W5 Arbeitsmarkt
Der wirtschaftliche Aufschwung nach der Covid-19-Pandemie hat zur Erholung auf dem Arbeitsmarkt geführt. Gleichzeitig ist auch der Fachkräftemangel stärker spürbar. Die Erwerbsquote der Frauen im Kanton Aargau liegt knapp über dem schweizerischen Durchschnitt, aber das Arbeitskräftepotenzial der Frauen kann weiterhin besser ausgeschöpft werden.
Ein funktionierender Arbeitsmarkt ist Voraussetzung damit eine Volkswirtschaft wachsen und der Wohlstand erhalten werden kann. Bezahlte Arbeit sichert nicht nur die wirtschaftliche Existenz, sondern ist im schweizerischen Kulturkreis darüber hinaus identitätsstiftend.
Die Schaffung produktiver Arbeitsplätze einerseits und die Verfügbarkeit von Arbeitskräften mit passenden Qualifikationen andererseits sind zentrale Bedingungen für einen funktionierenden Arbeitsmarkt. Das Arbeitskräftepotenzial soll, unter Einhaltung der Sozialstandards, bestmöglich ausgeschöpft werden.
Indikatoren: Arbeitslosenquote und Nettoerwerbsquote
Der Arbeitsmarkt kann mittels Arbeitslosenquote und Erwerbsquote beschrieben werden. Der Anteil der Arbeitslosen soll tief, der Anteil der erwerbstätigen 15- bis 64-jährigen Bevölkerung soll hoch sein. Zur besseren Ausschöpfung des Arbeitskräftepotenzials soll mitunter die Erwerbsquote der Frauen steigen.
Die Arbeitslosenquote zeigt den Anteil der Arbeitslosen an den 15- bis 64-jährigen Erwerbspersonen, die bei den regionalen Arbeitsvermittlungszentralen registriert und sofort vermittelbar sind.
Arbeitslosenquote, Aargau und Schweiz, 2000 - 2023
langfristig (seit 2000) | negativ |
kurzfristig (seit 2020) | positiv |
Die Nettoerwerbsquote nach Geschlecht weist den Anteil der 15- bis 64-jährigen Erwerbspersonen an der gleichaltrigen Bevölkerung nach Geschlecht aus
Nettoerwerbsquote nach Geschlecht, Aargau, 2010 - 2022
langfristig (seit 2010) | unverändert |
kurzfristig (seit 2020) | unverändert |
Stand 2024
Aufschwung nach der Covid-19-Pandemie und Fachkräftemangel
Der Ausbruch der Covid-19-Pandemie im Jahr 2020 führte unmittelbar zu einem raschen und deutlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Die Arbeitslosenquote stieg im Kanton Aargau auf 3,4 % im Jahr 2021 (Jahresdurchschnitt) und die Zahl der als arbeitslos gemeldeten Personen erreichte mit 12'993 den höchsten Stand seit 2009. Währenddessen blieb die Zahl der offenen Stellen 2020 im Vergleich zum Vorjahr stabil und stieg ab 2021 bereits wieder stark an (SECO 2024b). Dennoch konnten in der Schweiz und im Kanton Aargau die Effekte der Covid-19-Pandemie auf den Arbeitsmarkt, wie der Rückgang der Beschäftigung und die Veränderung der Arbeitsmarktpartizipation, durch Stabilisierungsmassnahmen – allen voran die Kurzarbeitsentschädigung – aufgefangen werden und waren dementsprechend nicht höher als im internationalen Vergleich (SECO 2021).
Zwischen 2021 und 2023 erholte sich der Arbeitsmarkt wieder und es kam zu einer deutlichen Verbesserung der Lage. Die Arbeitslosenquote sank sogar unter das Niveau vor der Covid-19-Pandemie (2023: 2,2 %) und die durchschnittliche Zahl der arbeitslos gemeldeten Personen war die niedrigste seit 2002 (2023: 8'437). Jedoch blieb die Arbeitslosenquote im Kanton Aargau seit 2018 leicht über derjenigen des schweizerischen Durchschnitts (2023: 2 %). Die wirtschaftliche Erholung trug nach der Covid-19-Pandemie ausserdem zu einem starken Anstieg der offenen Stellen bei. Die Anzahl gemeldeter offener Stellen hat sich im Kanton Aargau von 2'803 Stellen im Jahr 2019 auf 4'425 im Jahr 2023 erhöht (SECO 2024b).
Durch die tiefe Anzahl der Stellensuchenden und die vielen offenen Stellen offenbart sich allerdings ein Mangel an geeigneten Arbeitskräften in zahlreichen Branchen. Die alternde Bevölkerung und der technologische Wandel wirken verschärfend auf die Problematik. In der Nordwestschweiz stieg zwischen 2020 und 2023 der Fachkräftemangelindex von Adecco um 67 %. Dennoch bleibt der Fachkräftemangel weniger ausgeprägt im Vergleich mit dem Schweizer Mittel. Laut Adecco sind der Gesundheitssektor und die technischen Berufe am stärksten betroffen, gemäss dem BSS-Fachkräfteindex der Informations- und Kommunikationssektor sowie das Gastgewerbe (Adecco 2023, BSS 2023).
