Dokumentation |
Autorschaft: | Naef, Studer + Studer (Joachim Naef, Ernst Studer und Gottfried Studer), Architekten, Zürich; Franz Pabst, Bildhauer, Baden (Ausstattung); F. Eicher, Gartenarchitekt, Zürich (Umgebung) |
Würdigung: | Expressiv-skulptural geformte Sichtbetonkirche, die 1970-72 nach Plänen der Zürcher Architekten Naef, Studer + Studer errichtet wurde. Der konsequent modern gestaltete Bau, der auch durch seine Lichtführung und die besondere zeittypische Farbigkeit auffällt, ist ein bedeutendes Beispiel der Béton-Brut-Architektur und gehört in dieser Hinsicht in eine Reihe mit weiteren Werken der als Kirchenbauer bekannten Architekten. Er wurde 2002 mit einer Betonsanierung instandgestellt. Abgesehen von der dadurch bewirkten glatteren Erscheinung der Sichtbetonoberflächen ist der Kirchenbau aussen wie auch mit seiner Ausstattung im Inneren weitgehend im ursprünglichen Zustand erhalten. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Schon 1939 wurde von Niederrohrdorfer Seite die Forderung vorgebracht, die Oberrohrdorfer Martinskirche nicht wie geplant und schliesslich ausgeführt durch einen Neubau zu ersetzen (Bauinventarobjekt OBR901), sondern sie nur zu renovieren und gleichzeitig einen Neubau in Niederrohrdorf zu errichten [1]. 1947 wurde zu diesem Zweck ein Kirchenbauverein gegründet. Nachdem die röm.-kath. Kirchgemeinde Rohrdorf 1964 der Beschluss gefasst hatte, in Niederrohrdorf eine Kirche zu bauen, wurden 1965/66 vier Architekturbüros zu einem beschränkten Wettbewerb eingeladen. Zur Realisierung gelangte 1970-72 das Siegerprojekt des Büros Naef, Studer + Studer (Joachim Naef, Ernst Studer und Gottfried Studer), Zürich. Diese hatten sich seit ihrem frühen Wettbewerbserfolg für die Kollegiumskirche von Sarnen im Kirchenbau etabliert, wobei der spätere ETH-Professor Ernst Studer die gestalterische Arbeit prägte [2]. Die Farbigkeit des Kirchenbaus am Inneren wie auch am Äusseren wurde vom Maler und Grafiker Willi Rieser, Augwil, konzipiert; die skulpturale Ausstattung schuf der Badener Bildhauer Franz Pabst [3]. Gartenarchitekt F. Eicher, Zürich, besorgte die Umgebungsgestaltung. Die Kirchweihe durch den Bischof von Basel, Dr. Anton Hänggi, erfolgte am 19. März 1972. 2002 wurde eine Betonsanierung sowie eine Erneuerung der technischen Anlagen vorgenommen [4]. |
Beschreibung: | Das Kirchenzentrum Guthirt gehört gestalterisch in eine Reihe mit weiteren Kirchenneubauten der Architekten Naef, Studer + Studer, Zürich, die im Sinn einer konsequent modernen Béton-Brut-Architektur durch ihre expressiv-skulpturalen Sichtbetonformen und ihre Lichtführung auffallen [5]. Die Anlage liegt im „Rüsler“ südlich des Dorfkerns, wo sich der Baukomplex seitlich der Bremgartenstrasse im leicht ansteigenden, durch Aufschüttungen zusätzlich modellierten Terrain erhebt. Es handelt sich um ein kubisch stark differenziertes, aus kantigen wie auch gerundeten Elementen komponiertes Bauwerk, das im Fernblick burgartig geschlossen wirkt. In der Nahsicht hingegen fällt der breit geöffnete, ebenerdige Durchgang auf, der nicht nur ins Innere des Gebäudes führt, sondern auch einen öffentlichen Fussweg zur tiefergelegenen „Bünt“ fasst. Über dem Durchgang erhebt sich zeichenartig der Glockenturm, der aus einer gerundeten Wandscheibe und einer runden Stahlstütze gebildet wird und als Glockengeschoss eine Metallwanne trägt. Der nördliche, gegen Westen stark gerundete und weitgehend geschlossene Gebäudeteil fasst das im Obergeschoss gelegene Kirchenschiff samt Zugangsrampe. Im südlichen Trakt liegt die Sakristei, an die westlich die Amtsräume der Kirchgemeinde sowie das südwestlich auf die Hangkante ausgreifende Pfarrhaus anschliessen. Am stärksten befenstert sind die in der Hauptansicht nicht einsehbare Südfassade des Pfarrhauses sowie die Gemeinschaftsräume unter dem Kirchenschiff. Im übrigen sind die vergleichsweise spärlichen Fensteröffnungen als Akzente skulptural über den Baukörper verteilt oder wie an der Nordfassade des Pfarrhauses als Fuge zum angrenzenden Baukörper