INV-HOL903 Wohnteil Bergstrasse 2, 1808 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-HOL903
Signatur Archivplan:HOL903
Titel:Wohnteil Bergstrasse 2
Bezirk:Kulm
Gemeinde:Holziken
Ortsteil / Weiler / Flurname:Bifang
Adresse:Bergstrasse 2
Versicherungs-Nr.:34
Parzellen-Nr.:151
Koordinate E:2645020
Koordinate N:1241364

Chronologie

Entstehungszeitraum:1808
Grundlage Datierung:Inschrift (Türsturz)

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Bäuerlicher Vielzweckbau

Dokumentation

Inschriften:"SAML 1808 LÜTI" (Sturz Südwesteingang), "18 SAML LÜTI 08" (Sturz Nordosteingang)
Würdigung:Ausserordentlich grosszügig konzipierter, in Ständerbauweise errichteter Wohnteil eines ehemals strohgedeckten Vielzweckbaus von 1808, dessen Scheunentrakt bei einem Brand 1974 weitgehend verloren ging. Die mit barocken Zierelementen reich ausgestalteten und fast durchgehend von Lauben umgebenen hölzernen Fassaden werden von zwei stichbogigen Hauseingängen akzentuiert, die von üppig beschnitzten Kranzgesimsen mit Inschriften bekrönt werden. Eine konstruktionsgeschichtliche Rarität stellt das aus kräftigen Dreiecksbindern gebildete Dachwerk dar, das den Übergang des Strohdachhauses zu jüngeren ziegelgedeckten Hausformen markiert. Der aus Kalkbruchsteinen gemauerte Gebäudesockel birgt einen grossen Gewölbekeller und einen aussergewöhnlich langen überwölbten Gang. Als Vertreter einer üppigen, spätbarock geprägten Holzbauweise kommt dem stattlichen Gebäude eine erhebliche kunsthandwerkliche und kulturhistorische Bedeutung zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Gemäss Inschrift am Türsturz wurde das Bauernhaus 1808 für Samuel Lüthi, einem Vorfahren der heutigen Eigentümer, errichtet. Von ihm ging der Hof 1837 an den gleichnamigen Sohn [1], 1850 an Rudolf Lüthi, alt Gemeinderaths, und 1896 an Hans Lüthy, Müller, über, der im Jahr darauf durch eine bauliche Verbesserung für einen Wertanstieg von 6'500 auf 7'500 Franken sorgte. Die Eindeckung bestand noch bis 1902 aus Stroh mit Ziegelfirst [2]. Nach einem Brand 1974 wurde der alte Ökonomietrakt grösstenteils ersetzt und im Anschluss 1978 die Küche unter Einbau neuer Sanitärräume umgebaut. In diesem Zusammenhang ersetzte man die nordseitige Aussenwand der Küche und die zugehörige Binnenwand zum Korridor durch Mauerwerk [3].
Beschreibung:Das am nördlichen Hangfuss des Oberlegi gelegene Bauernhaus bildet zusammen mit der gegenüberliegenden Hofanlage Bändlistrasse 2 den westlichen Abschluss des Dorfes; dem Bachlauf und der Bändlistrasse entlang folgen weiter südlich nur noch wenige, verstreute Häuser. Der mächtige Baukörper steht als langer Riegel quer zum Gefälle, wobei der stattliche Wohnteil die talseitige Hälfte einnimmt. Den Anblick des mächtigen Vielzweckgebäudes prägt von der Bändlistrasse her der U-förmige, auf kräftigen Eichenständern mit geschweiften Bügen abgestützte Laubengang, der auch um die Stirnseite des Wohntrakts herumgeführt und hier mit Ausnahme von vier Öffnungen mit Jalousieläden ganz mit Brettern verschalt ist. Unter der Laube fliesst – mit einem Bretterboden abgedeckt – unmittelbar vor dem in Kalkbruchsteinen gefügten Kellersockel ein von der Uerke abgezweigter Bachlauf durch. Eine Nutzung der Wasserkraft ist für die vorliegende Liegenschaft nicht überliefert. Seit Jahrhunderten war jedoch rechtlich festgelegt, dass die Holziker ein Drittel des Wassers, das die Uerke führte, zum Wässern der Wiesen abzweigen durften, während die anderen zwei Drittel den Köllikern zustanden. Das weitverzweigte Netz mit Wassergräben bestand bis weit ins 20. Jh. hinein [4].
Der über den Kellermauern als Ständerbohlenbau errichtete Wohnteil hat sich in der bauzeitlichen Grundkonstruktion und Fassadengestaltung weitgehend erhalten. Das mit liegenden Bohlen ausgefachte Ständerwerk ist in einen Eichenschwellenkranz eingezäpft und mittels beschnitzter Büge mit den weit auskragenden Ankerbalken der Dachkonstruktion verstrebt. Kräftig profilierte, über die ganze Länge des Wohnteils durchlaufende Brustriegel bilden am Erd- und Obergeschoss jeweils das Gesims zu den grösstenteils noch in den ursprünglichen Abmessungen erhaltenen Fensteröffnungen. Als Rarität und Ausdruck einer besonders stattlichen Ausgestaltung werden letztere am Erdgeschoss auch von einem profilierten Sturzriegel gefasst. Nordostseitig, wo sich im Erdgeschoss Küche und Hinterkammer befinden, sind die Fenster einzeln oder paarweise angeordnet (Küchenfenster verändert), während die nach Südwesten ausgerichtete Stubenfront eine fünf- und eine dreiteilige Fensterreihe (Stube und Nebenstube) zeigt. Auf dieser, als eigentliche Hauptfassade ausgebildeten Seite ist der Brustriegel noch mächtiger und reicher profiliert.
