W7 Kreislaufwirtschaft
Mit den gegenwärtigen Konsum- und Produktionsmustern schweizweit bräuchte es nach wie vor fast drei Erden. Die Kreislaufwirtschaft steht im Gegensatz zur linearen Wegwerfwirtschaft und befindet sich trotz steigender Abfallrückgewinnung und sinkender Materialintensität noch in den Anfangsstufen.
Die Kreislaufwirtschaft bedingt einen schonenden Einsatz von Rohstoffen für die Produktion und den Gebrauch von Materialien, Gütern und Dienstleistungen. Die Verbesserung der Abfallrückgewinnung und Materialintensität ist dabei ein zentrales Element einer Wirtschaft, welche die planetaren Belastbarkeitsgrenzen berücksichtigt.
Der für die wirtschaftliche Produktion notwendige Verbrauch von Materialien verursacht negative ökologische Auswirkungen. Entsprechend sollen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit vom Materialverbrauch entkoppelt, Ressourcen geschont und Stoffkreisläufe geschlossen werden. Dies bedingt neben einer optimalen Gestaltung von Produktionsprozessen und Produkten etwa auch eine Internalisierung externer Kosten. Zudem muss die gängige Denk- und Handlungsweise hinsichtlich Konsums und Wohlstands neu ausgerichtet werden.
Indikatoren: Kreislaufwirtschaft und Materialintensität
Die Kreislauf-Materialnutzungsquote wird anhand des Anteils der Abfallrückgewinnung am gesamten Materialverbrauch in der Schweiz gemessen. Die Materialintensität zeigt den Rohstoffverbrauch im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt. Die kreislauffähige Materialnutzung soll steigen und der Rohstoffverbrauch soll sinken.
Der Indikator zeigt den Anteil der Abfallrückgewinnung am gesamten Materialverbrauch.
Kreislauf-Materialnutzungsquote, Schweiz, 2000 - 2022
langfristig (seit 2000) | positiv |
kurzfristig (seit 2020) | negativ |
Der Indikator zeigt den inländischen Rohstoffverbrauch (Raw Material Consumption, RMC) im Verhältnis zum BIP, beziehungsweise die Rohstoffmenge, die pro volkswirtschaftlich erwirtschafteten Franken verbraucht wird. Der inländische Rohstoffverbrauch oder "materielle Fussabdruck" basiert auf Modellierungen und entspricht der Gesamtmenge der in der Schweiz und im Ausland gewonnenen Rohstoffe zur Deckung der Endnachfrage nach Gütern und Dienstleistungen der Schweiz.
Materialintensität, Schweiz, 2000 - 2022
langfristig (seit 2010) | positiv |
kurzfristig (seit 2020) | positiv |
Stand 2024
Positive Entwicklung beim Materialverbrauch – trotzdem sind zur Deckung des Schweizer Konsums immer noch drei Erden nötig
Bedeutsam für den Ressourcenverbrauch insgesamt ist, dass viele Stoffkreisläufe nicht geschlossen sind und Rohstoffe sowie Produkte nicht nachhaltig genutzt werden. Mit ihren gegenwärtigen Konsum- und Produktionsmustern nutzt die Schweiz die natürlichen Ressourcen in einem Ausmass, das die Regenerationsfähigkeit und die Belastungsgrenzen der Erde übersteigt. 2024 hat die Schweiz bereits am 27. Mai die erneuerbaren Ressourcen der Natur aufgebraucht (Myclimate 2024). Oder, anders ausgedrückt, bräuchte die Schweiz fast drei Erden, um den Schweizer Konsum zu ermöglichen.
