INV-JON908 Gasthaus zum Löwen, 1750 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-JON908
Signatur Archivplan:JON908
Titel:Gasthaus zum Löwen
Bezirk:Bremgarten
Gemeinde:Jonen
Ortsteil / Weiler / Flurname:Winkel
Adresse:Obschlagenstrasse 2
Versicherungs-Nr.:102
Parzellen-Nr.:457
Koordinate E:2672406
Koordinate N:1238878
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2672406&y=1238878

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1750
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:JON906, JON909, JON910
Nutzung (Stufe 1):Gewerbe-, Industrie- und Dienstleistungsbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Gasthaus, Gasthof

Dokumentation

Würdigung:Baugeschichtlich interessantes Wohnhaus, das ehemals zum Landwirtschaftsbetrieb der Obermühle (Bauinventarobjekt JON906) gehörte und zeitweise als Gasthaus genutzt wurde. Das über einem nur wenig ins Erdreich gebauten Keller zweigeschossig aufgeführte, ungewöhnlich langgezogene Gebäude besteht aus zwei Hausteilen: einem älteren, um 1750 in Fachwerk erstellten Kernbau und einer 1845 nach Norden in massivem Mauerwerk ergänzten Verlängerung. Beide Bauetappen sind mit der axialen Fassadengestaltung spätklassizistisch geprägt und unter einem geknickten Sparrendach mit stirnseitigen Fusswalmen geborgen. Im Innern hat sich über dem älteren Hausteil das in sorgfältigster Zimmermannskunst errichtete originale Dachwerk erhalten. Das äusserlich weitgehend intakte Gebäude bildet mit der parallel dazu stehenden Trotte, dem Speicher sowie der Obermühle (Bauinventarobjekte JON909, JON910 und JON906) eine wertvolle historische Baugruppe im Ortsteil Winkel.
Bau- und Nutzungsgeschichte:1750 kauften Josef Füglistaller (1715-94) und sein Bruder Ulrich, die Eigentümer der Oberen Mühle, das Nachbarhaus und liessen es kurz darauf durch einen Neubau, den südlichen Hausteil des späteren „Löwen“, ersetzen. Dieses Gebäude ist im Brandkataster von 1812 als „zweystökiges Hauss von Stein und Holtz mit Ziegel gedekt“ verzeichnet. Gemäss dem nach dem Dorfbrand von 1811 angefertigten Dorfplan besass es einen schmalen nordseitigen Anbau mit Strohdach (siehe Bilddokumentation). Der eine Sohn von Josef Füglistaller, Bernhard (1766-1847), übernahm den zur Mühle gehörenden Landwirtschaftsbetrieb und amtete wie zuvor schon sein Vater als Pfleger der Kapelle Jonental und als Gemeindeseckelmeister. 1807-24 wirkte er als Gemeindeammann. In seinem Haus betrieb er spätestens seit 1799 eine Eigengewächswirtschaft [1].
1845 erfuhr das Haus eine wesentliche Verlängerung gegen Nordosten, bei der ein strohgedeckter Anbau und möglicherweise ein Teil der nördlichen Fassade des in Fachwerkbauweise erstellten Kernbaus abgebrochen wurde [2]. Die in den Kellerraum ragenden Maueransätze zeigen noch heute den früheren Verlauf der Umfassungsmauer an (siehe Bilddokumentation). Der neue Hausteil wurde in den Aussenmauern vom Keller bis zum First als Steinbau realisiert – was auf eine gute Finanzlage der Eigentümer schliessen lässt, vielleicht auch auf eine angestrebte verbesserte Feuersicherheit nach dem Dorfbrand von 1811. Im Dachbereich ist die Grenze zwischen beiden Bauetappen aufgrund der Ansatzstelle im Gebälk ablesbar. Die klassizistische Befensterung am älteren, südlichen Wohnteil geht vermutlich auf eine gleichzeitig erfolgte Überprägung zurück. Mit dem Umbau dürfte auch das Treppenhaus auf der Westseite hinzugekommen sein (im Brandkataster vermerkt seit 1876) [3], wenngleich es sein heutiges Erscheinungsbild 1964 erhielt (Fenster grösstenteils erneuert, Treppe ersetzt, Hauseingang verschoben, vgl. Bilddokumentation). 1860 erhielt der gleichnamige Nachfolger Bernhard Füglistaller die Erlaubnis, die Eigengewächswirtschaft in eine Pinte umzuwandeln. Unter Josef Füglistaller wurde sie ab 1882 als Speisewirtschaft weitergeführt [4]. Bis 1942 befand sich der Bauernhof samt Wirtschaft im Besitz der Familie [5]. Die Bezeichnung "zum Löwen" wurde erst unter dem nachfolgenden Eigentümer Konstantin Schönbächler gebräuchlich (gemäss Kurzinventar 1998).
