INV-EGW908 Engestrasse 1, 18. Jh. (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-EGW908
Signatur Archivplan:EGW908
Titel:Engestrasse 1
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Egliswil
Adresse:Engestrasse 1
Versicherungs-Nr.:95
Parzellen-Nr.:508
Koordinate E:2656722
Koordinate N:1244604

Chronologie

Entstehungszeitraum:18th cent.
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Inschriften:"18 HH 66" (Türsturz Hauseingang)
Würdigung:Mächtiger Vielzweckbau unter Halbwalmdach, der an der Wegkreuzung im Oberdorf eine wichtige Eckstellung einnimmt und mit dem gegenüberliegenden Gehöft (Bauinventarobjekt EGW907) den Strassenraum einfasst. Das im 18. Jahrhundert gemäss einer lokal verbreiteten Bauweise aus Stein, jedoch mit hölzerner Südfassade errichtete Bauernhaus erhielt 1866 eine neue, gemauerte Stubenfront in spätklassizistischem Stil. Zur Strasse hin hat sich die bauzeitliche, gegenüber dem Scheunentrakt vorspringende Mauer mit barocken Fenstergewänden und Hauseingang in der Ecke erhalten. Die Scheune bewahrt drei bauzeitliche Tenntore, die Torflügel des südseitigen Dreschtenns mit Malereiresten. Im Wohnteil ist noch die grosszügige vierteilige Raumstruktur ablesbar, während das Sparrendach als solide, zimmermannstechnisch gekonnte Konstruktion beeindruckt.
Strassenseitiger Quergiebelanbau zur Scheune nicht im Schutzumfang enthalten.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die Bauweise mit nordseitig kräftig über die Scheunenfront vorspringendem Wohnteil [1] und unregelmässig gesetzten, kleinformatigen Fenstern mit wulstig profilierten Gesimsen deutet auf eine Entstehung des Vielzweckbaus noch im 18. Jh. hin. Im Brandkataster von 1829 wird er beschrieben als "An der Wohnung 2. Fassen [= Fassaden], & am Scheuerwerk ein Giebel von Stein, sonst hölzern" [2]. Damit folgte er einer in Egliswil in dieser Zeit verbreiteten Bautradition, wonach die Gebäude nur auf zwei oder drei Seiten von Mauerwerk umfasst werden, während die wettergeschützte Südfassade aus Holz besteht [3]. Die Bauherrschaft des grosszügig konzipierten Gebäudes, das durch seine solide Bauweise auffällt und wohl von Anfang an ein Ziegeldach trug, ist unter der lokalen Oberschicht zu suchen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit handelt es sich um die Familie Weber, der auch die im ersten verfügbaren Brandkataster von 1829 überlieferten Eigentümer angehörten. Damals teilten sich Rudolf Weber und Samuel Weber den Hof; beide hatten als Säckelmeister und Statthalter finanziell und politisch einträgliche Staatsfunktionen inne. Von 1833 bis 1840 war Rudolf Weber alleiniger Eigentümer, dann teilte er den Hof wiederum einige Jahre mit Samuel Urech, Bläsis. 1851 wechselte die ganze Liegenschaft an Daniel Häusermann, Weberdanielen, und wurde 1862 erneut aufgeteilt. Hans Ulrich Häusermann, der wie schon einer seiner Vorgänger das Amt des Säckelmeisters bekleidete, übernahm 1866 Teil A. Noch im selben Jahr sorgte er für eine zeitgemässe Erneuerung der Südfassade in Stein, was er mit der Inschrift "18 HH 66" am Türsturz festhalten liess. 1869 konnte er auch die andere Hälfte des Hofs übernehmen und blieb bis zur Weitergabe 1892 an seinen Sohn Jakob Häusermann alleiniger Eigentümer. Von diesem ging die Liegenschaft 1919 an den Enkel Wilhelm Häusermann-Weber, Jakobs.
Der Vielzweckbau war ursprünglich wohl nicht als Doppelwohnhaus konzipiert, der nachträglich unterteilte Keller, die als Stube eingerichtete Kammer neben der Küche und die zweite Herdstelle zeugen jedoch von der wiederholten eigentumsrechtlichen Trennung in zwei Einheiten. Nicht dokumentiert ist, ob der grosszügig befensterte strassenseitige Raum neben der Küche oder die südseitigen Stuben mit dem Klappladen zeitweise als Eigengewächswirtschaft dienten.
