INV-JON906 Obermühle, 1665-1666 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-JON906
Signatur Archivplan:JON906
Titel:Obermühle
Bezirk:Bremgarten
Gemeinde:Jonen
Adresse:Obschlagenstrasse 9
Versicherungs-Nr.:104
Parzellen-Nr.:450
Koordinate E:2672391
Koordinate N:1238914
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2672391&y=1238914

Chronologie

Entstehungszeitraum:1665 - 1666
Grundlage Datierung:Inschrift (Eingang Mühlenkeller)

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:JON908, JON909, JON910
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Mühle

Dokumentation

Inschriften:"1665" (Eingang Mühle); "1666" (Holzsäule Mühlenkeller); "1773" (Fassade, Kellereingang sowie Ofenkachel; "1830" (Holzsäule Keller)
Würdigung:Die 1665 erstellte und 1773 erweiterte sowie in die heutige Form gebrachte Obermühle gehört zu den wenigen Gebäuden im Dorf, die den Brand von 1811 überstanden haben. Der in Mischbauweise aus Stein, Fachwerk und Holz erstellte Baukörper beherrscht mit seiner breitbehäbigen, in regionaltypischer Bauweise mit Klebdächern besetzten Südfassade den Löwenplatz. Im Zusammenspiel mit der heute zu Wohnzwecken umgebauten Mühlenscheune und dem ehemaligen Gasthof zum Löwen (Bauinventarobjekt JON908) bildet das Gebäude ein bedeutendes ländlich-gewerbliches Ensemble, welches vor allem auch das Wirken der einflussreichen Familiendynastie der Flüglistaller in Jonen bezeugt. Selbst nach dem umfassenden Umbau von 1986/87 hat die Obermühle ihr authentisches Erscheinungsbild und wesentliche Teile der historischen Bausubstanz bewahrt.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Die Obermühle findet 1312 als "Müli in der Buntä" eine erstmalige urkundliche Erwähnung. [1]. Ab 1663 ist Beat Staubli als Müller in Jonen überliefert. Unter ihm dürfte der älteste Teil des heutigen Mühlengebäudes, welches am rundbogigen Eingangsportal und an einem Holzpfeiler im ehemaligen Mühlenkeller mit 1665 bzw. 1666 datiert ist, entstanden sein. Gemäss einem Güterbeschrieb von1668 bestand die Liegenschaft zu jener Zeit aus "Haus, Speicher, Riby, Stampfi und Gerechtigkeit samt 14 ½ Mannswerk Mattland und 14 ½ Jucharten Ackerland im Wert von 5500 Gulden" [2]. Im Jahr 1714 verkaufte Balthasar Staubli die Obermühle an Bernhard Keusch.
Von der Familie Keusch gelangte die Mühle um 1750 an den in die Familie eingeheirateten Josef Füglistaller (1715-94), der das Müllerhandwerk in Unterlunkhofen erlernt hatte und den Betrieb in der Folge gemeinsam mit seinem Bruder Ulrich führte [3]. Die Gebrüder Füglistaller kauften auch die Nachbarliegenschaft und errichteten darauf das Gebäude des nachmaligen Gasthofs zum Sternen (Bauinventarobjekt JON908). 1761 erwarb Obermüller Josef Füglistaller das bachwärts gelegene Haus der ausgewanderten Familie Deschler, um es niederzureissen, die Obermühle zu vergrössern und dem Bach entlang eine grosse Doppelscheune zu errichten (Vers.-Nr. 103). Die bauliche Erweiterung des Mühlengebäudes fand schliesslich 1773 ihren Abschluss, was durch Jahreszahlen samt Familienwappen an einem eichenen Laubenbug, am Kellereingang und auf einer alten Ofenkachel mehrfach belegt ist.
Unter Ulrich Füglistallers Enkel Bernhard (1784-1850) erfolgte 1830 eine Modernisierung der Mühle, bezeugt durch eine entsprechende Jahreszahl im Keller des nordseitig angefügten Gebäudeflügels.1857 wurden die Mahlgänge und Wasserräder erneuert und anstelle der Hanfreibe eine Dreschmaschine eingerichtet. 1882 erhielt der damalige Obermüller Karl Füglistaller die Erlaubnis, das eine Wasserrad durch eine Turbine zu ersetzen. Die Verhältnisse zu jener Zeit sind auf einem Wasserwerksplan dargestellt (vgl. Bilddokumentation) [4].
In der Folge ging die wirtschaftliche Bedeutung der Dorfmühlen sukzessive zurück. Das östlich an den Hauptbaukörper angefügte Dreschmaschinengebäude wurde 1913 abgebrochen, und nach einem zwischenzeitlichen Aufschwung während des Zweiten Weltkriegs wurde der Mühlenbetrieb 1965 gänzlich eingestellt.
1986/87 fand eine durchgreifende Innen- und Aussenrenovation statt, bei der das zwischenzeitlich verputzte Fachwerk und Ständerwerk freigelegt, ein jüngerer rückwärtiger Flachdachanbau wieder abgebrochen und das Dachgeschoss zu Wohnzwecken ausgebaut wurde.
Beschreibung:Die Obermühle blickt mit ihrer breitgelagerten Schaugiebelfront südwärts auf den Löwenplatz. Dieser wird auf der Westseite von der alten Mühlenscheune (Vers.-Nr.103; heute zu Mehrfamilienhaus umgebaut) und ostseitig vom ehemaligen Gasthof zum Löwen (Vers.-Nr. 102; Bauinventarobjekt JON908) begrenzt.
