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INV-MEN904 Gemeindehaus mit Turnhalle, 1902-1904 (Dossier (Bauinventar))
Ansichtsbild: |
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Chronologie |
Entstehungszeitraum: | 1902 - 1904 |
Grundlage Datierung: | Inschrift (Treppenhausfenster); Literatur |
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Typologie |
Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.): | Einzelobjekt |
Nutzung (Stufe 1): | Öffentliche Bauten und Anlagen |
Nutzungstyp (Stufe 2): | Gemeindehaus, Kanzlei |
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Dokumentation |
Autorschaft: | Rittmeyer, Robert (1868-1960); Stamm, August (1858-1917) |
Inschriften: | "1903" (Quergiebel); "Gemeindebeschluss vom 9. Dez. 1901. Erbaut 1902-1903" (Treppenhausfenster) |
Würdigung: | Das 1902-04 nach überarbeiteten Plänen von Robert Rittmeyer erbaute Gemeindehaus ist ein stattlicher Gebäudekomplex, bestehend aus einem Hauptbau und einem rückseitig angegliederten Saalannex mit ausladendem Mansard-Walmdach. Die Fassaden zeichnen sich durch eine differenzierte Gestaltung mit hellen Putzflächen und Hausteinpartien aus gelblichem Savonnière-Sandstein aus, wobei die Eingangsachse als kräftiger Mittelrisalit mit monumentalem Volutengiebel den Hauptakzent setzt. Das Innere bewahrt den originalen Treppenaufgang mit schmiedeisernem Geländer, Gusseisensäulen und kunstvollem Glasgemälde. Das Gemeindehaus verbindet in einer für die Jahrhundertwende typischen Art Stilelemente des deutschen Neubarock und Jugendstils zu einem neuen Ganzen. Es ist in seiner repräsentativen Ausführung Ausdruck des anhaltenden Aufschwungs der Gemeinde um 1900 durch die Industrie und verkehrstechnische Erschliessung. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Bis zum Bau des Gemeindehauses war die Verwaltung im 1862/63 errichteten Schulhaus (Bauinventarobjekt MEN905) untergebracht. Als gegen Ende des Jahrhunderts akuter Platzmangel herrschte, wurde 1897 die Erstellung eines Gemeindehauses mit Schulräumen und einer Turnhalle beschlossen, welche auch als Gemeindesaal genutzt werden konnte. Als Sieger des Projektwettbewerbs von 1900 ging die Arbeit von Robert Rittmeyer, damals Professor am Technikum in Winterthur, hervor. Aufgrund der Planskizze von Rittmeyer wurden die endgültigen Pläne 1902 vom Aarauer Architekten A. Stamm gezeichnet. Die Grundrissgestaltung des Rittmeyer-Projekts blieb dabei weitgehend erhalten, auf Stamm hingegen geht der Fassadenaufriss und insbesondere der monumentale Giebel des Mittelbaus zurück. 1902 begannen die Bauarbeiten, am 29. Mai 1904 fand die Einweihung statt [1]. |
Beschreibung: | Das an zentraler Lage zwischen Mühle, Altem Schulhaus und Evangelischer Pfarrkirche errichtete Gemeindehaus ist ein dreigeschossiger Mauerbau unter ausladendem Mansard-Walmdach, dem rückwärtig ein eingeschossiger, L-förmiger Saalannex mit Walmdach angegliedert ist. Die Gesamtform des Baukomplexes und die Befensterung in den Obergeschossen ist als Rückgriff auf das ausgehende 18. Jh. zu verstehen, das Erdgeschoss hingegen wurde mit grossen rundbogigen Fensteröffnungen im Geschmack des zeitgenössischen Jugendstils gestaltet. Als Baumaterialien wurden gewählt: für den Sockel und Eingangssäulen bläulicher Solothurner Kalkstein, für die Haupt- und Freitreppe Granit, für die Gesimse, Verkleidungen und Architekturstücke Savonnière-Sandstein aus Lothringen, für das Fundament Beton, für das aufgehende Mauerwerk Bruchstein und im Estrich Backstein [2]. Monumentalität erhält die fünfachsige Eingangsfassade insbesondere durch den kräftig hervortretenden Mittelrisalit mit geböschten Eckpartien und breiter, von toskanischen Säulen flankierten Bogenstellung, die sich auf eine Vorhalle öffnet. Die darüber liegenden Fenster sind dreiteilig und zeichnen sich durch eine individuelle Gestaltung aus, wobei dasjenige im 2. Obergeschoss mit der Wiederaufnahme des Korbbogens im Erdgeschoss und der Verwendung verschiedener, teilweise auch im Giebel vorkommender Schmuckformen (Pilaster, verkröpftes Gesims, Voluten, Tropfenmotiv) den Hauptakzent in der Fassade setzt. Den Abschluss bildet ein üppig