INV-MUR906 Wohnheim "Rothaus", 1698 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-MUR906
Signatur Archivplan:MUR906
Titel:Wohnheim "Rothaus"
Bezirk:Muri
Gemeinde:Muri (AG)
Ortsteil / Weiler / Flurname:Wey
Adresse:Aarauerstrasse 11
Versicherungs-Nr.:187
Parzellen-Nr.:583
Koordinate E:2668226
Koordinate N:1236374
Situationsplan (AGIS):http://www.ag.ch/app/agisviewer4/v1/html/agisviewer.htm?config=agis_geoportal_fs.json&thema=185&scale=5000&basemap=base_landeskarten_sw&x=2668226&y=1236374

Chronologie

Entstehungszeitraum:1698
Grundlage Datierung:Literatur

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Einzelobjekt
Nutzung (Stufe 1):Profane Wohnbauten
Nutzungstyp (Stufe 2):Wohn- und Geschäftshaus
Epoche / Baustil (Stufe 3):Historismus

Dokumentation

Würdigung:1698 unter Abt Plazidus Zurlauben als Kaufhaus erbauter und später als Kornschütte genutzter mächtiger Mauerbau mit Krüppelwalmdach, der im Jahr 1906 ein vollkommen neues Aussehen erhielt. Während das wuchtige Gebäude in seiner Grundform und der Dachkonstruktion noch dem barocken Ursprungsbau entspricht, zeigen sich die Fassaden mit ihrem üppigem Putzdekor heute in den historistischen Formen des Umbaus von 1906. Obwohl das Innere des Hauses beim Umbau in ein Wohnheim 1995/96 leider vollständig ausgekernt wurde, kommt ihm gleichwohl ein hoher Zeugenwert für seine beiden gleichermassen prägenden Bauphasen zu. Mit seiner prominenten Lage in der Südostecke der ehemaligen Klosterummauerung nimmt es im Ortsbild eine überaus zentrale Stellung ein.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Der heute als „Rotes Haus“ bekannte Bau wurde gemäss den Annalen des Klosters 1696-98 unter Abt Plazidus Zurlauben als Kaufhaus errichtet, was neben den schriftlichen Quellen von einer datierten Wappentafel über dem Hauseingang dokumentiert ist. Zu Beginn des 18.Jh. wurde in dem Gebäude, das allgemein als „die Föhn“ oder in Abgrenzung von seinem nördlichen Pendant auch als „vordere Föhn“ bekannt war, kurzfristig der Wochenmarkt abgehalten; später diente es zusammen mit der „hinteren Föhn“ auch als Kornschütte [1]. Beide Funktionen sind auf zwei Vogelschauveduten der Klosteranlage um 1720 dokumentiert, indem der Bau auf einem Stich von Matthias Wickart mit der Bezeichnung „die Frucht Kästen“ versehen ist [2], während er auf einer anonymen Darstellung „domus emporialis“ (Handelshaus) heisst (vgl. historische Ansichten). Alte Ansichten zeigen das Bauwerk noch mit seiner ursprünglichen, spärlichen Befensterung und einem grossen Rundbogentor an der Landstrasse, das erstmals auf einer Ansicht von 1861 auftaucht und vielleicht nach der Klosteraufhebung durchgebrochen wurde [3].
Den Namen "Rothaus" und seine heutige äussere Gestalt erhielt das Gebäude 1906 im Zug eines durchgreifenden Umbaus in ein Wohn- und Geschäftshaus durch den damaligen Besitzer, Grossrat Jean Villiger [4]. Unternehmerisch sehr aktiv, richtete der ursprünglich als Metzger ausgebildete Villiger in dem Haus nicht nur eine Metzgerei ein, sondern auch die Büros des von ihm gegründeten Elektrizitätswerks Muri. 1907 erhielt er vom Regierungsrat zudem die Bewilligung, im Saal des "Rothauses" provisorisch eine Seidenwinderei zu betreiben. Ferner war in dem Haus bis 1934 die Spar- und Leihkasse Muri untergebracht, die 1911 von der Allgemeinen Aargauischen Ersparniskasse übernommen wurde [4].
1995/96 erfolgte der Umbau in ein Wohnheim für Mehrfachbehinderte (Architekt Peter F. Oswald, Muri). Bewahrt wurden dabei das Äussere und die ursprüngliche Dachkonstruktion des ausgehenden 17. Jh. Hingegen wurde das 1906 überformte, in seiner Struktur aber noch auf die alte Kornschütte zurückgehende Innere vollständig ausgekernt und neugestaltet.
Beschreibung:Unterhalb der Konventgebäude am Hangfuss gelegen, nahm das heutige „Rothaus“ ehemals die südöstliche Ecke der Klosterummauerung ein. Als „vordere Föhn“ bekannt, bildete es so in überaus prominenter Stellung ein Pendant zu der in der nordöstlichen Ecke gelegenen, heute durch einen Umbau der 1930er Jahre noch stärker veränderten „hinteren Föhn“ (vgl. den Eintrag zu deren Wappentafel: Bauinventarobjekt MUR910). Vom ehemaligen Kauf- und Kornhaus zeugen noch die Grundformen des mächtigen Mauerbaus, der mit seinem breitgelagerten Baukörper unter einem hohen, geknickten Krüppelwalmdach liegt. In seiner Fassadengestaltung hingegen ist das Haus heute fast vollständig vom Umbau von 1906 bestimmt, der ihm ein historistisches Gepräge gab.
