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INV-LGG907 Lourdesgrotte, 1928-1929 (Dossier (Bauinventar))
Ansichtsbild: |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1928 - 1929 |
Grundlage Datierung: | Literatur |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Sakrale Bauten und Anlagen |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Lourdesgrotte |
Epoche / Baustil (Stufe 3): | Konservative Moderne |
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Dokumentation |
Autorschaft: | Robert Lang, Architekt, Baden; Beat Gasser (1892-1967), Bildhauer, Lungern OW (Stationenweg) |
Würdigung: | Auf Initiative des Leuggermer Pfarrers Franz Xaver Knecht durch Architekt Robert Lang erbaute Lourdesgrotte von 1928/29, die 1934 um einen Stationenweg ergänzt wurde. Kernstück ist die aus Eisenbeton konstruierte künstliche Grotte, die mit Altar, Madonnenstatue samt Nische und Abschrankungsgitter nicht nur die Ausstattung ihres Vorbilds in Lourdes reproduziert, sondern sich auch in landschaftlicher Situierung, Detailformen und Massstab besonders eng an diesem orientiert. Sie bildet damit ein besonders aufwendiges Beispiel für die seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert aufkommenden Nachbildungen des beliebten Wallfahrtsziels in Südwestfrankreich. Mit dem wenig später ergänzten Kreuzweg, der zusammen mit der Zufahrtsstrasse in ein licht bepflanztes Nadelwäldchen eingebettet ist, entstand ein in seiner landschaftlichen Gestaltung bemerkenswertes sakrales Ensemble, das beispielhaft ein volkstümliches Thema der katholischen Frömmigkeit im frühen 20. Jahrhundert dokumentiert. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Die Lourdesgrotte entstand auf Initiative von Pfarrer Franz Xaver Knecht, der von 1923 bis 1932 in Leuggern wirkte [1]. Von einer ersten privaten Pilgerfahrt zur bekannten Marien-Wallfahrtsstätte von Lourdes im April 1928 „im Innersten erfasst und ergriffen“ [2], betrieb Knecht unmittelbar nach der Rückkehr den Bau einer Nachbildung in seiner Pfarrei, wobei seine energische Art bei der Bevölkerung nicht nur auf Zustimmung stiess. Für das Vorhaben versuchte Knecht zunächst auch die Kirchgemeinde zu gewinnen, die sich offiziell am Bau aber nicht beteiligte. Das zwischen Leuggern und Hettenschwil am Guntenbach gelegene Grundstück wurde von einer Hettenschwiler Bürgerin und Lourdespilgerin gestiftet. Die ursprüngliche Idee, eine Nische für eine Muttergottesstatue an Ort und Stelle aus einem vorhandenen Nagelfluhblock zu hauen, zerschlug sich wegen der Brüchigkeit des Gesteins, so dass man sich für den Bau einer künstlichen Felsgrotte entschied. Mit der Projektierung wurde der Badener Architekt Robert Lang (1899-1946) beauftragt, der eine Konstruktion aus Eisenbeton vorschlug. Die statischen Berechungen führte das Ingenieurbüro Fritz Meyer, Baden und Zürich, aus; die Bauausführung oblag Fritz Binkert, Maurermeister in Kleindöttingen. Die Zimmermannsarbeiten für das aufwendige Lehrgerüst führten die Gebrüder Fridolin und Jakob Stefani, Reuenthal, aus. Die Madonnenstatue stammt aus der Werkstatt der bekannten Bildhauerfirma Payer und Wipplinger, Einsiedeln [3]. Als unmittelbares Vorbild diente die Lourdesgrotte von Wettolsheim bei Colmar, die Lang im Sommer 1928 insgesamt dreimal aufsuchte und wo er sich von der ausführenden Bauunternehmung die nötigen technischen