Dokumentation |
Würdigung: | Das vermutlich 1817 errichtete Bauernhaus, in dem der bekannte Bauerndichter und Bildschnitzer Leo Schreiber (1902-1977) geboren wurde, hebt sich mit seiner eindrucksvollen dreigeschossigen Gestalt als stattlichstes Gebäude von den umgebenden Häusern am unteren Kirchrain ab. Der mächtige, als Mittertennhaus konzipierte Baukörper gliedert sich in einen gemauerten Wohnteil und einen in Mischbauweise erstellten Ökonomietrakt, geborgen unter einem steilen durchlaufenden Satteldach mit ruhiger Dachfläche. Das im Innern neu organisierte Haus bewahrt am alten Wohnteil die althergebrachte axiale Anordnung der Fenster, die teils noch mit originalen Eichengewänden, teils nach historischem Befund mit hölzernen Einfassungen und Bretterläden versehen sind. |
Bau- und Nutzungsgeschichte: | Gemäss Dorfgeschichte stammt das Bauernhaus aus dem Jahr 1817 [1]. In die Bauzeit verweisen die heute nur noch fotografisch überlieferten, kleinteilig sprossierten, barocken Kreuzstockfenster aus Eichenholz, welche sich als absolute Rarität bis zur jüngsten Sanierung vor wenigen Jahren erhalten hatten. Auch die in zeittypischer Weise mit Schablonenmotiven verzierten Kachelöfen mit Sitzkunst in den beiden Stuben, beim Umbau ebenfalls entfernt, gehörten wohl noch zur ursprünglichen Ausstattung [2]. Neben dem Wohnhaus mit zwei Stockwerkswohnungen, Scheune und Stall umfasste das Bauernhaus laut Brandkataster von 1876 einen Anbau mit Waschhaus, Schweinestall, Schopf und Gewölbekeller. Die Eindeckung bestand seit jeher aus Ziegeln. Spätestens seit 1850 teilten sich Bartholomäus und Josef Schreiber die Liegenschaft [3]. Das Bauernhaus blieb während des ganzen 20. Jh. in deren Familienbesitz und ist das Geburtshaus des Wegenstetter Bauerndichters und Bildschnitzers Leo Schreiber (1902-1977). 1986 entstand an der Stelle der rückwärtigen Laubenfront ein störender Wohnungsanbau, der bei der letzten Sanierung (Baubewilligung 2008) bis auf den Keller rückgebaut und durch einen überdachten Sitzplatz ersetzt wurde. Die ehemalige Scheune wurde zur Erweiterung des Wohnraums ausgebaut und enthält heute die Haupträume (Wohnen, Essen, Küche), während der alte Wohnteil eine durchgreifende räumliche Neuorganisation erfuhr und seither die Schlafzimmer, Nasszellen und Nebenräume aufnimmt. Bauzeitliche Ausstattungselemente wie Schüttstein, Balkendecken und Wandvertäferungen dürften sich kaum mehr erhalten haben. Das zweite Obergeschoss war ursprünglich nicht zu Wohnzwecken ausgebaut, sondern diente der Lagerung von Getreide und anderen Vorräten. |
Beschreibung: | Das schräg in die Biegung des Kirchrains gestellte Bauernhaus ist ein hochragender Vielzweckbau unter durchlaufendem geknicktem Satteldach. Der Baukörper besitzt einen dreigeschossigen Wohntrakt, wie ihn sonst nur die alten Tavernen zum Adler und zum Schlüssel aufweisen, sowie eine Ökonomie mit Tenn und aussenliegendem Stall. Der Wohnteil ist aus verputztem Mauerwerk aufgeführt und mit grosszügig bemessenen, axial angelegten Rechteckfenstern versehen, deren aus Eichenholz gearbeitete Einfassungen sich noch an der Hauptfront am Erdgeschoss erhalten haben. An der nach Südosten blickenden Stirnfront sind die Öffnungen nach lokaltypischem Muster etwas schmaler proportioniert (vgl. Bauinventarobjekte WEG926, WEG904). Die Achse mit dem Hauseingang befindet sich von den anderen beiden Achsen etwas abgerückt neben dem Tenn und setzt sich seit der letzten Renovation durch eine Holzverkleidung optisch von diesen ab. Die Fenster sind gemäss historischem Befund mit einfachen Bretterläden ausgestattet (erneuert), die von Querstangen offen gehalten werden. Über das Giebelfeld verteilen sich drei kleine rechteckige Lichter. Im Innern bewahrt das Haus die primäre Tragstruktur (Balkenlagen) samt Dachkonstruktion (Sparrendach mit gezäpften Holzverbindungen auf liegendem Stuhl und strebengestützter Firstpfette), während sich von der ursprünglichen Erschliessung (Mittelgang neben dem Tenn, einläufige Treppen) und der räumlichen Einteilung (Vorderhaus mit Stube/Nebenstube, Hinterhaus mit Küche/Kammer) wie auch von der historischen Ausstattung nichts erhalten hat [4]. Zwei übereinander liegende Fensterbänder an der ehemaligen Heubühne prägen heute neben dem hölzernen Tenntor und dem gemauerten einstigen Stallbereich die umgenutzte Scheune, die in einer Kombination von Fachwerk- und Ständerbauweise erstellt wurde. Der ebenerdige Gewölbekeller befindet sich in einem Anbau hinter der Scheune. |
Erwähnung in anderen Inventaren: | - Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS), nationale Bedeutung. |
Anmerkungen: | [1] Schreiber-Brändlin 1996, S. 111. Die Angabe beruft sich auf J. Ackermann 1934, Blatt Nr. 18. [2] Ofenkacheln mit demselben Schablonenmotiv sind vom späten 18. Jh. bis in die 1. Hälfte des 19. Jh. bekannt und werden mit der Werkstatt von Hafnermeister Wolfgang Schmid aus Gipf bei Frick in Verbindung gebracht, vgl. Bilddokumentation. [3] Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0586-0588: Brandkataster Gemeinde Wegenstetten 1850-1938. [4] Zur Ausstattung zählten neben Balkendecken und Wandvertäfelungen die vermutlich noch aus der Bauzeit des Hauses stammenden Kachelöfen mit Sitzkunst, die aus grün glasierten Schablonenkacheln aufgesetzt waren und vermutlich aus der Werkstatt von Wolfgang Schmid aus Gipf bei Frick stammten. Ausserdem war 1997 in der unteren Küche noch ein Schüttstein mit Ausguss vorhanden, vgl. Dokumentation Kurzinventar 2001. |
Literatur: | - Hans Schreiber-Brändlin, Dorfgeschichte Wegenstetten, Wegenstetten 1996, S. 48, 111 (Abb.), 131-132. - Pius Räber, Die Bauernhäuser des Kantons Aargau, Bd. 2, Baden 2002, S. 194 (Abb. 395, Kachelofen). - Kunstführer durch die Schweiz, Bd. 1, hg. v. Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte, Bern 2005, S. 162. |
Quellen: | - Staatsarchiv Aargau, CA.0001/0586-0588: Brandkataster Gemeinde Wegenstetten 1850-1938. - Kantonale Denkmalpflege Aargau: Bauernhausforschung Aargau, Kurzinventar, IX-12, 3. - J. Ackermann, Aufnahmen von älteren Häusern und Hausgruppen, 1934, Blatt Nr. 18 (Kantonale Denkmalpflege Aargau, Fotoarchiv). |
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