INV-GON903 Mühle Lenzmühleweg 81, 1820 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-GON903
Signatur Archivplan:GON903
Titel:Mühle Lenzmühleweg 81
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Gontenschwil
Ortsteil / Weiler / Flurname:Unterdorf
Adresse:Lenzmühleweg 81
Versicherungs-Nr.:81
Parzellen-Nr.:726
Koordinate E:2653252
Koordinate N:1236414
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2653252&y=1236414

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1820

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:GON904, GON905, GON907, GON928D
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Mühle

Dokumentation

Würdigung:Aus der Zeit um 1820 stammendes Mühlengebäude, welches sein äusseres Erscheinungsbild als spätklassizistisch-biedermeierlicher Mauerbau sowie wesentliche Teile der inneren Raumstruktur und Ausstattung bewahrt hat. Hervorzuheben ist ein grüner Kachelofen mit hellem Bilderfries aus der Werkstatt des Aarauer Hafners Jakob Fisch und des bekannten Ofenmalers Johann Heinrich Egli. Im Mühlentrakt ist eine Stützkonstruktion aus einer kräftigen gedrechselten Eichensäule und einem beschnitzten Sattelholz erhalten, ebenso ein alter Mahlgang. Das Mühlengebäude bildet mit der zugehörigen freistehenden Scheune, einem Nebengebäude mit Waschhaus und Schopf, einem zweiten Wohnhaus mit ehemaliger Bäckerei (Bauinventarobjekt GON904) und einem zeitweise ebenfalls zum Mühlenbetrieb gehörenden Bauernhaus (Bauinventarobjekt GON905) eine intakte ländlich-gewerbliche Baugruppe, der aufgrund ihrer hofartigen Anlage und baulichen Geschlossenheit eine überaus hohe ortsbauliche und lokalgeschichtliche Bedeutung zukommt.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die früheste urkundliche Erwähnung der Unteren Mühle findet sich 1324 in einem Urbar des Stiftes Beromünster [1]. Im 15. Jh. trat die alteingesessene Gontenschwiler Familie Peter – mit Zunamen Lorenz – als Eigentümerin in Erscheinung, woraus sich die Bezeichnung "Lenzmühle" ergab. Nach diversen Besitzerwechseln im 17. Jh. gelangte die Mühle 1681 in die Hände der aus Unterkulm stammenden Familie Hunziker und 1739 an die Seenger Familie Häfeli.
In der Ära von Heinrich Häfeli (1705-1771) und dessen Nachkommen erlebte die Lenzmühle einen erheblich wirtschaftlichen Aufschwung, was die Übernahme des Gasthofs "Löwen" im Unterdorf (Kantonales Denkmalschutzobjekt GON004) sowie des unmittelbar bei der Mühle liegenden "Joggeli-Huuses" (Bauinventarobjekt GON904) erlaubte. Unter Leitung von Verena Häfeli-Bolliger (1769-1849), der Witwe des früh verstorbenen Enkels Heinrich III (1764-1806), wurde das Mühlengebäude zwischen 1816 und 1820 als stattlicher spätklassizistisch-biedermeierlicher Mauerbau von Grund auf erneuert [2].
Im ersten verfügbaren Brandkataster von 1829 wird die Mühle als "Getreidemühle-Gebäude mit Wohnung, von Stein, mit 2 gewölbten Kellern und Ziegeldach nebst Wasser- und Mühlenwerk" bezeichnet [3]. Die älteste Konzessionsurkunde des Aargauischen Regierungsrats von 1852 führt die Gebrüder Wilhelm und Rudolf Häfeli als Eigentümer des gesamten Wasserwerks bei der Lenzmühle. Verzeichnet sind zwei Wasserräder, welche "zwei Mahlgänge, eine Rönnle, eine Griesstäube, einen Griesabräder und einen Kernenabräder" betrieben; ein zusätzliches Wasserrad hielt die Sägemühle in Gang. 1901 besass die Getreidemühle zwei oberschlächtige Wasserräder von 3,9 m Durchmesser und 0,6 m Schaufelbreite [4].