Angaben geben liess. Die Grotte war 1912 von dem aus dem elsässischen Dorf stammenden damaligen Bischof von Lourdes, François-Xavier Schoepfer, an der Stelle seines abgebrannten Elternhauses errichtet worden [4]. Nicht zuletzt dank der etwa 10'000 Frondienststunden konnten die hauptsächlichen Bauarbeiten an der Leuggermer Grotte bis Ende Juni 1929 abgeschlossen werden. Die Einweihung und Einsegnung fand 1929 an Mariä Himmelfahrt (15. August) im Beisein von ca. 3000 Pilgerinnen und Pilgern statt. Nach dem Wegzug von Pfarrer Knecht 1932 wurde die Grotte in eine privatrechtliche Stiftung überführt, die bis heute für den Unterhalt sorgt [5]. 1934 stiftetet die Hettenschwilerin Lina Vogel einen Kreuzweg, dessen Stationen vom bekannten Holzbildhauer Beat Gasser (1892-1967) in Lungern OW geschaffen wurden; dieser gehörte „zu jenem Kreis kirchlicher Künstler in der Schweiz, die sich in der Zwischenkriegszeit um eine gemässigte, allgemein verständliche Modernität bemühten“ [6]. Ein Altar konnte erst 1942 in die Grotte eingebaut werden. |
Beschreibung: | Die Lourdesgrotte liegt zwischen Leuggern und Hettenschwil im Tobel des Guntenbachs, das hier vergleichsweise tief in das ansonsten sanft geneigte Gelände eingeschnitten ist. Als Nachbildung der originalen Grotte von Massabielle in Lourdes vertritt sie einen Typus von Wallfahrtsstätten, die etwa von den 1880er Jahren bis weit ins 20. Jh. hinein grosse Beliebtheit genossen, nachdem sich der Wallfahrtsort in Südfrankreich seit dem ausgehenden 19. Jh. zu einem der meistbesuchten Marienheiligtümer Europas entwickelt hatte. Die Leuggermer Grotte entspricht allen wichtigen Merkmalen des Bautypus, wozu die landschaftliche Situierung an einem bewaldeten und von einem Wasserlauf durchflossenen Abhang, die Darstellung einer Felswand mit einer Nische für die Lourdesmadonna, die kniende Figur der Hl. Bernadette Soubirou und schliesslich auch Elemente wie die Gitterabschrankung oder die Kerzenständer gehören [7]. Im Unterschied zu zahlreichen anderen – kleinmasstäblicheren und freier gestalteten [8] – Nachbildungen stellt sie in seltenerer Weise eine besonders genaue und zudem massstabstreue Replik des Originals in Lourdes dar, wie dies auch für die unmittelbar als Vorbild verwandte Grotte in Wettolsheim (F) gilt. Die Anlage besteht aus der Grotte am dicht bewaldeten Abhang südlich des Guntenbachs und dem landschaftlich gestalteten, als lichter Hain bepflanzten Gelände auf der Nordseite des Bachlaufs, das sowohl den Platz für die Freiluft-Messen wie auch den Stationenweg umfasst. Die unregelmässig geformte künstliche Grotte, die im Inneren wie auch in ihrer Umrissform dem Original in Lourdes folgt, ist als freistehender Körper vor das ansteigende Terrain gesetzt. Es handelt sich um eine Eisenbetonkonstruktion, die konstruktiv an parabelförmigen Bögen aufgehängt ist. Im Bauablauf wurde über einem komplizierten zunächst aus einem speziellen Betongemisch die Oberfläche hergestellt, bevor man in einem nächsten Arbeitsschritt die tragende Struktur betonierte und schliesslich die Kunststeinoberfläche bildhauerisch nachbearbeitete [9]. In einer Figurennische auf der rechten Seite der Felswand ist die Marienstatue aufgestellt. Auf dem Sockel prangt die ebenfalls nach dem Vorbild in Lourdes gestaltete Inschrift „Ich bin die unbefleckte Empfängnis“. Ein Schmiedeeisengitter trennt das