INV-OFE914 Schulhaus "Dorf", 1905-1906 (Dossier (Bauinventar))

Archive plan context


Ansichtsbild:
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Identifikation

Signatur:INV-OFE914
Signatur Archivplan:OFE914
Titel:Schulhaus "Dorf"
Bezirk:Aarau
Gemeinde:Oberentfelden
Adresse:Aarauerstrasse 12
Versicherungs-Nr.:167
Parzellen-Nr.:439
Koordinate E:2645964
Koordinate N:1245396

Chronologie

Entstehungszeitraum:1905 - 1906
Grundlage Datierung:Brandkataster

Typologie

Objektart (Einzelobj./Teil Baugr./Baugr.):Teil einer Baugruppe
Weitere Teile der Baugruppe:OFE904
Nutzung (Stufe 1):Öffentliche Bauten und Anlagen
Nutzungstyp (Stufe 2):Schulhaus
Epoche / Baustil (Stufe 3):Historismus

Dokumentation

Autorschaft:Jacques Kehrer (1854-1908), Architekt, Zürich
Würdigung:1904-06 nach Plänen des Zürcher Architekten Jacques Kehrer erbautes Schulhaus, das in einer für die Entstehungszeit charakteristischen Weise als grossvolumiger Schulpalast in Erscheinung tritt. Der wuchtige, dreigeschossige Baukörper, der durch Risalite malerisch-asymmetrisch aufgebrochen und von einem Vollwalmdach mit Krüppelwalm-Quergiebeln abgeschlossen wird, steht mit seiner Formensprache zwischen dem ausklingenden Späthistorismus und dem beginnenden Heimatstil. Die im wesentlichen intakt erhaltene äussere Erscheinung, die rationelle innere Organisation mit gut belichteten, grosszügigen Schulzimmern wie auch das Zusammenspiel mit der benachbarten Turnhalle (Bauinventarobjekt OFE904) verleihen dem Gebäude einen hohen Zeugenwert für den Schulhausbau in der Zeit um 1900. Zusammen mit seinem schräg gegenüber gelegenen Vorgänger, dem Alten Schulhaus von 1832 (Bauinventarobjekt OFE903), markiert es an der Aarauerstrasse den nördlichen Auftakt zum alten Dorfkern von Oberentfelden.
Bau- und Nutzungsgeschichte:Nachdem die Platzverhältnisse im Alten Schulhaus (Bauinventarobjekt OFE903) mit dem starken Anwachsen der Einwohnerzahlen schon seit längerem eng geworden waren, fasste die Gemeinde einen Neubau ins Auge und kaufte 1903 schräg gegenüber einen Bauplatz. 1904 begann man gemäss Angabe im Brandkataster mit der Ausführung des Neubaus, der 1906 festlich eingeweiht wurde. Kurz nach Baubeginn wurde das Bauprogramm um eine Turnhalle erweitert, die bis 1908 fertiggestellt wurde (Bauinventarobjekt OFE904) [1]. Die Pläne für das Schulhaus und sicherlich auch für die Turnhalle stammten vom Zürcher Architekten Jacques Kehrer (1854-1908), der zusammen mit seinem etwas früher verstorbenen Associé Karl Knell (1853-1901) vor allem für seine zahlreichen Kirchenbauten, Schulhäuser und Villen in den Kantonen Zürich, Aargau und Glarus bekannt war [2]. Die Aufnahme des Oberentfelder Schulhauses in Henri Baudins «Constructions scolaires en Suisse», das 1907 erschienene erste Kompendium zum Thema, dokumentiert die damalige Modernität des Bauwerks [3]. Dieses war mit neun Klassenzimmern für insgesamt 540 Schüler ausgelegt, obwohl zur Bauzeit in Oberentfelden lediglich fünf Schulabteilungen bestanden und konnte so fünfzig Jahre lang den steigenden Schülerzahlen genügen.
1987 erfolgte ein Dachausbau. 1988 wurde zur Aarauerstrasse hin eine gedeckte Pausenhalle vorgebaut [4].
Beschreibung:Das Schulhaus «Dorf» steht schräg gegenüber seinem Vorgänger (Bauinventarobjekt OFE903), mit dem es an der Aarauerstrasse den nördlichen Eingang des alten Dorfkerns von Oberentfelden markiert. Es handelt sich um einen charakteristischen, grossvolumigen Schulpalast der Zeit um 1900, der in seinen Formen zwischen Späthistorismus und beginnendem Heimatstil steht. Der wuchtige dreigeschossige Baukörper ist durch Risalite nach drei Seiten in zeittypischer Weise malerisch-asymmetrisch aufgebrochen. Er trägt ein hochragendes, geknicktes Vollwalmdach, an welches die Krüppelwalmdächer der Risalite mit Querfirsten anschliessen. Über der mit Jurakalkquadern verblendeten Sockelzone sind die Oberflächen glatt verputzt. Für die mit gotisierenden Kehlprofilen ausgestatteten Fenster- und Türrahmungen verwendete man am Sockel Muschelkalk, in den Vollgeschossen Sandstein. Im übrigen wurde auf bauplastischen Schmuck in einer für die Entstehungszeit modern anmutenden Weise weitgehend verzichtet.