Die Lenzmühle wurde 1910 auf Albert Gautschi (1883-1954) übertragen, welcher aus dem Neulig von Gontenschwil stammte. Auf den 1. Januar 1911 erhielt dieser die Bewilligung, die beiden bestehenden Wasserräder durch eine Turbine zu ersetzen. 1956 gelangte die Liegenschaft in die Hände von Ernst Lüthi-Doubek (1909-1967), dessen Nachkommen den Mahlbetrieb bis 1992 und anschliessend noch eine Fruchtputzerei weiterführten. 2005 wurde der Gewerbebetrieb endgültig stillgelegt [5]. In jüngerer Zeit hat man das Hausinnere einer Renovation unterzogen, wobei Teile der historischen Ausstattung erhalten blieben.
Beschreibung:Das westlich des Dorfbachs gelegene, weitgehend noch intakte Mühlenareal betritt man über eine 1802 errichtete steinerne Bogenbrücke (Bauinventarobjekt GON907). Rechterhand steht ein behäbiges, ehemals strohgedecktes Bauernhaus (Bauinventarobjekt GON905), das als Landwirtschaftsbetrieb zur 1974 abgebrochenen Lenzsäge gehörte. Um den zentralen Mühlenhof gruppieren sich südlich das hier beschriebene Mühlengebäude (Bauinventarobjekt GON903), nördlich gegenüber die 1878 nach einem Brand neu erstellte Mühlenscheune (Vers.-Nr.83) und auf der Westseite ein 1874 erstelltes Waschhaus mit Schopf (Vers.-Nr.82), während nordöstlich das 1843 erbaute Wohnhaus mit Bäckerei steht (Bauinventarobjekt GON904). Unmittelbar beim Hauptgebäude steht ein 1791 datierter Brunnen (Bauinventar GON928D); nach Osten schliesst ein gepflegter, mit steinernen Stelen und Holzzaun umfriedeter Bauerngarten an.
Das quer zum Hangfuss in West-Ost-Ausrichtung erstellte Hauptgebäude setzt sich aus dem zweigeschossigen talseitigen Wohnteil und einem bergseitigen Mühlentrakt zusammen, an dessen westliche Stirnfront die gemauerte Radkammer unter Pultdach anschliesst. Gespiesen wurden die ursprünglich bestehenden zwei Wasserräder wie auch die 1911 eingebaute Turbine durch einen im Kirchdorf vom Dorfbach abgezweigten Kanal, der danach unterirdisch den Hofplatz quert und früher dem Wasserrad der inzwischen abgegangenen Sägerei zugeführt wurde.
Der behäbige zweigeschossige Mauerbau schliesst mit einem steilen, geraden Satteldach, das seine alte Eindeckung mit einfach verlegten Biberschwanzziegeln bewahrt hat. Den nach Osten gerichteten Wohnteil belichten stirnseitig wie auch traufseitig jeweils vier Achsen rechteckiger Fenster mit gefalzten Gewänden aus Muschelkalk. Zwei Okuli und eine Lünette im Giebelfeld geben dem Haus sein klassizistisch-biedermeierliches Gepräge. Die hofseitige Trauffront des Gebäudes akzentuiert ein origineller hölzerner Laubenvorbau mit Quergiebel auf schlanken gedrechselten Eichensäulen. Dieser beschirmt einen Doppeleingang zur Wohnung und zum Mühleraum, der über eine zweiläufige Treppe aus Muschelkalk erreichbar ist.
Der rechte Eingang zum Mühlenraum zeigt noch die bauzeitliche zweiflüglige Brettertür mit aufgedoppeltem Rahmenwerk, rautenförmigen Füllungen und Empire-Beschlägen, während das früher gleichartige Türblatt zur Wohnung kürzlich erneuert worden ist. Auf der Innenseite der Haustür waren früher Jahreszahlen und Marken der einstigen Müller Häfeli und Gautschi eingebrannt.