Innere der Grotte gegenüber den Besuchern ab. Mittig steht darin der Altar, links davon, der Muttergottes schräg gegenüber, die kniende Bernadette. Rechterhand der Grotte ist die Kanzel platziert. Die Spitze des Bauwerks ist heute von Efeu stark überwachsen. Der Grotte gegenüber befindet sich der sanft ansteigende Platz für die Besucher der Freiluft-Messen, der unmittelbar vor der Grotte mit einem von Anfang an gepflasterten Boden (heute Zementsteine) den Bachlauf überquert. Jenseits des Bachs ist der Platz chaussiert und mit konzentrisch angeordneten Reihen von Gartenbänken wohl aus den 50er oder 60er Jahren bestückt. Vom nordöstlich gelegenen Parkplatz an der Hauptstrasse führt ein heute ebenfalls gepflasterter Weg in sanftem Schwung auf die Grotte zu, wobei die Blickachse beidseits durch unregelmässig gepflanzte Bäume gefasst und im letzten Strassenstück auf die Madonnenstatue ausgerichtet ist. Etwas hangaufwärts schlängelt sich der Stationenweg durch niedrigeres Gehölz. Die Stationen sind als kubisch strenge Kunststeinstelen mit Giebeldachabschluss gestaltet. In die scharrierte Oberfläche sind breite, oben giebelförmige Bildnischen eingelassen, unter denen die römischen Ziffern in die Stele eingemeisselt sind. Die Kreuzwegstationen sind als Holzreliefs ausgeführt, die teilweise durch farbliche Fassungen akzentuiert und mit eingeschnitzten Bildunterschriften versehen sind. Die Vegetation besteht hauptsächlich aus Rottannen und anderen Nadelbäume; hinzu kommen Forsythien und weitere Sträucher, rund um die Kreuzwegstationen beschnittene Hecken. Wenig bachaufwärts von der Grotte liegt ein aus Kalksandsteinen gemauertes Nebengebäude, das zwei Eingangstüren mit rautenförmigen Verglasungen besitzt, wohl das ursprüngliche Toilettenhäuschen; daneben windet sich ein steiler Fussweg den Hang empor. Das heutige, jüngere Toilettenhäuschen steht hangseitig an der Zufahrtsstrasse. |
Anmerkungen: | [1] Geschichtliches nach der eingehenden Darstellung bei Vögeli 1996. [2] Ebd., S. 3. [3] Zu Payer & Wipplinger vgl. Methoden eines Ad-hoc-Inventars. Das Künstleratelier Payer & Wipplinger in Einsiedel, Hrsg.: Institut für Denkmalpflege und Bauforschung der ETH Zürich, Zürich 2009. [4] Vgl. Wikipedia (frz.), Art ‚Wettolsheim‘: http://fr.wikipedia.org (Zugriff 27.2.2017). [5] Brian Scherer / Sauerländer / Steigmeier 2001, S. 144. [6] Peter Hoegger, zit. bei Vögeli 1996, S. 22. [7] Vgl. zum Bautypus der Lourdesgrotten allg., allerdings ohne Bezug auf Leuggern, etwa Mathilde Tobler, "Wahre Abbildung“. Marianische Gnadenbildkopien in der schweizerischen Quart des Bistums Konstanz (Der Geschichtsfreund, Bd. 144), Stans 1991, S. 83-89. [8] Weitere, durchwegs kleinmasstäblichere und freier gestaltete, Lourdesgrotten finden sich im Kanton Aargau etwa in Boswil (Bauinventarobjekt BOS935), Eiken (EIK918), Gansingen (GAN903), Hornussen (HOR913), Wegenstetten (WEG937) oder Wittnau (WIT920). [9] Vögeli 1996, S. 10f. |
Literatur: | - Sarah Brian Scherer / Dominik Sauerländer / Andreas Steigmeier, Das Kirchspiel Leuggern. Geschichte von Böttstein, Full-Reuenthal, Leibstadt und Leuggern, Böttstein etc. 2001, S. 143f. - Robert Vögeli, Die Lourdesgrotte Leuggern, Hrsg.: Stiftungsrat Lourdes-Grottenstiftung, Leuggern 1996. |
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=39666 |
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