INV-LEN940 Wildenstein 26/30, 1770 (ca.) (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-LEN940
Signatur Archivplan:LEN940
Titel:Wildenstein 26/30
Bezirk:Lenzburg
Gemeinde:Lenzburg
Ortsteil / Weiler / Flurname:Wildenstein
Adresse:Wildenstein 26/30
Versicherungs-Nr.:259, 258, 260
Parzellen-Nr.:2476, 2478
Koordinate E:2656593
Koordinate N:1247614

Chronologie

Entstehungszeitraum:approx. 1770
Grundlage Datierung:Inschrift (abgewandeter Kachelofen)

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Landwirtschaftliche Bauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Ländlicher Oberschichtbau
Epoche / Baustil (Stufe 3):Barock

Dokumentation

Würdigung:Wohl um 1770 im Auftrag des Lenzburger Textilfabrikanten und Schultheissen Markus Hünerwadel errichteter stattlicher Vielzweckbau, welcher den Kern des Hofguts Wildenstein bildet. Der herrschaftliche, breitgelagerte Wohnteil fällt durch seine vornehme spätbarocke Stichbogenbefensterung auf; daran schliessen rückwärtig der langgestreckte Ökonomieteil und an dessen entgegengesetztem Ende ein zweiter, stärker veränderter Wohnteil an. Das vorbildlich gepflegte Gebäude bewahrt weitgehend die ursprüngliche Aufkammerung und etliche wertvolle Ausstattungsteile des 18. und 19. Jahrhundert. Mit seiner prominenten Lage im Kern des in sich geschlossenen Weilers Wildenstein kommt ihm zudem erheblicher Situationswert zu.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Das stattliche Gehöft, das nach seinen spätbarocken Bauformen auf das ausgehende 18. Jh. zurückgeht, kann nach der Jahrzahl 1773 auf einem abgewanderten Kachelofen in jene Zeit datiert werden. Bauherr war wohl Schultheiss Markus Hünerwadel (1725-1805), welcher die bekannte Indienne-Druckerei seines Vaters übernommen hatte, bevor er 1785 einen Grossteil seines Vermögens verlor und der als späterer Eigentümer der Liegenschaft überliefert ist [1]. Wohl schon früh wurde rückwärtig ein zweiter Wohnteil angefügt. Der erste verfügbare Brandkatastereintrag von 1829 lautet auf ein „einstökiges [nach heutiger Zählung zweistöckiges] Wohnhaus mit doppelter Wohnung und Scheurwerk mit doppelter Stallung, zwey gewölbte Keller, die Wohnungen von Stein und Rieg, das Scheurwerk hölzern, alles unter einem Ziegeldach“; ausserdem war bereits das noch bestehende Waschhaus (heute Vers.-Nr. 260) eingetragen. Der vordere, westliche Wohnteil (heute Vers.-Nr. 259) gehörte samt einem Scheunenanteil Scheune Friedrich Salm. 1847 wird Ludwig, 1876 Samuel Salm als Eigentümer genannt. Als Eigentümer des hinteren, östlichen Wohnteils werden 1829 Heinrich Salms Witwe und Kinder genannt, 1858 Samuel Fischer-Salm, Negotiant, 1876 Salomon u. Gustav Furter, Schmied, 1883 Samuel Salm und 1896 Gustav Furter.
Der rückwärtige Wohnteil Vers.-Nr. 258 wurde nach seinem Fassadenbild um 1900 umgestaltet. Eine deutliche Wertsteigerung im Jahr 1921 könnte auf die Erneuerung der Ökonomie hinweisen. Der westliche Wohnteil wird seit mehreren Jahrzehnten aufmerksam gepflegt. Stirnseitig wurde um 1970/80 ein laubenartiges Vordach erstellt. Um 1990 erfuhr der rückwärtige Wohnteil eine durchgreifende Erneuerung.