Beschreibung:Der auf leicht erhöhtem Terrain an der Ecke Ammerswilerstrasse/Engestrasse stehende Vielzweckbau zählt zu den stattlichsten Bauzeugen im Dorf. Er erstreckt sich längs der Ammerswilerstrasse und vereint unter dem wuchtigen, durchlaufenden Halbwalmdach einen breitgelagerten, gemauerten Wohnteil im Westen und eine in Mischbauweise errichtete Scheune mit der Nutzungsabfolge Tenn, Stall, Futtertenn im Osten. Die verputzten Bruchsteinfassaden des Wohnteils weisen nord- und westseitig eine ausserordentlich mächtige Mauerstärke auf. Nordseitig schliesst die Fassade des Wohnteils mit einer Fensterachse unmittelbar neben dem Tenn an und springt dann gegenüber der Scheunenfront kräftig vor. Der Absatz nimmt den abgewinkelten, strassenseitigen Hauseingang auf, der über zwei Stufen aus Muschelkalkplatten erreichbar ist und von einem kräftig profilierten Gesims bekrönt wird [4]. Neben dieser bautypologischen Besonderheit zeigt die Nordfassade drei Einzelfenster im Erdgeschoss und zwei axial darüber im Obergeschoss, die noch alle die bauzeitlichen Einfassungen bewahren. Mit Ausnahme des östlichen Erdgeschossfensters zur Küche, dessen Gewände aus Muschelkalk gehauen ist, bestehen die Einfassungen aus Holz, mit profilierten Rahmen und aufwändig geschnitzten, wulstigen Sohlbankgesimsen. An der wetterexponierten Westfassade sind sämtliche Gewände in Zement ersetzt. Beide Stirnfronten, sowohl die bis zum First massiv gemauerte des Wohnteils als auch die im Giebelfeld in Fachwerk aufgeführte des Ökonomietrakts, kragen nach Süden vor, wodurch sich unter dem tief herabgezogenen Dach hinter dem Haus ein wind- und wettergeschützter Arbeitsbereich ergibt. Die 1866 in spätklassizistischem Stil überformte und dabei in Stein ersetzte Stubenfront zeigt ein streng axial gegliedertes, regelmässig mit hochrechteckigen Einzelfenstern besetztes Fassadenbild. Die zeittypisch schlichten Hausteingewände sind mit Blockgesims und Falz gearbeitet, das Türgewände ist im Sturz mit der Inschrift "18 H[ans Ulrich] H[äusermann] 66" versehen.
Durch eine Ständerbohlenwand auf eichener Schwelle vom Wohnteil getrennt (Schwellenschloss auf der Nordseite sichtbar), schliesst dorfauswärts der Ökonomietrakt an. Dieser bewahrt noch die Tenntore aus der Bauzeit (Futtertenntor strassenseitig nicht erhalten) mit genagelten, in hölzernen Drehpfannen stehenden Flügeln und profilierten Jochbalken, die auf der Süd- und eigentlichen Hauptfassade geschweift sind. Südseitig bewahren die Torflügel des Dreschtenns als Rarität noch Reste einer Dekorationsmalerei, bestehend aus einem Bogen mit schwarzrotem Schachbrettmuster und der Hälfte einer zweifarbigen Rosette. Verzierungen dieser Art, die oft mit der Darstellung von Zimmermannswerkzeugen oder einer Inschrift kombiniert wurden, sind ein charakteristisches, inzwischen selten gewordenes Element an Tenntoren. Unter der mit einfachen Brettern verkleideten, vorkragenden Heubühne weist der Stall südseitig eine nachträglich aufgemauerte Front auf, die im oberen Bereich als luftdurchlässige Mauer locker mit Backsteinen gefügt ist. Strassenseitig wurden die alte Stallfront und das Futtertenntor im 20. Jh. einem Quergiebelanbau geopfert, der seither die Volumetrie des kompakten, mächtigen Baukörpers verunklärt.