artikulierter, gestufter Volutengiebel mit aufgesetzten Urnen, Dreieckgiebeln und einer plastischen Kartusche mit dem Menziker Gemeindewappen unter der Jahrzahl MDCCCCIII. Deutlich schlichter und ruhiger sind die seitlichen Achsen sowie die übrigen Fassaden gehalten, wobei die Geschosse von unten nach oben Rundbogen-, Segmentbogen- und Rechteckfenster mit Gesimsen und Gewänden aus gelblichem Savonnière-Sandstein aufweisen. Die Mauerflächen tragen einen hellen Putz und werden von farblich abgesetzten Hausteinpartien aus demselben Sandstein eingefasst und gegliedert (Sockelzone, Eckquaderung, Gurtbänder, Kranzgesimse). Das Mansardgeschoss öffnete sich ursprünglich allseitig mit rundbogigen Lukarnen, die teilweise von Ziergiebeln bekrönt waren (nach 1958 durch kleine Dachfenster ersetzt). Der längliche Saalanbau zeigt zwischen den Fenstern eine Unterteilung durch verputzte Lisenen. Durch ein Rundbogenportal mit originaler, zweiflügliger Holztür wird das geräumige Vestibül betreten. Es erstreckt sich über die gesamte Gebäudetiefe. An seiner Rückseite liegt der Hinterausgang, der durch einen Verbindungstrakt baulich mit dem Saalbau verknüpft wurde. Der unverändert erhaltene Treppenaufgang mit einer auf gusseisernen Doppelsäulen errichteten Tragkonstruktion, Granitstufen und einem schmiedeeisernen Geländer erhält Licht durch ein dreiteiliges Fenster mit reich gestalteter Glasmalerei aus dem Atelier Huber-Stutz, Zürich, einer Schenkung der Baukommission. Die Inschrift lautet: "Gemeindebeschluss vom 9.Dez.1901. Erbaut 1902-1903." Dargestellt ist im Mittelfeld das Gemeindewappen, darunter eine allegorische Figur, wohl eine personifizierte Architectura mit ausgerolltem Grundrissplan des soeben erbauten Gemeindehauses. Zu ihren Füssen sitzt ein Mädchen mit dem Aargauer Wappen. Gemäss ursprünglicher Raumaufteilung und -nutzung waren im Kellergeschoss neben dem eigentlichen Gemüsekeller Räume der Koch- und Haushaltungsschule, dazu die Heizung und Duscheinrichtungen sowie ein Arrestlokal untergebracht. Die Räume der Gemeindeverwaltung befanden sich im Erdgeschoss. Im 1. Obergeschoss waren Lokalitäten für die Handwerkerschule, die Musikvereine und die Kommissionen vorgesehen. Das 2. Obergeschoss blieb vorerst noch unausgebaut und sollte später die Mädchen-Bezirksschule aufnehmen. Im Dachgeschoss war Raum für eine Abwartswohnung vorhanden. Entsprechend ihrem jeweiligen "ernsten" bzw. "heiteren" Zweck erhielten die repräsentativeren Räumlichkeiten eine angemessene Ausstattung. So kam das Gemeinderatszimmer zu Täferung, Decke und Mobiliar in gotischem Vokabular, das Kommissionszimmer zu Wandschmuck und einer Stuckdecke im Renaissancestil (von Bächler & Co. in Luzern) und das Musikzimmer zu einer Stuckdecke mit barocken Schmuckformen. Diese Decken sollen unter den modernen, herabgehängten Decken noch vorhanden sein, während das Innere im Übrigen modernisiert ist (Angaben zur Raumnutzung und -ausstattung gemäss Kurzinventar 1993/95). Da die Turnhalle auch für Gemeindeanlässe wie Theatervorführungen vorgesehen war, wurde auf ihrer Westseite rechtwinklig dazu ein Annexbau mit kompletter Bühneneinrichtung erstellt, der wie der Saalbau ein geknicktes Walmdach trägt. Eckquaderungen, Gewände und Gesimse sind auch hier in gelblichem Sandstein gearbeitet. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung. - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), Einzelelement, Erhaltungsziel A. |
Anmerkungen: | [1] Rechnung und Bericht der Baukommission für das Gemeindehaus und Turnhalle Menziken, Menziken 1906. [2] Rechnung und Bericht der Baukommission für das Gemeindehaus und Turnhalle Menziken, Menziken 1906. |
Literatur: | - Peter Steiner, Vor Zeiten im Wynental, Jubiläumsschrift der Historischen Vereinigung Wynental zu ihrem 50jährigen Bestehen, Menziken 1978. |
Quellen: | - Rechnung und Bericht der Baukommission für das Gemeindehaus und Turnhalle Menziken, Menziken 1906 (gemäss Kurzinventar 1992/95). |
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URL for this unit of description |
URL: | http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=41274 |
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