Seine bestehende Form und Abmessung dürfte das behäbige Gebäude anlässlich eines tiefgreifenden Umbaus von 1773 erhalten haben, bei dem Teile eines vermutlich kleineren Vorgängerbaus von 1665 einbezogen wurden (vgl. Baugeschichte). Die ältesten Bauteile von 1665 sind im südöstlichen Bereich mit dem massiv gemauerten Sockelgeschoss, dem ebenerdigen Rundbogenportal und dem kräftigen Fachwerk mit altem Zwillingsfenster im Obergeschoss zu finden (vgl. historische Fotoaufnahme aus dem frühen 20. Jh.; das Fachwerk mit Zwillingsfenster wurde anlässlich der letzten Renovation von 1986/87 ersetzt bzw. überdeckt). Belegt ist diese frühe Bauphase durch zwei Jahrzahlinschriften am Scheitel des gefasten Rundbogenportals sowie an einer kräftigen hölzernen Deckenbalkenstütze im Mühlenkeller.
Aus der 1773 durch die Gebrüder Füglistaller vorgenommenen Erweiterung ging der heutige, überaus stattliche Baukörper hervor. Über dem massiv gemauerten Kellersockel ist dieser als Mischkonstruktion aus Fachwerk- und Ständerbauteilen mit Flecklingfüllungen ausgeführt. Der prominent in Erscheinung tretende Steilgiebel mit Krüppelwalm zeigt einen symmetrisch gestalteten Sichtriegel mit regelmässig verteilten Zwillingsfenstern und auf drei Etagen angeordneten Klebdächern (Klebdächer teils rekonstruiert). Der äusseren Gliederung entspricht der konstruktive Aufbau des mächtigen Sparrendachs, welches sich auf drei übereinander angeordnete liegende Stuhljoche stützt.
Im Vergleich zu den barock geprägten Giebelfeldern sind die beiden Wohngeschosse stirnseitig mit Einzelfenstern spätklassizistischer Prägung besetzt, deren Form und Anordnung möglicherweise mit der jüngeren Umbauphase von 1830 in Verbindung zu bringen ist. Auffällig erscheint hier der stockwerkweise Wechsel von Fachwerk- und Holzfüllungen (Flecklingen), welcher interessanterweise an der vorderen südlichen und rückwertigen nördlichen Stirnseite unterschiedlich ausfällt.
Anders als die Giebelfassaden ist die westliche Traufseite über dem hohen Mauersockel vollumfänglich in Ständerbauweise ausgeführt. Eine zweigeschossige Laubenfront mit integriertem Abortturm in der Nordwestecke bildet hier eine wettergeschützte Erschliessungszone mit zentral gelegenem Hauseingang. Mit den sorgfältig beschnitzten Stützen und den gekrümmten Eichenbügen weist die Laubenkonstruktion noch wesentliche originale Bestandteile auf, lediglich die Brüstung wurde bei der Renovation von 1986/87 erneuert. An einem der gekrümmten Laubenbüge ist das Familienwappen der Füglistaller zusammen mit den Initialen "IOF" (für Joseph Füglistaller) und der Jahreszahl 1773 eingeschnitzt. Die gleiche Jahreszahl fand sich am hölzernen Kellertürsturz als Flachrelief zu Seiten eines Christusmonogramms (vgl. Fotodokumentation). Ein dritter Beleg der Umbautätigkeit der Familie Füglistaller ist als Inschrift auf einer kunstvoll gestalteten Ofenkachel überliefert: "Pfleger Joseph und Ullrich Flügistaler Ober Müller 1773".
In erheblich verändertem Zustand tritt die östliche Trauffassade in Erscheinung, wurde sie doch in jüngerer Zeit ummauert und anlässlich des letzten Umbaus teils mit neuen Fensteröffnungen versehen. Der nördlich angefügte Annexbau mit Giebeldach ist der Mühlenerweiterung von 1830 zuzuschreiben. Eine entsprechende Jahreszahl ist in eine Stütze der Balkendecke eingekerbt. Anstelle der Radkammer war in der Zeit der Elektrifizierung der Mühle längsseitig ein Transformatorenraum eingerichtet worden.
Hausinneres anlässlich des Umbaus von 1986/87 stark modernisiert.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), Einzelelement, Erhaltungsziel A.
- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
Anmerkungen:[1] Zur Geschichte der Obermühle vgl. Bürgisser 1991, S. 66-70, 98, 183-185, 194-195.
[2] Bürgisser 1991, S. 195.
[3] Josef Füglistaller war in erster Ehe mit der Tochter des Mühlenbesitzers, Anna Keusch (gest. 1765) verheiratet. Der zweiten Ehe mit Barabara Seiler entstammten die beiden Söhne Bernhard und Leonz. Bei letzterem handelt es sich um den bedeutenden Theologen und Germanisten Leonz Füglistaller (1768-1840), nachmaliger Stiftsprobst in Luzern (Bürgisser 1991, S.184). Ulrichs Ehefrau war ebenfalls eine Keusch-Tochter.
[4] Staatsarchiv Aargau, DB.W01/0033/09(W.W.Nr. 215): Verificationsverbal mit Wasserwerkplan von 1901.
Literatur:- Walter Bürgisser, Jonen. Aus der Vergangenheit von Dorf und Pfarrei, Jonen 1991 (2. erweiterte Auflage).
- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, Bern 2005, S. 114.
- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 1: Freiamt und Grafschaft Baden, Basel 1996 (Abb. 358, 460).
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, DB.W01/0033/09(W.W.Nr. 215): Verificationsverbal mit Wasserwerkplan von 1901.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, Jonen, III-11/1.
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=37656
 

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