Trotz einzelner jüngerer Einbauten ist im Wohnteil die ursprüngliche Binnenstruktur mit vier grossen Räumen noch gut ablesbar. Vom rückseitigen Hauseingang her gelangt man in einen zwischen Tenn und Stube eingeschobenen Stichgang, wogegen der strassenseitige Eingang direkt in die Küche führt. Über diese erfolgt auch die innere Erschliessung in den Keller und in die oberen Geschosse. Die südliche Hälfte des Wohnteils nehmen nach einem geläufigen Muster Stube und Nebenstube ein, die ehemals durch einen Klappladen miteinander verbunden werden konnten. Die alte Zwischenwand hat sich samt Klappladen und ehemaliger Zimmertür erhalten, ist aber nur noch in der Nebenstube sichtbar (in der Stube von einem jüngeren Täfer überdeckt). Die hintere Kammer, die mit der Küche die nördliche Hälfte des Wohnteils einnimmt, macht mit den vier bauzeitlichen Fensteröffnungen und den profilierten Deckenbalken nicht den Anschein eines Nebenraums. Sie bildet spätestens seit der 1. Hälfte des 20. Jh. eine weitere Stube, die mittels einer Heimatstil-Sitzkunst und unterstützend mit einem kleinen gusseisernen Anstellofen mit Jugendstilkacheln beheizt werden kann. Entsprechend sind in der Küche Feuerwand und Rauchfang ums Eck herumgeführt, mit einer zweiten Herdstelle an der Wand zur Nebenkammer. In der tiefen, stichbogigen Leibung des Küchenfensters, das als einziges der bauzeitlichen Fenster ein Hausteingewände aufweist, dürfte ehemals der Schüttstein eingemauert gewesen sein [5]. Die Räume zeigen fast durchgehend Sichtbalkendecken, in der Nebenstube und Nebenkammer zur Küche noch mit den zugehörigen Einschubbrettern und älteren Deckleisten. Mit Ausnahme der Wand zwischen Stube und Nebenstube, die aus der Zeit um 1800 oder aus dem frühen 19. Jh. stammen dürfte, sind aufgrund jüngerer Verkleidungen und Beläge (darunter Krallentäfer und Dielenböden aus der Zeit um 1900) keine historischen Oberflächen mehr sichtbar. Aus älterer Zeit stammen noch einzelne Türen aus dem 19. Jh. und zwei kunstvoll bemalte Fayencekacheln vermutlich aus der Werkstatt des Aarauer Ofenmalers Heinrich Egli mit der Jahrzahl "1839", welche von einem früheren, wohl von Rudolf Weber in Auftrag gegebenen Kachelofen in die Rückwand des modernen Kachelofens in der Stube eingemauert sind.
Vom Obergeschoss gelangt man über einen eingewandeten Treppenaufstieg in den offenen Dachraum. Die Dachkonstruktion, ein Sparrendach mit liegendem Stuhl und Aufschieblingen, das über dem Kehlbalken zusätzlich mit Dreiecksbindern und First verstärkt ist, beeindruckt durch ihre ausserordentlich solide Ausführung. So sind die Stuhljoche alle zwei bis drei Sparren sehr eng gesetzt und mit langen eingezapften Kopfhölzern, die zu Rauten angeordnet sind, ausgesteift. Das Dachwerk zeigt – im Gegensatz zu einigen Deckenbalken in der Kammer direkt über der Küche – keinerlei Rauchschwärzung.
Unter der Nebenstube und Nebenkammer erstreckt sich quer zum First ein Gewölbekeller, der durch eine im unteren Teil gemauerte, oben aus Haselruten geflochtene und mit Mörtel verstrichene Zwischenwand in zwei Hälften unterteilt ist. Die Räume sind über die Küche und einen rückseitigen Aussenzugang separat erschlossen.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Vgl. etwa das gleichfalls aus dem 18. Jh. stammende Bauernhaus an der Seonerstrasse 1 (Bauinventarobjekt EGW903), bevor der Wirtschaftstrakt nach hinten erweitert wurde.
[2] Die Angaben zu den Eigentümern und zum Gebäude sind den Brandkatastern entnommen: Staatsarchiv Aargau, AG 50.526 (Vers.Nr. 20A/B): Brandkataster Gemeinde Egliswil 1829-1849; CA.0001/0390 (Vers.Nr. 24A/B): Brandkataster Gemeinde Egliswil 1850-1874; CA.0001/0391 (Vers.Nr. 29): Brandkataster Gemeinde Egliswil 1875-1898; CA.0001/0392 (Vers.Nr. 95): Brandkataster Gemeinde Egliswil 1899-1938.
[3] Vgl. die Bauinventarobjekte EGW904, EGW910, EGW912 und EGW913. Die Bauweise findet sich aber auch am Vielzweckbau Winkelstrasse 11 (Vers.-Nr. 125)
[4] Bei dem auf gleicher Höhe angebrachten Gesims über dem jüngeren kleinen Fenster daneben handelt es sich nicht um die Bekrönung eines allfälligen zweiten Eingangs, sondern um ein hierher versetztes Sohlbankgesims zu einem bauzeitlichen Fenster, möglicherweise zum Vorgängerfenster im Erdgeschoss.
[5] Vgl. dazu das Humbelhaus (EGW901) und das Haus an der Seengerstrasse 12 (EGW906).
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, AG 50.526: Brandkataster Gemeinde Egliswil 1829-1849; CA.0001/0390-0392: Brandkataster Gemeinde Egliswil 1850-1938.
 

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