INV-LGG912 Haus "zum Einhorn", 17. Jh. (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-LGG912
Signatur Archivplan:LGG912
Titel:Haus "zum Einhorn"
Bezirk:Zurzach
Gemeinde:Leuggern
Ortsteil / Weiler / Flurname:Hettenschwil
Adresse:Mandacherstrasse 10
Versicherungs-Nr.:187
Parzellen-Nr.:1364
Koordinate E:2657161
Koordinate N:1269785
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2657161&y=1269785

Chronologie

Entstehungszeitraum:17th cent.
Grundlage Datierung:Schätzung

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Repräsentatives Wohnhaus, Villa
Epoche / Baustil (Stufe 3):Spätgotik

Dokumentation

Würdigung:Wohl noch aus dem 17. Jahrhundert stammender spätgotischer Steinbau, welcher nach dem auf der Fassade aufgemalten Emblem mit dem Hausnamen „zum Einhorn“ bekannt ist. Das Gebäude, das vielleicht auf einen Lehenhof der Johanniterkommende zurückgeht und ausserdem eine Wirtschaft beherbergte, setzt sich aus einem zweigeschossigen gemauerten Sockel und einem in Fachwerkkonstruktion erstellten Oberbau sowie einer rückwärtig anstossenden, niedrigeren Scheune zusammen. Es wurde in den 1980er Jahren aufwendig instandgestellt, wobei man im Hauptgeschoss drei spätgotische Staffelfenster und zur Scheune hin einen Treppengiebel rekonstruierte. Mit seiner Lage und der markanten Erscheinung nimmt der hochragende Giebelbau eine zentrale Stellung im Ortsbild von Hettenschwil ein.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Nach den stattlichen Abmessungen des spätgotischen Kernbaus zu urteilen, dürfte die Entstehung des Hauses „zum Einhorn“ in einem obrigkeitlichen Zusammenhang gestanden haben. Vielleicht lässt sich das Gebäude mit einem vom Lokalhistoriker Hermann J. Welti genannten Lehenhof der Kommende identifizieren, der gemäss den Quellen „aussen am Dorf“ lag und in dessen Baumgarten einige Zeit vor der Anlage des Urbars von 1660 ein neues Haus errichtet wurde [1]. Hierbei könnte es sich um das Haus „zum Einhorn“ handeln, was auch mit den spätgotischen Bauformen des Kernbaus korrespondieren würde. Welti vermutete in dem Haus ausserdem auch schon eine Wirtschaft. Das an der Fassade aufgemalte Einhorn verweist ihm zufolge als Emblem auf das Wappen des Komturs Franz von Sonnenberg (reg. 1648-1682) [2].
Im Lauf des 19. Jh. wurden die Fassaden teilweise mit damals modernen Einzelfenstern überformt und das Dach um einen Kniestock erhöht. Im ersten verfügbaren Brandkatastereintrag von 1850 wird das Gebäude als „zweistöckiges Wohnhaus von Mauer & Rieg unter Ziegeldach“ beschrieben und war eigentumsrechtlich auf Josef Leonz Erne sowie Cölestin, später Johann Vögele aufgeteilt [3]. Gemäss dem nachfolgenden Eintrag von 1876 befanden sich das Erdgeschoss, die Hälfte des zweiten Obergeschosses sowie der Keller im Eigentum des Josef Leonz Erne, das erste Obergeschoss sowie die andere Hälfte des zweiten gehörten Johann Vögele. 1889 ging der erstere Hausteil an Franz Erne über, 1893 an Kaspar Binkert und 1894 an Gustav Täuber, der zweite Hausteil 1883 an Johann Fridolin Zumsteg. Die mit dem Haus zusammengebaute Scheune war ebenfalls unter zwei, allerdings nicht immer mit den Wohnungen identischen, Eigentümern aufgeteilt. Gemäss dem Brandkatastereintrag besass sie 1850 noch ein Strohdach und wurde erst im 20. Jh. auf Ziegel umgedeckt.
In den 1980er Jahren wurde das Haus durch die damaligen Eigentümer aufwendig instandgestellt, wobei man insbesondere den Treppengiebel zur Scheune und die Staffelfenster im ersten Obergeschoss der traufseitigen Strassenfront in Analogie zu anderen spätgotischen Steinbauten rekonstruierte.
Beschreibung:Das Haus „zum Einhorn“ ist im Kern ein spätgotischer Steinbau von ausgesprochen stattlicher und herrschaftlicher Erscheinung. Mit seiner Lage an der Wegbiegung der Mandacherstrasse, schräg gegenüber dem Schulhaus (Bauinventarobjekt LGG913), nimmt es im ansonsten bäuerlich geprägten Ortsbild von Hettenschwil eine prominente Stellung ein. Der im Grundriss annähernd quadratische Baukörper ist im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss aus verputztem Bruchsteinmauerwerk errichtet, wie es über die ganze Höhe auch für die scheunenseitige Giebelwand verwendet wurde. Über dem Mauersockel erhebt sich der als Fachwerkkonstruktion ausgeführte Oberbau, der ein weiteres Vollgeschoss sowie das Dach umfasst. Dieses besass ursprünglich steilere Neigung, wie an der Konstruktion der Giebelwand noch abzulesen ist. Die bestehenden, ungebrochenen Dachflächen entstanden im Zusammenhang mit der Erhöhung um einen Kniestock im 19. Jh. Das heutige Erscheinungsbild des Hauses wird stark von der Restaurierung der 1980er Jahre geprägt, bei der man den vielleicht nachträglich verputzten Fachwerk-Oberbau wie auch einige Eckquader am Mauersockel freilegte, die rückwärtige Stirnmauer um einen Treppengiebel erhöhte und im ersten Obergeschoss eine spätgotische Befensterung rekonstruierte.