Das zuvor nur spärlich belichtete Gebäude wird seit 1906 von drei auf fünf Fensterachsen gegliedert und in zeittypischer Art von üppigem bauplastischem Schmuck belebt. Kräftig profilierte Gesimsgurte und Quaderlisenen fassen den Baukörper, dessen Hochparterre durch eine strenge Putzquadrierung ausgezeichnet ist, während das Obergeschoss durch gefelderte Fensterbrüstungen akzentuiert ist. An der zur Aarauerstrasse gewandten östlichen Giebelfront ist die Mittelachse durch zwei Balkone betont, die ursprünglich beide auf reich geschmückten Konsolen ruhten (heute nur noch über dem Erdgeschoss erhalten); die darunter liegenden Fassadenfelder werden von seitlichen Pilastern gerahmt. Die Balustergeländer der Balkone scheinen bereits länger vor dem Umbau von 1995/96 verschwunden zu sein. Die südliche Trauffassade nimmt axial den Hauseingang auf, der noch das Türblatt von 1906 mit schmucker schmiedeeiserner Vergitterung zeigt. Im Dachgeschoss öffnet sich hier ein Zwerchhaus, das von einem Walmdach abgeschlossen wird. Nordseitig springt der 1906 angebaute Treppenhausrisalit vor, über dessen Eingang damals die 1698 datierte Wappentafel des Bauherrn Abt Plazidus Zurlauben eingelassen wurde. Diese zeigt einen gevierten Schild: im Herzfeld Bourbonenlinie, links oben Klostermauer (?), rechts unten Turm, rechts ober dreiblättriger Lindenzweig auf Dreiberg, links unten einen nach rechts gerichteten Löwen mit Lindenzweig [5].
Durch die stark veränderte Farbigkeit des Hauses bildet das grau gehaltene Hochparterre heute einen gewissen Fremdkörper zwischen den gleichermassen rötlich gefassten Putzflächen des Sockels und der Obergeschosse. Vor dem Umbau von 1995/96 war das talseitig geschosshoch freiliegende unterste Geschoss durch steinfarbenen Putz und teilweise Steinverkleidung als Sockel ausgebildet, während die Bemalung des ersten Obergeschosses und der Giebelflächen Backsteinmauerwerk imitierte und dem Haus so wahrscheinlich auch seinen allgemein geläufigen Namen gab. Die bauplastischen Elemente waren hingegen in einem hellen geblichen Ton gestrichen und bildeten mit dem dunkelroten Grundton des Hauses einen lebhaften Kontrast, der noch durch die grün gestrichenen Jalousieläden belebt wurde. Die belassenen Fassadeninschriften beziehen sich auf die früher hier beheimatete Sparkassenfiliale und weitere Geschäfte.
Im Inneren war vor dem Umbau von 1995/96 noch die Struktur der ursprünglichen grossen Lagerräume ablesbar, in welche 1906 die Wohnungsgrundrisse eingepasst worden waren [6]. Im ersten Obergeschoss hatten sich durchwegs Gipsdecken mit Stuckkehlen erhalten. Den Mittelgang schmückten Zierfelder mit barocken Profilen. Die Wohnungen bewahrten zahlreiche Jugendstil-Kachelöfen. Als wertvoller Zeitzeuge aus der Entstehungszeit des Hauses ist das Dachgerüst erhalten, ein doppelter liegender Stuhl mit überblatteten Bügen. Im übrigen musste der interessante Befund aus der Klosterzeit hingegen der mit vielen Vorgaben und Auflagen verbundenen neuen baulichen Nutzung geopfert werden.
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung, Erhaltungsziel A.
Anmerkungen:[1] Germann Kdm AG V 1967, S. 335.
[2] Germann Kdm AG V 1967, S. 214, Bilddokument 16.
[3] Abb. zu einem Artikel in: Die Schweiz, 4. Jg. (1861), S. 93-95, Reproduktion im Fotoarchiv der Kantonalen Denkmalpflege.
[4] Müller 1989, S. 269 u. 318f.
[5] Vgl. Schilter 1957, S.42.
[6] Vgl. Stellungnahme des Kantonalen Denkmalpflegers A. Schlatter vom 12.12.1994 im Archiv der Kantonalen Denkmalpflege.
Literatur:- Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 98.
- Georg Germann, Der Bezirk Muri (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Band V), Basel 1967, S. 335.
- Hugo Müller, Die Geschichte der Gemeinde Muri seit 1798 (Muri in den Freien Ämtern, Bd. 2; Unsere Heimat, Bd. 59), Aarau 1989, S. 269 u. 318f.
- Josef Schilter, Die Benediktinerabtei Muri im aargauischen Freiamt.: Führer durch Bauten und Geschichte, 2., stark veränd. Auflage, Muri 1957, S. 42.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=42462
 

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