Im Innern wurde das Haus im Laufe des 20. Jh. und in jüngerer Zeit stark verändert, teilweise begründet durch die Umnutzung nach der Einstellung des Gastwirtschaftsbetriebs.
Beschreibung:Das eingangs der Obschlagenstrasse stehende Wohn- und frühere Gasthaus zum Löwen bildet die Ostflanke des platzartig erweiterten Strassenraums, um den die Gebäude der Obermühle (Bauinventarobjekt JON906) sowie des früheren Landwirtschaftsbetriebs mit der Gastwirtschaft gehöftartig angeordnet sind. Nach Norden wird der Platz von der prächtigen Vorderfront der Obermühle abgeschlossen, nach Westen von der zugehörigen ehemaligen Doppelscheune (seit den 1990er Jahren unter grossem Substanzverlust in ein Mehrfamilienhaus umgewandelt). Weiter östlich, hinter dem „Löwen“, steht in gleicher Firstrichtung die einstige Dorftrotte (Bauinventarobjekt JON909), die ebenfalls noch aus dem 18. Jh. datiert. An diese schliesst nordwärts ein steinerner Speicher, der früher zur Obermühle gehörte (Bauinventarobjekt JON910).
Der längliche Baukörper des ehemaligen Gasthauses erhebt sich zweigeschossig über einem hohen, allseitig mit querliegenden Rechteckfensterchen ausgestatteten Kellersockel, der aufgrund des leichten Gefälles südseitig ebenerdig zutage tritt und nach Westen ein einzelnes gewöhnliches Rechteckfenster mit schmiedeeisernem Gitter besitzt. Die verputzten Fassaden sind am älteren, südlichen Hausteil als Fachwerk aufgeführt, am jüngeren nördlichen mitsamt dem Giebel massiv aus Stein gemauert. Die nach Süden und Norden gerichteten Stirnseiten sind mit hochrechteckigen Lichtern in jeweils vier regelmässig angeordneten Fensterachsen grosszügig befenstert. Zwei weitere axial gesetzte Rechteckfenster und darüber eine Lünette sind in die Giebelfelder eingelassen. Die langgestreckten Fassaden gegen Westen und Osten sind fünfachsig ausgebildet, wobei ein übergiebelter Treppenhausrisalit zur Strasse hin und ein durchgehender Quergang die Mitte besetzen. Einzig die der Trotte zugewandte rückwärtige Fassade zeigt mit einem zusätzlichen Fenster sowie einer in jüngerer Zeit zu einem zweiten Terrassenausgang erweiterten querliegenden Öffnung Unregelmässigkeiten. Die Einfassungen bestehen bei allen Öffnungen aus Holz und besitzen eine Rahmung aus profilierten Leisten. Das gesamte Gebäude ist unter einem geknickten Satteldach geborgen, das stirnseitig nur wenig vorkragt und in ortsüblicher Bautradition Fusswalme aufweist. Mit gleicher Traufhöhe setzt in der Mitte der Westfassade ein übergiebelter Treppenhausrisalit an, auf dessen Südseite sich der Hauseingang befindet. Seine Wände dürften noch mehrheitlich aus Fachwerk bestehen und auf die Umbauphase von 1845 zurückgehen (sichtbar im Dachgeschoss sowie auf der Innenseite der nördlichen Abstellkammer), obschon die meisten Fenster sowie die Treppenläufe 1964 ausgewechselt worden sind.
Im Haus sind heute zwei Stockwerkswohnungen, eingerichtet, wobei das Erdgeschoss früher die Gaststube enthielt. Das ursprüngliche Raumgefüge ist aufgrund zahlreicher Umbauten nur noch teilweise ablesbar. Das Treppenhaus öffnet sich jeweils in der Mittelachse auf einen durchgehenden, West-Ost-gerichteten Korridor (durch die Entfernung der Binnenwände bzw. Fachwerkfüllungen nur noch angedeutet), von dem nach Süden und Norden Stichgänge abgehen. Im unteren Wohngeschoss gibt der mit Ausnahme des Südostzimmers offene südliche Hausteil den Blick frei auf die Balkenlage der Decke mit Nord-Süd-verlaufendem Unterzug und quer dazu verlegten Balken. Diese sind mit einer Nut für Schiebeböden gearbeitet und an den Kanten teilweise mit schlichten Zierformen (Fase, Schmiege) versehen. Das Südostzimmer besitzt noch die einfache, wohl aus der Zeit des grossen Umbaus von 1845 stammende Felderdecke, ebenso der nördliche Hausteil, wo sie jedoch durch die jüngere Aufkammerung unterbrochen wird.