ausgebildet. Integraler Bestandteil des Bauwerks ist die Farbigkeit: In betontem Kontrast zum Beton sind die Metallelemente wie Geländer, Stützen und Fenster und als auffälligster Akzent die Metallwanne am Turm in einer zeittypischen Farbpalette von kräftigem Orange, Gelb und Blau gehalten. Der ursprünglich rauhe und vom Muster der Schalungsbretter bestimmte Sichtbeton besitzt seit der Sanierung von 2002 eine deutlich glattere und durch die Hydrophobierung (wasserabweisende Oberflächenbehandlung) leicht glänzende Oberfläche. Der Baukomplex ist gemäss einer zur Entstehungszeit verbreiteten Forderung ausgesprochen multifunktional angelegt und dient kirchlichen wie auch kulturellen und gesellschaftlichen Anlässen. Der eigentliche Kirchenraum ist über einem Saal und Nebenräumen für Veranstaltungen angelegt; des weiteren umfasst die Anlage auch das Pfarrhaus mit Amtsräumlichkeiten und Sakristei. Um das zentrale Foyer gruppieren sich im unteren Geschoss ein Saal mit Bühne, Gruppenräume sowie die Aufgangsrampe, wobei Schiebewände ein Ineinanderfliessen der Räume ermöglichen. Die Rampe führt auf halbrund gekurvtem Verlauf ins Obergeschoss, wo sie nahtlos in den Kirchenraum übergeht. Dieser wird zweiseitig von einer Reihe aus Rundstützen gefasst und über einen Sichtbetonbaldachin peripher belichtet; eine aus Betonrippen geformte Hohlkassettendecke schliesst den Raum ab. Eine zusätzliche, aus Stahlprofilen gefertigte Wendeltreppe verbindet das Kirchenschiff mit den darunter gelegenen Gemeinschaftsräumen. Die am Äusseren eher punktuell eingesetzte Farbigkeit steigert sich in ihrer Intensität im Inneren, wo dem blauen Anstrich von Rundstützen und Bestuhlung die im Farbverlauf gelb-orange-blau gefasste Decke und als Akzente eingesetzte gelbe Geländer antworten. Die Innenwände sind im Kontrast zur äusseren Erscheinung des Gebäudes aus Kalksandsteinen aufgemauert, die in jüngerer Zeit einer Schlämme und einem weissen Anstrich versehen wurden. Die von Bildhauer Franz Pabst geschaffenen kultischen Gegenstände sind im bewussten Kontrast zur starken Farbigkeit weiss emailliert. In der Kapelle ist eine thronende, bekrönte Muttergottes mit Kind aufgestellt, eine farbig gefasste Holzplastik vermutlich um die Mitte des 14.Jh., vielleicht innerschweizerisch (?) [6]. Die drei Glocken aus der Giesserei Rüetschi, Aarau, sind abgestimmt auf das Geläut der Mutterkirche in Oberrohrdorf und jenes der reformierten Kirche in Niederrohrdorf (Bauinventarobjekt NIR901). |
Anmerkungen: | [1] Geschichtliches nach Guthirtkirche Niederrohrdorf1972 sowie Furter / Handschin / Rorato 2011, S. 247f. [2] Vgl. Rüegg 2001 sowie Historisches Lexikon der Schweiz (HLS), Art. ‚Ernst Studer‘ (2012): http://www.hls-dhs-dss.ch/textes/d/D45571.php . [3] Zu Willi Rieser (geb. 1936) vgl. http://www.sgdf.ch/de/oeuvres/willi-rieser.html, zu Franz Pabst (1927-2000) http://www.kunstbreite.ch/Kuenstlerwerdegaenge_aargau_pabst_franz.htm (Zugriff 19.9.2016). [4] Baugesuchsarchiv. [5] Vgl. die Kirchenbauten in Sarnen, Thun, Nebikon, Kägiswil, Buttikon oder Buchrain; dazu Rüegg 2001; HLS; Werk, Bd. 54 (1967), S. 63-67; Werk, Bd. 58 (1971), S. 797-801. [6] Hoegger Kdm AG VI 1976, S. 434. |
Literatur: | - Anton Egloff et al., Chronik Niederrohrdorf, Niederrohrdorf 1979, S. 279-281. - Guthirtkirche Niederrohrdorf. Kirchweihe am 19. März 1972, [Niederrohrdorf 1972] - Fabian Furter / Martin Handschin / Miriam Rorato: Drei Gemeinden, eine Geschichte. Die grossen Schritte von 1850 bis zur Gegenwart, in Fabian Furter et al., Rohrdorferberg. Geschichte von Niederrohrdorf, Oberrohrdorf und Remetschwil, Niederrohrdorf, Oberrohrdorf, Remetschwil 2011, S. 154-325, hier S. 247f. - Peter Hoegger, Der Bezirk Baden (Die Kunstdenkmäler des Kantons Aargau, Bd. VI), Basel 1976, S. 434. - Arthur Rüegg, „Von der Form zur Funktion gekommen“. Zum Tode des Architekten Ernst Studer, in: Neue Zürcher Zeitung (NZZ), 12.3.2001. |
Quellen: | - Gemeinde Niederrohrdorf, Baugesuchsarchiv: Renovation 2002. |
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