1. Ausgangslage und strategischer Rahmen
Ziel des Hochwassermanagements im Kanton Aargau ist die Sicherstellung des Hochwasserschutzes mit geeigneten Rückhaltemassnahmen samt daran angepasster Abflusskapazitäten bei Bächen und Flüssen (Richtplankapitel L 1.2 > Planungsgrundsatz A und Planungsanweisung 2.1). Raumplanerische Massnahmen sind ein wichtiger Teil des vorsorglichen Hochwassermanagements. Während die Flächenvorsorge darauf zielt, Bauzonen in hochwassergefährdeten Gebieten zu vermeiden, werden mit der Bauvorsorge Nutzung und Bauweise von Gebäuden hochwassergerecht festgelegt. Um die Hochwassersicherheit zu gewährleisten, sind Kanton und Gemeinden aus der Warte der Haftpflicht gehalten, die Gefahrenkarten und Massnahmenplanungen zur Vermeidung von Personen- und Sachschäden in ihrer Richt- und Nutzungsplanung umzusetzen. Die Gemeinden legen in der allgemeinen Nutzungsplanung die zum Schutz vor Naturgefahren notwendigen Bestimmungen fest (§ 13 Abs. 2ter Gesetz über Raumentwicklung und Bauwesen [BauG]). Wird die Nutzungsplanung massgeblich geändert (Einzonungen, Umlagerung von Bauzonen, Auf- und Umzonungen mit Änderung der zulässigen Nutzungen), so ist die Gefährdungssituation jeweils eingehend zu prüfen. Mit der Umsetzung des Gewässerraums wird ebenfalls ein wichtiger Beitrag zum Schutz vor Hochwasser geleistet (siehe Modul Gewässerraum).
2. Handlungsspielräume für Gemeinden
Der Schutz vor Hochwasser und Oberflächenabfluss ist in § 36c Bauverordnung (BauV) in allgemeiner Weise ausgehend von den bestehenden Fachplanungen geregelt. Wo notwendig, ist dieser durch die Gemeinden in ihrer allgemeinen Nutzungsplanung räumlich und inhaltlich zu konkretisieren. Grundlage für die Analyse der Gefährdungssituation durch Hochwasser und durch Oberflächenabfluss bildet dabei das Dossier Gefahrenkarte Hochwasser (Gefahren-, Fliesstiefen- und Schutzdefizitkarten sowie der zugehörige Technische Bericht) sowie die Gefährdungskarte Oberflächenabfluss. Die Umsetzung erfolgt im Bauzonenplan und Kulturlandplan auf unterschiedliche Weise:
2.1 Umsetzung der Gefahrenkarte Hochwasser im Bauzonenplan
Die Gefahrenkarte Hochwasser (Fachplanung) ist grundsätzlich nach dem Vorschriftenmodell in der allgemeinen Nutzungsplanung umzusetzen. Das Modell definiert, in welchen Gebieten welche Nutzungen mit Blick auf die konkrete Gefährdungssituation zulässig sind. Die Gebiete mit einem Hochwasserschutzdefizit werden dazu im Bauzonenplan mittels Hochwassergefahrenzonen 1–3 (HWZ 1–3) als überlagerte Schutzzonen im Genehmigungsinhalt festgelegt. Dabei wird den einzelnen Gefahrenstufen und Fliesstiefen entsprechend Rechnung getragen. Die einschlägigen Bestimmungen der HWZ sind in der Bau- und Nutzungsordnung (BNO) auszuführen (vgl. 3.1 Umsetzungsbeispiele für die BNO).
Gebiete, welche beim HQ₃₀₀ (300-jährliches Hochwasserereignis) mit Fliesstiefen bis zu 0.5 m oder beim EHQ (Extremes Hochwasserereignis mit einer Jährlichkeit grösser als 300 Jahre) betroffen sind, weisen gemäss Schutzzielmatrix kein Schutzdefizit auf. Sie werden übergeordnet mit § 36c BauV geregelt. Diese Gebiete sind nicht im Bauzonenplan darzustellen und es wird keine zusätzliche BNO-Bestimmung benötigt.