Die Verbesserung der Integration der Frauen in den Arbeitsmarkt war in der Legislaturperiode 2019−2023 für den Bundesrat ein zentrales Anliegen. Neben der Sicherung der Konkurrenzfähigkeit von älteren Arbeitskräften ist die Erwerbsquote der Frauen der wichtigste Indikator, im Hinblick auf eine bessere Ausschöpfung des inländischen Arbeitskräftepotenzials (BFS 2023a, BFS 2023b). Im Kanton Aargau liegt die Nettoerwerbsquote der Frauen deutlich unter derjenigen der Männer. Der Unterschied zwischen den beiden Geschlechtern hat sich seit 2010 nur geringfügig geändert. Die Quote der Frauen lag 2022 10,4 % unter der Quote der Männer (BFS 2024a). Mit 77,3 % erreichte die Quote im Jahr 2016 ihren Höchststand. Seither ist sie leicht rückläufig und erreichte im Jahr 2022 75,9 %. Auch die Quote der Männer zeigte sich in derselben Periode leicht rückläufig. Die Erwerbsquoten beider Geschlechter sind im Kanton Aargau leicht höher als im schweizerischen Durchschnitt.
Der Anteil der Teilzeitarbeitenden betrug 2022 im Kanton Aargau ca. 31 % und entspricht somit dem schweizerischen Mittelwert von ca. 32 % (BFS 2024b). Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten in der Schweiz ist im europäischen Vergleich überdurchschnittlich hoch (UZH 2022). Gleichzeitig liegt die durchschnittliche tatsächliche Wochenarbeitszeit in der Schweiz von 36 Stunden im europäischen Durchschnitt (2022: 37,5 Stunden), da sich die Teilzeitarbeitenden mit den hohen Wochenarbeitszeiten der Vollzeitarbeitenden ausgleichen (Eurostat 2023).
Herausforderungen
- Dem digitalen Strukturwandel werden Stellen zum Opfer fallen, gleichzeitig entstehen auch neue Berufe (AMOSA 2023). Über eine gezielte Nutzung der Chancen der sich laufend entwickelnden Digitalisierung kann zudem die Konkurrenzfähigkeit der Unternehmen gestärkt werden.
- Teilzeitarbeit nimmt weiter zu. Für die Unternehmen erfordert dies einen höheren Kontroll- und Koordinationsaufwand, und kann Risiken für Arbeitnehmende bergen. Zum Beispiel kann es ein Karrierehindernis sein und mit tieferen Renten im späteren Leben einhergehen (UZH 2022).
- Atypische oder prekäre Arbeitsverhältnisse wie befristete Stellen, Arbeit auf Abruf oder Temporärarbeit nehmen zu. Sie bringen dem Unternehmen eine zusätzliche Flexibilität. Demgegenüber kann die Unsicherheit mit dem Job für Arbeitnehmende zu Stresssymptomen führen (BFS 2023c).
- Die sich rasant ändernde Arbeitswelt fordert von den Erwerbstätigen Weiterbildung und lebenslanges Lernen, damit sie auf Veränderungen reagieren können sowie auch von der Seite der Branchen und Arbeitgebern Förderung von beruflicher Mobilität und Quereinstiegen (AMOSA 2023).
- Mit der anstehenden Pensionierungswelle der "Babyboomergeneration" scheiden mehr Personen aus dem Erwerbsleben aus, als neue Arbeitskräfte eintreten. Der Verlust an Arbeitskräften kann je nach Attraktivität von Branche und Betrieb zu einem Mangel an Arbeitskräften führen, aber auch Effizienzsteigerungsmassnahmen oder die Automatisierung verstärken.
- Die Aktivierung des im Kanton Aargau grossen Potenzials an hochqualifizierten Fachkräften, die dem Arbeitsmarkt aktuell nicht oder nicht Vollzeit zur Verfügung stehen, stellt eine Herausforderung dar. Insbesondere ältere Arbeitnehmende, Frauen mit und ohne Migrationshintergrund und Schutzsuchende haben ein Potenzial zur höheren Arbeitsmarktbeteiligung (EJPD 2024). Neue Arbeitsmodelle (siehe zweite Herausforderung) können hier einen Beitrag leisten, insbesondere mit Blick auf die Vereinbarkeit von Familie, Aus- und Weiterbildungen oder gesundheitlichen Problemen und Beruf.
- Die zunehmende Bedeutung von Zuwanderung für die Deckung des Arbeitskräftebedarfs in der Schweiz und im Kanton Aargau, ist unbestreitbar. Gleichzeitig bleibt dieses Thema umstritten und von politischen Spannungen geprägt.
Verweise
Für das Thema "Arbeitsmarkt" relevantes SDG der Agenda 2030
Das Thema "Arbeitsmarkt" ist Teil vom Nachhaltigkeitsbericht des Kantons Aargau:
Quellen
Mitarbeit | |
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Referenzen |
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