Der alte Hauseingang liegt leicht aus der Mitte versetzt im ersten Obergeschoss der zum Dorf gewandten nördlichen Stirnseite. Er ist über eine lange Aussentreppe zugänglich und wird von einem rundbogigen Sandsteingewände gerahmt. Alte Sandsteingewände zeigen auch noch das Rechtecklicht rechterhand des Treppenaufgangs sowie mehrere Fenster- und Türöffnungen an der rückwärtigen, westlichen Traufseite. Die Einzelfenster sowie ein traufseitiger Vordereingang im Erdgeschoss besitzen hölzerne Einfassungen. Die rekonstruierten Staffelfenster im ersten Obergeschoss sind aus Kunststein gefertigt und korrespondieren mit einer bauzeitlichen Fenstersäule im Inneren. Sie ersetzten Rechtecklichter des 19. Jh. Zwischen den Staffelfenstern prangt das direkt auf den alten Putz aufgemalte, namengebende Emblem eines Einhorns, für das beim Anbringen des neuen Verputzes in den 1980er Jahren ein Feld ausgespart wurde. Der Giebel besitzt eine Aufzugsöffnung. Das Dach ist mit alten Biberschwanzziegeln eingedeckt.
Das ebenerdige Sockelgeschoss umfasst ehemalige Kellerräume, davon einen mit Tonnengewölbe. Es wurde erst nachträglich zu Wohnzwecken umfunktioniert. Die Hauptwohnräume liegen im ersten Obergeschoss, wobei Stube und Nebenstube die strassenseitige Haushälfte belegen, während ein Vorraum mit Treppenaufgang sowie die Küche und eine davon abgetrennte Kammer rückwärtig liegen (vgl. Grundrissskizze von 1968). Zwischen zwei segmentbogigen Fensternischen steht in der Stube die in Sandstein gehauene Fenstersäule, die mit Sporen verzierte Abfasungen zeigt [4]. An historischen Ausstattungselementen haben sich in der Stube ausserdem ein Wandkästchen, in der Küche der Schüttstein samt Ausgussnase erhalten. Im Estrich existiert noch eine altertümliche Blockstufentreppe. Ansonsten ist das Hausinnere weitgehend modernisiert. Das Dachgerüst ruht auf liegenden Stuhljochen und wurde bei der Erhöhung um einen Kniestock in ein eine Pfetten-Rafen-Konstruktion umgestaltet (Inneres gemäss Kurzinventar 1999 und Bauernhausforschung 1989).
Die wohl ebenfalls noch im 17. Jh. errichtete Scheune mit Remise, Tenn und Stall bestand ehemals als reine Ständerkonstruktion und hatte eine Strohbedachung. Die noch einigermassen intakte, altertümliche Dachkonstruktion ruht auf zwei Hochstüden (Firstständern) beidseits des Tenns. Über dem hinteren Remisenzugang hat sich eine Fachwerkwand mit ursprünglicher Flechtwerkfüllung erhalten. Die Ummauerungen von Stall und Teilen der Rückfront sind jüngere Zutaten (Inneres gemäss Bauernhausforschung 1989).
Westlich des Hauses steht ein stark verändertes Nebengebäude, wohl ein früherer Speicher (Vers.-Nr. 248, nicht Bestandteil des Schutzumfangs).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung, Erhaltungsziel A.
Anmerkungen:[1] Welti 1989, S. 62f. Über die Besitzungen dieses Hofs ist weiter zu lesen: „Zu diesem Gut gehörte der in Hettenschwil anfallende kleine Zehnten, mit dessen Einzug der 1581 neu eingesetzte Lehensmann Jakob Suppinger beauftragt wurde. Das Gut umfasst 80 Jucharten und drei Vierling Ackerland, 4½ Jucharten Wald und das 'Hofackermätteli', das mit einem Grünhag umgeben war.“
[2] „In Hettenschwil starb 1610 der Wirt Ulrich Vögelin. 1617 ist Martin V. als Wirt genannt. Es folgt ihm Hans Vögelin, 1638-69 Gerichtsvogt im Kirchspiel, der als Wirt 1638 bezeugt ist.“ Welti 1961, S. 24, Anm. 2. Vgl. auch Brian Scherer / Sauerländer / Steigmeier 2001, S. 86f.
[3] Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0723-0725, Brandkataster Gemeinde Leuggern, 1851-1938.
[4] Eine nahezu identische Fenstersäule fand sich im sog. Pestalozzihaus in Brugg, Hauptgasse 39 (Kantonales Denkmalschutzobjekt BRU017), das wohl ebenfalls aus dem 17.Jh. datieren dürfte.
Literatur:- Sarah Brian Scherer / Dominik Sauerländer / Andreas Steigmeier, Das Kirchspiel Leuggern. Geschichte von Böttstein, Full-Reuenthal, Leibstadt und Leuggern, Böttstein etc. 2001, S. 86f.
- Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 1, Basel 1996, S. 179 (Abb. 306), 249 (Abb. 490), 336.
- Hermann J. Welti, Ackerbau und Dreifelderwirtschaft im Kirchspiel Leuggern, Leuggern 1989, S. 62f.
- Hermann J. Welti, Alte Gasthäuser und Tavernen im Kirchspiel Leuggern, in: Jahresbericht der Historischen Vereinigung des Bezirks Zurzach 1961, S.24, Anm. 2.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau: CA.0001/0723-0725, Brandkataster Gemeinde Leuggern, 1851-1938.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, Leuggern XI-13/8.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Materialien, Bestandesaufnahmen 1963, Mappe 103 c1/3.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
 

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