Beschreibung:Das Gebäude bildet das Kernstück des östlich der Ammerswilerstrasse am Waldrand des Lütisbuech gelegenen Weilers Wildenstein, der schon auf der Michaeliskarte um 1840 zwei weitere Bauernhäuser zählte. Es handelt sich um ein ausgesprochen stattliches, spätbarockes Doppelbauernhaus, das sich aus dem gemauerten, mit seiner Stirnfront nach Westen gerichteten Wohnteil, der mehrheitlich hölzernen Ökonomie (zusammen Vers.-Nr. 259) sowie einem rückwärtig nach Westen angefügten, stärker veränderten zweiten Wohnteil (Vers.-Nr. 258) besteht. Es wird von einem mächtigen geknickten Krüppelwalmdach mit vermutlich nachträglich verschalter Flugsparrenkonstruktion abgeschlossen.
Der Wohnteil des Hauptbaus Vers.-Nr. 259 ist allseits dreiachsig ausgebildet. Die auffallend hohen, schlanken Lichter, die in ihrer Proportionierung jenen des etwas älteren ehemaligen Hünerwadelschen Handelshauses (heute Berufsschulhaus) stark ähneln [2], sind mit gefalzten Stichbogengewänden und detailliert profilierten Simsen aus Muschelkalk ausgestattet. Sie gehören dem späten Barock an und verleihen dem Gebäude ein vornehmes Gepräge. Teilweise haben sich die alten Brettläden mit eingeschobenen Gratleisten erhalten. Die breitgelagerte Stirnfront wird erdgeschossig von einem wohl um 1970/80 angebrachten Vordach geschützt; darunter erstreckt sich eine mit grossen Muschelkalkplatten belegte Terrasse. Der von schmalen Ganglichtern flankierte stichbogige Hauseingang ist leicht desaxiert anlegt.
Der Wohnteils des Hauptbaus (Vers.-Nr. 259) enthält zwei stockwerkweise angelegte Wohnungen mit identischem Grundriss. Der Erschliessung dient in beiden Geschossen ein durchlaufender Längskorridor mit Treppenaufgang im vorderen Bereich. Der hintere Teil des geräumigen Flurs beherbergt jeweils die Küche. Im Obergeschoss ist diese Situation noch intakt, samt gemauertem Herd-Unterbau, Feuerwand und Rauchfang (Küche im EG später abgetrennt und modernisiert). Die von den Küche her beheizbaren Stuben blicken nach Süden. Der nördliche Bereich wird jeweils durch ein Zimmer und ein Bad/WC auf der Tennseite belegt.
Die historische Ausstattung ist noch in wesentlichem Umfang erhalten. Die bauzeitlichen Wangentreppen bewahren die zugehörigen Flachbalustergeländer. Zu den schönen vierfeldrigen Zimmertüren, deren gestemmte Füllungen mit charakteristischen spätbarocken Eckverzierungen versehen sind und noch ihre originalen, teils getriebenen Beschläge aufweisen, haben sich die entsprechenden Futter und Bekleidungen erhalten. In der oberen Stube steht ein aus grünen Füllkacheln aufgesetzter Kastenofen mit zugehöriger Sitzkunst. Eine Kranzkachel trägt die eingeritzte Hafnersignatur „Johan Geörg Anderes Haffner / jn Arau / 1800“ [3]. Die weissgrundigen Frieskacheln schmücken Girlanden und Medaillons mit idyllischen Landschaften. Ein zweiter, abgewanderter Ofen, der in das Jahr 1773 datiert und mit „Johann Seiller Hafner von LB [Lenzburg]“ signiert ist, gibt einen Hinweis auf die Entstehungszeit des Hauses [4]. Bemerkenswert ist auch die vermutlich aus der Zeit um 1800 datierende Stuckdecke im Nordwestzimmer des Obergeschosses.
Bei der vollständig intakt erhaltenen Dachkonstruktion handelt es sich um ein Sparrendach mit Aufschieblingen auf doppeltem liegendem Stuhl. In unteren Dachraum sind stirnseitig zwei Kammern eingebaut. Unter der Nordhälfte des Wohnteils erstreckt sich ein tonnengewölbter, quer zur Firstrichtung angelegter Keller; von hier führt ein kurzer Verbindungsgang zu einem kleineren Gewölbekeller, der merkwürdigerweise ausserhalb des Hausgrundrisses liegt und möglicherweise von einem abgegangenen Gebäude stammt (Inneres gemäss Kurzinventar 2002).