Prächtig nehmen sich die für die Zeitstellung und die Region typischen Hauseingänge aus, die wie die Fensterpfosten ganz in Eichenholz geschaffen sind (Türblätter mit verglaster Füllung in Eiche erneuert). In den stichbogigen Türsturz ist in aufwendiger Weise das aus vier kleinen, radial angeordneten Fensteröffnungen bestehende Oblicht integriert. Die gleichfalls stichbogenförmig geschwungene Bekrönung ist ausserordentlich reich ausgestaltet. Sie gliedert sich in ein wulstiges Kranzgesims mit begleitender kordelartig geschnitzter Verzierung und eine in Kerbschnitt ausgeführte Kartusche mit der Inschrift "SAML 1808 LÜTI" (Südwesteingang) bzw. "18 SAML LÜTI 08" (Nordosteingang) beidseits eines Glöckchens als Hauszeichen, gerahmt von kleinen Blumen.
Der Erschliessung des überaus grosszügig dimensionierten Wohnteils dient ein durchlaufender Gang mit Innentreppe ins Obergeschoss. Dieser Gang grenzt hier nicht wie üblich ans Tenn, sondern erschliesst zur Ökonomie hin eine weitere Raumschicht mit zwei zusätzlichen Kammern. Der talseitige Wohnbereich zeigt die verbreitete Vierteilung in Stube und Nebenstube auf der Südwestseite sowie Küche und Kammer auf der Nordostseite. Von der ehemals sehr grossen Küche wurden nachträglich ein Badezimmer und ein WC abgetrennt. Der Obergaden mit den Schlafkammern weist eine ähnliche Raumgliederung auf. Hier finden sich noch einzelne Fensterflügel aus dem 19. Jh. Ansonsten wurde das Innere weitgehend modernisiert und der Kachelofen in der zweiten Hälfte des 20. Jh. ersetzt. Böden, Decken und Wandoberflächen sind teilweise verkleidet. Das Obergeschoss weist noch eine alte Brettertür aus der Bauzeit des Hauses auf.
Von besonderem bauhistorischem Wert ist die Dachkonstruktion, die sich über den Wohnteil des Bauernhauses spannt [5]. Als später Vertreter eines Strohdachhauses zeigt dieses eine originelle Variante des Traggerüsts in Anlehnung an den bei Ziegeldächern üblichen Dachstuhl. Anstelle von Hochstüden tragen Dreiecksbinder die Firstpfette, auf der die Rafen paarweise hängen. Wie beim liegenden Dachstuhl, weisen diese drei sparrenartig miteinander verbundenen Binderpaare einen mit Kopfstreben gestützten Spannriegel auf, der hier jedoch – wieder mit einem Kopfholz abgestützt – das Auflager für die obere der beiden Mittelpfetten und die herabgeführten Rafen bildet. Die untere Mittelpfette ist durch eine kniestockartige Konstruktion mit den Bindern verstrebt. Weit oben sind zusätzlich Kehlbalken angebracht. Analog zu den vertikalen Steigbäumen sind die Binderbalken durchgehend mit Sprossen versehen. Zu erkennen ist am First auch noch die frühere Ansatzstelle des Walms, ehe die Dachfläche zu einem Satteldach mit Giebel verlängert wurde.
Stelle, wo vor der Umwandlung zum Satteldach der Walm ansetzte. Die Ziegel tragen die eingedrückte Herkunftsbezeichnung mit Herstellungsjahr "Backsteinfabrik Zürich 1902".
Unter dem Wohnteil erstrecken sich quer zum First ein grosser, von aussen zugänglicher Gewölbekeller sowie ein aussergwöhnlich langer, überwölbter Gang, der vermutlich zu einem Innenaufgang gehört. Das Gewölbe des Kellerraums wird in der Mitte durch eine wohl um 1900 nachträglich ergänzte Stützenreihe mit verbindenden Segmentbögen unterfangen.
Anmerkungen:[1] Möglicheweise handelt es sich hierbei um denjenigen Samuel Lüthi, Bergsämis, der 1844/45 an den Freischarenzügen gegen die Luzerner Konservativen teilnahm, vgl. Holziker Chronik 1989, S. 23. Ein Gemeinderat mit dem Namen Samuel Lüthy erscheint in den Protkollen von 1830-1847.
[2] Gemeindearchiv Holziken, Brandkataster von 1829. - Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0242-0244: Brandkataster Gemeinde Holziken 1850-1938.
[3] Baugesuchsarchiv Gemeinde Holziken.
[4] Auch Hans Lüthy, von Beruf Müller, nutzte die Wasserkraft nicht. Eine Mühle gab es in Holziken nicht, vgl. Holziker Chronik 1989, S. 9. Das benachbarte Nebengebäude Vers.-Nr. 33, das mit der Mauer ebenfalls längs zum Bach gestellt ist, ist im Brandkataster von 1899 als Wagenschopf und kurze Zeit später als Schreinerwerkstatt deklariert.
[5] Rafen teilweise erneuert. Wenige verkohlte Hölzer zeugen auch hier noch vom Brand, dem 1974 die Ökonomie teilweise zum Opfer fiel. Seither sind Wohn- und Ökonomieteil bis ins Dach hinauf durch eine Kalksandsteinmauer voneinander getrennt.
Literatur:- Holziker Chronik, hg. v. Einwohnergemeinde Holziken, Schöftland 1989, S. 9, 23.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0242-0244: Brandkataster Gemeinde Holziken 1850-1938.
- Gemeindearchiv Holziken, Brandkataster von 1829.
- Baugesuchsarchiv Gemeinde Holziken.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=37248
 

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