Der inneren Erschliessung des Wohnteils, unter dem sich zwei Gewölbekeller erstrecken, dient ein breiter, dem Mühlentrakt entlanglaufender Gang mit originalem Boden aus Sandsteinplatten. Der Hausgrundriss zeigt eine gängige Vierteilung mit Stube und geräumiger Nebenstube nach Norden zur Hofseite hin sowie Küche und zwei kleinen Kammern auf der hofabgewandten Südseite. Im Hausgang führt unmittelbar neben der Küche eine Holztreppe mit dekorativ ausgesägten Brettbalustern hinauf ins Obergeschoss. Zwischen Küche und Stube besteht keine direkte Verbindung; an der Stelle einer Binnnentür befindet sich ein Buffet mit Durchreiche. Die neben der Küche gelegenen kleineren Kammern besassen früher einen gemeinsamen, von der Küche aus beheizbaren Ofen. Ein langgezogener Herd aus Sandsteinplatten und ein offener Rauchfang (Chemihurd) wurden bei einem Küchenumbau entfernt.
Der Wohnteil bewahrt noch wesentliche Teile der historischen Ausstattung, insbesondere Sichtbalkendecken mit eingeschobenen Brettern, Brettertäfer mit Felderteilung mittels profilierter Friesbretter sowie originale Zimmertüren mit den zugehörigen Beschlägen. Die Stube im Parterre ziert ein vom Aarauer Hafner Jakob Fisch aufgesetzter grüner Kachelofen mit Sitzkunst, dessen weissgrundige Frieskacheln durch den bekannten Ofenmaler Johann Heinrich Egli mit Landschaftsmedaillons und Girlanden verziert sind. Die Signatur auf einer Kachel lautet: "Joh. Jakob Fisch Hafner in Arau. 1820. Egli Mahler". Ein zweiter Kachelofen dieser Art soll früher in der Stube der oberen Wohnung gestanden haben. Zur originalen Ausstattung gehört auch ein hübsch beschnitztes "Zythüsli" mit intarsiertem Mühlrad (das Uhrwerk fehlt).
Der westlich an den Wohnteil anschliessende Mühlentrakt ist in seiner axialen Fassadengliederung gestalterisch an den Wohnteil angepasst. Der ursprünglich zweigeschossige, heute mit einem Zwischenboden versehene Mühlenraum bewahrt die alte Sichtbalkendecke, die von einem Unterzug mit beschnitztem Sattelholz und einer kräftigen gedrechselten Eichensäule mit fein profilierten Schaftringen gestützt wird. Von der Mühleneinrichtung sind Teile des eichenen Mahlstuhls samt einem Mahlgang erhalten (Inneres gemäss Kurzinventar von 1992).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Zur Geschichte der Lenzmühle vgl. Bolliger 2007/08, S. 150-189; Bolliger/Widmer-Dean 2012, S. 287-288; Müller 1973/74, S. 19-22.
[2] Bolliger 2007/08, S. 167.
[3] Staatsarchiv Aargau, BA.05.0070: Brandkataster Gontenschwil 1829-1850; Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0238-0241: Brandkataster Gontenschwil 1850-1938.
[4] Müller 1973/74, S. 19-22.
[5] Bolliger 2007/08, S. 185.
Literatur:- Rolf Bolliger, Die Lenzmühle in Gontenschwil, in: Die Mühlen im Wynental und seiner Umgebung, Jahresschrift der Historischen Vereinigung Wynental 2007/2008.
- Rolf Bolliger Markus Widmer-Dean, Ortsgeschichte Gontenschwil, Gontenschwil 2012.
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 50.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, BA.05.0070: Brandkataster Gontenschwil 1829-1850; Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0238-0241: Brandkataster Gontenschwil 1850-1938.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=35520
 

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