Der Ökonomieteil gliedert sich in Futtertenn, Stall, Tenn und Remise. Der Stall wurde gemäss den zweifarbigen Sichtbacksteinfassaden wohl im früheren 20. erneuert. Der rückwärtig anschliessende, gleichfalls gemauerte zweite Wohnteil (Vers.-Nr. 258) besitzt einen hohen, heute allseitig freiliegenden Kellersockel, der auf dem Erdgeschossniveau des vorderen Wohnteils liegt und noch ein korbbogiges Kellerportal aus der Bauzeit bewahrt. Darüber setzt der Oberbau auf, der nur ein Vollgeschoss und zwei Dachgeschosse umfasst. Die Befensterung mit gekuppelten und einzelnen Fensteröffnungen dürfte in der Zeit um 1900 entstanden sein und wurde wohl beim Umbau um 1990 erneuert. Das Innere soll durchgreifend erneuert sein (gemäss Kurzinventar 2002).
Zusammen mit dem Hauptbau bildet das Waschhaus (Vers.-Nr. 260), das im 20. Jh. als Pferdestall rückwärtig verlängert wurde, an der Südseite des Hauses eine Hofsituation. Ein wesentliches Element des gekiesten Hofplatzes ist der Stockbrunnen mit monolithem, zweigeteiltem Längstrog aus Muschelkalkstein.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Stadt Lenzburg. Inventar der kommunal schutzwürdigen Gebäude, 1997 (BNO 1997, Anhang 1, Inventarliste), Nr. 19.
Anmerkungen:[1] Stettler / Maurer Kdm AG II 1953, S. 112. – Markus Hünerwadel trat in den 1750er Jahren in den Indienne-Manufakturbetrieb seines Vaters ein. 1759 Heirat mit Katharina Kasthofer von Aarau; 1767-98 Schultheiss im Turnus mit Heinrich Halder, 1785ff. grosse Geschäftsverluste wegen der französischen Einfuhrsperre, 1788 Verkauf des Handelshauses an die Stadt Lenzburg; 1798 Präsident des Bezirksgerichts; 1802 Demission. Vgl. Biographisches Lexikon des Aargaus, 1803-1957 (Argovia, Bd. 68/69), Aarau 1958, S.374; Heidi Neuenschwander, Geschichte der Stadt Lenzburg. Von der Mitte des 16. zum Ende des 18. Jahrhunderts. Auf dem Weg vom Mittelalter zur Neuzeit, Aarau 1984 (auch erschienen als: Argovia, Bd. 96), S. 236-240.
[2] Markus Hünerwadel liess das 1759/60 von seinem gleichnamigen Vater begonnene grosse Handelshaus vor dem Unteren Tor (Kantonales Denkmalschutzobjekt LEN020) vollenden (vgl. Stettler / Maurer Kdm AG II 1953, S. 85f.).
[3] Vergleichbar mit den Zierkacheln eines Louis XVI-Turmofens im Laué-Gut in Wildegg (Stettler / Maurer Kdm AG II 1953, S. 147, Abb. 142).
[4] Der Ofen wurde 1920 im damals neu erbauten Haus Brestenbergstrasse 15 (Vers.-Nr. 352, „Villa Tannegg“) in Seengen in verkleinerter Form wiederaufgebaut und später noch einmal verkürzt. Vgl. Stettler / Maurer Kdm AG II 1953, S. 112, Anm. 6 und S. 191, Anm.1 sowie Notizen Kunstdenkmäler-Inventarisation, Lenzburg und Seengen (Mitteilungen und Zeichnungen von Fritz Bohnenblust, Lenzburg, 1951).
Literatur:- Michael Stettler / Emil Maurer, Die Bezirke Lenzburg und Brugg (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. II), Basel 1953, S. 112.
Quellen:- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Kunstdenkmäler-Archiv: Notizen Kunstdenkmäler-Inventarisation (1951).
- Staatsarchiv Aargau, ZwA 1940.0007/4463, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1829-1850; CA.0001/0413-0417, Brandkataster Gemeinde Lenzburg, 1850-1938.
 

URL for this unit of description

URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=39546
 

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