte der Verkauf der mittlerweile im Eigentum von Zschokkes Witwe Marie befindlichen Doppelhäuser [3].
Im Verlauf des 20. Jh. erfuhren die einzelnen Häuser durch ihre jeweiligen Eigentümer verschiedentliche Umbauten und Renovationen. Die beiden nördlichsten Doppelhäuser wurden um 1980/90 abgebrochen, das dritte von Norden (Neubuchsstrasse 15/17, Vers.-Nr. 175) um 2002.
Beschreibung:Die drei erhalten gebliebenen Doppelhäuser bilden die südliche Hälfte einer ursprünglich sechs identische Gebäude sowie Nebenbauten und rückwärtige Pflanzgärten umfassenden Arbeitersiedlung. Diese erhob sich zur Entstehungszeit weit ausserhalb des Dorfes Buchs und war mit ihrer Lage an der Bahnlinie ganz auf die Nähe zu den Werkstätten der «Internationalen Bergbahn-Gesellschaft» an der Rohrerstrasse in Aarau ausgerichtet (vgl. Siegfriedkarte von 1880 in der Bilddokumentation). Mit dem Baujahr 1875 handelt es sich auch im schweizweiten Vergleich noch um ein frühes Beispiel einer Arbeitersiedlung mit freistehenden Kleinhäusern und Pflanzgärten, wie sie als Beitrag zur Verbesserung der Wohnverhältnisse der Arbeiter gefordert wurden. Erst ab 1866 war mit der Rieter-Siedlung in Winterthur die erste solche Anlage in der Schweiz entstanden, die sich ihrerseits am Vorbild der Mülhausener «Cité ouvrière» von 1854-66 orientierte [4].
Die drei Doppelhäuser sind entlang der damals bereits bestehenden Strasse nach Rohr aufgereiht, wobei zwischen jeweils zwei benachbarten Häusern ein gemeinsam genutzter Schopf steht; im rückwärtigen Bereich lagen auf den langgestreckten Parzellen die zugehörigen Pflanzgärten. Bei den Doppelhäusern handelt es sich um verputzte Mauerbauten mit einem einzigen Vollgeschoss und einem von Anfang an ausgebauten Kniestock, die pro Haushälfte jeweils zwei bescheiden dimensionierte Geschosswohnungen enthielten. Die spiegelbildlich angelegten Gebäude liegen in traufständiger Ausrichtung unter einem flach geneigten, geraden Satteldach. Im Kniestock wendet sich mittig ein jeweils hälftig zu beiden Hausteilen gehörender Quergiebel zur Strasse. Die Giebelflächen bestehen nach Ausweis der Wandstärke wohl aus verputztem Fachwerk.
Die Strassenfronten waren ursprünglich mit zwei grösseren Rechteckfenstern im Bereich der aussenliegenden Stuben und zwei Einzelfenstern im Bereich des Quergiebels ausgestattet, wie dies zuletzt noch an dem um 2002 abgebrochenen Haus Neubuchsstrasse 15/17 zu erkennen war (vgl. Bilddokumentation). Die Hauseingänge liegen an den beiden Stirnseiten und dienten jeweils zwei Parteien. Die schlichten Tür- und Fenstergewände sind aus Muschelkalk gehauen und trugen im Erdgeschoss ursprünglich Brettläden, im Obergeschoss Jalousieläden. Die Rückfronten sind mit Quergiebeln analog der Vorderfront gestaltet; an den Gebäudekanten liegen die halbgeschossig versetzten Toilettenfensterchen. Heute sind die einzelnen Häuser unterschiedlich stark verändert. Rückwärtig wurden teilweise Gartenausgänge geschaffen.
Das Innere der spiegelbildlichen Haushälften ist durch ein Treppenhaus in der rückwärtigen Gebäudeecke erschlossen und umfasste ursprünglich auf beiden jeweils Geschossen je eine kleinräumige Wohnung mit Stube, Küche und zwei Kammern. Die von beiden Parteien benutzten Aborte lagen auf dem Treppenpodest. Die Raumstruktur ist in den meisten Häusern weitgehend erhalten; in etlichen Häusern bestehen auch noch Teile des einfachen Innenausbaus mit Holztreppen und gestemmten Türen. Teilweise wurden die engen Räume nachträglich zusammengelegt oder durch breitere Durchgänge verbunden. Alle Häuser werden heute von jeweils einer Partei genutzt.
In den beiden Zwischenräumen stehen auf gleicher Flucht mit den benachbarten Häusern zwei Nebenbauten, die unter dem quer gerichteten First geteilt sind und hälftig zu den beiden benachbarten Häusern gehören. Der strassenzugewandte, grössere Teil ist bei allen vier Hausteilen als hölzerner Schopf erstellt; zum Garten hin schlossen wohl schon ursprünglich gemauerte Waschhäuser an. Die äussersten Einzelhäuser verfügen über keinen eigenen Schopf.
Die rückwärtig anschliessenden Pflanzgärten sind in ihrer Anlage noch ablesbar. Beim Doppelhaus 11/13 wurde der rückwärtige Bereich vor einigen Jahren als eigene Parzelle abgetrennt und mit einem neuen Einfamilienhaus bebaut.
Anmerkungen:[1] Staatsarchiv Aargau: ZwA 1936.0001/0200-0202; CA.0001/0009-0010, Brandkataster Gemeinde Buchs, 1805-1847, 1875-1938.
[2] Zur Firma Riggenbach & Zschokke vgl. INSA. Inventar der neueren Schweizer Architektur. 1850-1920, Bd. 1: Aarau, Altdorf, Appenzell, Baden, Zürich 1984, S. 102, 154f.; Martin Steinmann, Die Geschichte der «Riggenbach-Werkstätten» in Aarau, in: Aarauer Neujahrsblätter, Bd. 80 (2006), S. 13-20. Zu Olivier Zschokke und zur Firma Zschokke & Cie. vgl. auch [Catherine Courtiau et al.], Zschokke – ein Name – ein Ruf, Gollion 2006, S. 19-21.
[3] Staatsarchiv Aargau: ZwA 1936.0001/0200-0202; CA.0001/0009-0010, Brandkataster Gemeinde Buchs, 1805-1847, 1875-1938.
[4] Vgl. zu Arbeiter-Kleinhaussiedlungen allg. Nora Bruske, Wohnverhältnisse der Schweizer Arbeiterschicht im 19. Jahrhundert, in: Urs Baur et al., Kleinhaussiedlungen in der Stadt Zürich, Zürich [2016], S. 10-14; Martin Steinmann, Arbeiterdörfer. Zum Wohnungsbau für Arbeiter im späteren 19. Jahrhundert, in: Unsere Kunstdenkmäler, Bd, 33 (1982), H. 4, S. 463-474.
Literatur:- Markus Widmer-Dean / Raoul Richner, Dorf und Gemeinde Buchs, Buchs 2010, S. 199.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau: ZwA 1936.0001/0200-0202; CA.0001/0009-0010, Brandkataster Gemeinde Buchs, 1805-1847, 1875-1938.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=32424
 

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