Führen aktuell laufende wasserbauliche Massnahmen in den nächsten fünf Jahren zu einer Veränderung der Gefahrensituation, so wird der Hochwasserschutz durch § 36c BauV übergeordnet geregelt und es ist keine eigene BNO-Bestimmung nötig. Die Gefahrenkarte Hochwasser (Fachplanung) zeigt die Gefahrengebiete und ihre Gefahrenstufen und muss nicht in den Orientierungsinhalt übernommen werden. Die Veränderungen aufgrund der wasserbaulichen Massnahmen sind im Planungsbericht jedoch zu erläutern und die Anwendung von § 36c BauV ist darzulegen.
2.2 Umsetzung der Gefahren- und Gefahrenhinweiskarte Hochwasser im Kulturlandplan
Die Freihaltegebiete Hochwasser sind im Richtplankapitel L 1.2 festgesetzt. Das Freihaltegebiet Hochwasser umfasst alle Gebiete ausserhalb der Bauzonen, die gemäss Gefahrenkarte beziehungsweise Gefahrenhinweiskarte Hochwasser überschwemmt werden können, oder deren Überschwemmung dazu dient, Hochwasserschäden zu mindern. Ist das Freihaltegebiet Hochwasser von übergeordneter Bedeutung (Gebiete für Überschwemmungen entlang von Flüssen und Haupttalbächen, Retentionsflächen, Abflusskorridore, etc.) ist die Festlegung einer überlagerten Schutzzone (Freihaltezone Hochwasser) im Kulturlandplan im Genehmigungsinhalt zwingend (vgl. 3.1 Umsetzungsbeispiele für die BNO). Bei Fragen zur Abgrenzung der Freihaltezone Hochwasser gibt die Sektion Wasserbau, Bereich Gefahrenkarte Hochwasser gerne Auskunft. Der entsprechende GIS-Layer kann bei Bedarf bezogen werden.
Freihaltegebiete ohne übergeordnete Bedeutung sind durch § 36c BauV übergeordnet geregelt und müssen weder im Kulturlandplan noch in der BNO umgesetzt werden.
2.3 Oberflächenabfluss
Der Oberflächenabfluss ist der Anteil des Niederschlags, der bei besonders starken oder langandauernden Regenfällen nach dem Auftreffen auf den Boden unmittelbar auf der Geländeoberfläche abfliesst. Oberflächenabfluss sammelt sich oft entlang von Strassen und kann lokal heftige Überschwemmungen verursachen.
Zur Beurteilung der Gefährdungssituation durch Oberflächenabfluss dient die Gefährdungskarte Oberflächenabfluss des Bundesamts für Umwelt (BAFU). Die Gefährdungskarte Oberflächenabfluss ist eine fachtechnische Grundlage. Sie hat ausschliesslich hinweisenden Charakter und ist rechtlich nicht verbindlich.
Der generelle Schutz vor Oberflächenabfluss wird mit § 36c BauV übergeordnet abschliessend geregelt. Die vom Oberflächenabfluss betroffenen Gebiete sind somit nicht im Bauzonenplan darzustellen und es wird keine zusätzliche BNO-Bestimmung benötigt.
3. Planungsinstrumente
Die zentrale Planungsgrundlage für die Analyse der Gefährdungssituation durch Hochwasser bildet das AGIS-Geoportal mit Gefahren-, Fliesstiefen- und Schutzdefizitkarten sowie Gefahrenhinweiskarte Hochwasser (Fachplanung). Hilfestellung zur Anwendung der Karten, die technischen Berichte und Massnahmenplanungen sowie weitere nützliche Unterlagen sind auf der Webseite Gefahrenkarte Hochwasser zu finden.
Eine detaillierte Anweisung zur Umsetzung der Gefahrenkarte Hochwasser im Bauzonenplan enthält das Merkblatt Umsetzung der Gefahrenkarte in der Nutzungsplanung (in Überarbeitung). Das Merkblatt Hochwasserschutz ausserhalb des Siedlungsgebiets: Freihaltegebiet Hochwasser (in Überarbeitung) bietet eine Hilfestellung für die Umsetzung der Gefahren- und Gefahrenhinweiskarte Hochwasser im Kulturlandplan und für das Baubewilligungsverfahren.
Potenziell durch Oberflächenabfluss gefährdete Gebiete zeigt die Gefährdungskarte Oberflächenabfluss des BAFU. Die Dokumentation von Gebäuden mit Überschwemmungsschäden ist auf der Gefährdungsübersicht der AGV (Aargauische Gebäudeversicherung) verfügbar.
3.1 Umsetzungsbeispiele für die BNO