Die zur Aarauerstrasse gerichtete Westfassade ist mit dem überhöhten Treppenhausrisalit akzentuiert und zeigt Dreierfenster mit breiterem Mittelstück und schmaleren Seitenstücken, die Nebenräume belichten. Die nach Osten und Süden orientierten Schulzimmer besitzen paarweise, in den Risaliten zu dreien gruppierte Fensteröffnungen in dichter Reihung. Der später aufgehobene ursprüngliche Haupteingang lag im einspringenden Winkel neben dem nordseitigen Risalit und wurde von einer Freitreppe mit säulengestützter Bogenhalle erschlossen. Heute erfolgt der Zugang ausschliesslich über den Treppenhausrisalit, in dem sich ebenerdig ein Portal mit flankierenden seitlichen Lichtern öffnet. Dieses ist durch eine recht aufwendige steinerne Verdachung ausgezeichnet, die auf dreieckigen Wandvorlagen ruht. Leider wird diese schöne, aus Sandstein gefertigte Instrumentierung heute durch die Konstruktion des nachträglich angefügten gedeckten Pausenplatzes verstellt. Die Dachuntersichten sind ähnlich der Turnhalle als wuchtige Hohlkehlen ausgebildet. Das Hauptdach wie auch die Quergiebel waren ursprünglich von Firstknäufen bekrönt. Bereits zur Bauzeit waren Schleppgauben vorhanden, deren Anzahl später vermehrt wurde.
Für die Deckenkonstruktionen und das Treppenhaus des ansonsten wohl konventionell ausgeführten Gebäudes verwendete man Eisenbetonkonstruktionen «System Münch», eine frühe Betonskelettbauweise aus Trägern und eben zu verbauenden Wölbsteinen [5]. Die Grundrissorganisation zeigt auf allein drei Vollgeschossen jeweils drei Klassenzimmer an der Ostseite, die die durch einen Längsgang mit dem südwestseitigen Treppenhaus erschlossen werden. Auf der Westseite des Gangs sind zu beiden Seiten des breiteren Mittelbereichs mit den Garderoben die Toiletten angeordnet. Die südseitigen Räume neben dem Treppenhaus dienten auf den unterschiedlichen Geschossen als Bibliothek, Sitzungszimmer, Lehrerzimmer, resp. Handarbeitsraum. Das Sockelgeschoss nahm eine Schulküche sowie Duschräume auf, wie sie als damals moderne hygienische Einrichtungen in Schulhäusern allgemein propagiert wurden. Die Böden der Gänge waren mit Xylolith-Zementplatten ausgestattet, die Schulzimmer mit Parkett [6]. Das Treppenhaus zeigt sich bis heute im wesentlichen unverändert und bewahrt die alten Granitstufen sowie ein an Jugendstilformen anklingendes Schmiedeeisengeländer (Inneres gemäss Kurzinventar 1998).
Erwähnung in anderen Inventaren:- Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), regionale Bedeutung, Erhaltungsziel A.
Anmerkungen:[1] 1000 Jahre Entfelden 1965, S. 45; StAAG, Brandkataster Oberentfelden.
[2] Meyer 1973, S. 174; Baudin 1907, S. 399f. Zu Kehrer & Knell vgl. Isabelle Rucki / Dorothee Huber (Hg.), Architektenlexikon der Schweiz. 19./20. Jahrhundert, Basel 1998, S. 306f.
[3] Baudin 1907.
[4] Pläne im Baugesuchsarchiv.
[5] Baudin 1907, S. 400; zum «System Münch» vgl. Catherine Courtiau, Max Münch, architecte et ingénieur resurgit du passé, in: NIKE Bulletin, 1998, Nr. 1, S. 20f.
[6] Ursprüngliche innere Organisation und Ausstattung nach Baudin 1907, S. 400.
Literatur:- Alfred Lüthi, Ortsgeschichte Oberentfelden, Oberentfelden 1997, S. 167.
- Heinz Baumann / Walter Linder: Mer luege zrugg. Alte Fotografien von Unter- und Oberentfelden, Schöftland 1984, S. 108 (histor. Aufnahme).
- André Meyer, Neugotik und Neuromanik in der Schweiz. Die Kirchenarchitektur des 19. Jahrhunderts, Zürich 1973, S. 174 (Anhang mit Architektenbiografien).
- 1000 Jahre Entfelden, 965-1965, Ober- und Unterentfelden 1965, S. 45.
- Henri Baudin, Les constructions scolaires en Suisse : écoles enfantines, primaires, secondaires, salles de gymnastique, mobilier, hygiène, décoration, etc, Genève 1907, S. 399f.
Quellen:- Staatsarchiv Aargau (StAAG): Bezirksamt Aarau, ZwA 1936.0001/0224-0227, Brandkataster Gemeinde Oberentfelden, 1809-1849, 1875-1899; CA.0001/0024, Brandkataster Gemeinde Oberentfelden, 1899-1938.
- Gemeinde Oberentfelden, Baugesuchsarchiv: Umbauten 197/88.
- ETH-Bibliothek, Zürich, Bildarchiv: Fel_003966-RE.
- Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv.
 

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URL:http://www.ag.ch/denkmalpflege/suche/detail.aspx?ID=44478
 

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