Reste der biedermeierlichen Ausstattung zeigen im oberen Wohngeschoss noch das südwestliche Eckzimmer sowie das Südostzimmer des nördlichen Hausteils. Letzteres bewahrt zudem einen zugehörigen Einbauschrank aus Nadelholz. Wie zum gegenüber liegenden Zimmer hat sich zu diesem Raum die wohl noch von 1845 stammende Füllungstür aus Nadelholz erhalten, für die barockes Beschlägwerk (S-Bänder) aus dem 18. Jh. wiederverwendetem wurde.
Im Dachgeschoss hat sich über dem älteren Hausteil die originale Sparrenkonstruktion aus der Zeit um 1750 erhalten, die durch ihre solide und äusserst kunstvolle Ausführung hervorsticht. Das Gefüge stabilisieren zwischen den fünf Bindern Andreaskreuze, die wiederum durch eine Pfette miteinander verbunden sind. Die für die Kreuze verwendeten Hölzer sind an den Kanten mit Fase und Schmiege verziert und die Ständer des liegenden Stuhls mit einem Wulst ausgezeichnet. Das Dachwerk und der Bretterboden zum oberen Dachgeschoss weist insbesondere im Bereich des Kamins eine starke Russschwärzung auf. Nicht so der um 1845 ergänzte Teil der Dachkonstruktion, der mit verstärkenden Kopf- und Fussstreben einfacher gestaltet ist und durch keine besonderen Merkmale auffällt. Im Fussboden gleichen zwei Absätze die Niveauunterschiede aus.
Der Keller ist ebenfalls über den Treppenhausrisalit im Westen erschlossen, wobei sich ein zweiter Eingang in der Nordostecke befindet. Ungefähr in Verlängerung der nördlichen Treppenhausflanke ragt noch heute von beiden Längsseiten des Kellers ein Mauerstumpf in den Raum und zeigt die Grenze des Kernbaus von 1750 an. Von der abgebrochenen Mauer wurde in der Mitte ein Pfeiler stehen gelassen, auf dem seither ein Sattelholz den Unterzug der Balkenlage trägt. Die Bretter der Schiebeböden sind teils schräg, teils gerade eingeschoben.
Südseitig des Hauses befindet sich ein von Steinmauern umfriedeter Garten (Mauerabschnitt entlang der Obschlagenstrasse erneuert), der vermutlich seit je her besteht und wesentlich zum Gesamtbild der Häusergruppe beiträgt. Gemäss Brandaufnahmeplan von 1811 war er ehemals nach Tradition barocker Bauerngärten geometrisch angelegt [5]. Der auf Fotografien aus den 1960er Jahren abgebildete, heute nicht mehr vorhandene Pavillon dürfte eine zeittypische Zutat aus den Jahren um 1900 gewesen sein.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung.
- ICOMOS Liste historischer Gärten und Anlagen der Schweiz, Kanton Aargau, Gemeinde Jonen, 4071-5.
Anmerkungen:[1] Bürgisser 1991, S. 22-23 (Dorfplan von 1812), S. 73 (hier fälschlicherweise als Pintenwirtschaft bezeichnet, vgl. S. 74), 183-184 (Lebensdaten Bernhards gemäss Kurzinventar). - Gemeindearchiv Jonen, Brandkataster Gemeinde Jonen 1812-1828 (Vers.-Nr. 65).
[2] Mit Sicherheit wurde nicht das ganze Haus abgebrochen, wie im Brandkataster fälschlicherweise vermerkt ist: Gemeindearchiv Jonen, Brandkataster Gemeinde Jonen 1829-1849 (Vers.-Nr. 64).
[3] Gemeindearchiv Jonen, Brandkataster Gemeinde Jonen 1876-1898 (Vers.-Nr. 89).
[4] Bürgisser 1991, S. 74. Josef Füglistaller ist im Brandkataster ab 1883 als alleiniger Eigentümer der Liegenschaft aufgeführt. Vgl. auch: Staatsarchiv Aargau, DB.W01/0033/09(W.W.Nr. 215): Verificationsverbal mit Wasserwerkplan von 1901.
[5] Bürgisser 1991, 184.
Literatur:- Walter Bürgisser, Jonen. Aus der Vergangenheit von Dorf und Pfarrei, 2. erweiterte Auflage, Jonen 1991, S. 22-23 (Plan von 1812, nach dem Dorfbrand), 73-74, 183-184.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0092: Brandkataster Gemeinde Jonen 1899-1938.
- Gemeindearchiv Jonen, Brandkataster Gemeinde Jonen 1812-1828, 1829-1849, 1876-1898
- Staatsarchiv Aargau, DB.W01/0033/09 (W.W.Nr. 215): Verificationsverbal mit Wasserwerkplan von 1901.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, III-11/4
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
 

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