Der Rohstoffverbrauch im Verhältnis zum BIP ist weiterhin leicht rückläufig: Der inländische Rohstoffverbrauch, der allen in der Schweiz und im Ausland gewonnenen Rohstoffen zur Deckung der Endnachfrage nach Gütern und Dienstleistungen der Schweiz entspricht, nahm pro volkswirtschaftlich erwirtschafteten Franken ab von 0,25 kg im Jahr 2011 auf 0,19 kg im Jahr 2022. Dies entspricht einer Reduktion von 24 % (BFS 2024b), was auf eine mögliche Entkoppelung des Wirtschaftswachstums und des Rohstoffverbrauchs hindeutet.
Nur ca. 7 % der verwendeten Rohstoffe stammen in der Schweiz aus sekundären Quellen wie dem Recycling, was eine Zirkularitäts-Lücke von über 93 % hinterlässt. Eine starke Kreislaufwirtschaft und die Implementierung von geeigneten Massnahmen hat in der Schweiz das Potenzial den Materialverbrauch um 33 % und die CO2-Emissionen um 43 % zu reduzieren (Circular Economy Switzerland und Deloitte Schweiz 2023). Selbst wenn sämtliche Abfälle wiederverwertet werden könnten, würde damit lediglich etwa ein Fünftel des aktuellen Materialbedarfs gedeckt.
Seit 2000 ist die Kreislauf-Materialnutzungsquote angestiegen und betrug im Jahr 2022 rund 14 % (BFS 2024a). Mit 70 % machten Mineralien den höchsten Anteil am rückgewonnenen Material aus. 17 % entfielen auf Biomasse, 11 % auf Metalle und 2 % auf fossile Energieträger. Bei den rezyklierten Mineralien handelt es sich in erster Linie um Materialien aus Bauschutt, die beispielsweise einen Teil des für die Betonproduktion benötigten Sands ersetzen können. Biomasse wird hauptsächlich durch die Sammlung von Papier, natürlichen Textilien und biogenen Abfällen (Kompost, Klärschlamm) wiederverwertet. Als Nahrungsmittel oder Energieträger (Feuerholz) genutzte Biomasse eignet sich hingegen kaum für Recycling. Metalle werden seit Langem gesammelt und rezykliert und können meist fortlaufend und mit wenig Materialverlust in den Wirtschaftskreislauf zurückgeführt werden. Im Gegensatz dazu sind fossile Produkte schlecht rezyklierbar (es sei denn, sie werden für die Herstellung von Kunststoffen verwendet), da sie hauptsächlich als Energieträger genutzt und durch Verbrennung als Emissionen in die Luft gelangen.
Für Aargauer Unternehmen bieten Ressourceneffizienz und Klimaschutz eine grosse wirtschaftliche Chance. Mit seinem starken industriellen Sektor hat der Kanton Aargau grosses Potenzial. Eine 2023 durchgeführte Stofffluss-basierte Potenzialanalyse hat Potenziale und Massnahmen im Kanton Aargau identifiziert, um Stoffkreisläufe zu schliessen wie auch Treibhausgasemissionen zu senken (FHNW 2023).
Herausforderungen
- Mit der Digitalisierung und anderen technologischen Innovationen sind grosse Potenziale für die Energie- und Ressourceneffizienz verbunden. Digitalisierung kann insbesondere zur Transparenz beitragen und die Logistik vereinfachen. Allerdings muss der hohe Energieverbrauch im Zusammenhang mit der Digitalisierung beachtet werden.
- Da die meisten in der Schweiz konsumierten und verwendeten Produkte und Rohstoffe importiert werden, entsteht ein immer grösserer Anteil der Umweltbelastung durch den Schweizer Konsum ausserhalb der Landesgrenzen. Kritische Rohstoffe, wie zum Beispiel Kupfer, Lithium und Nickel, werden in immer grösseren Mengen benötigt und gehen mit einer erheblichen Umweltbelastung einher.
- Als Exportland sind die nachgelagerten Umweltauswirkungen für die Schweiz sehr bedeutend und erschweren es somit, Kreisläufe vollständig zu schliessen.
- Das Risiko, dass Effizienzsteigerungen durch Mehrkonsum zunichtegemacht werden (Rebound-Effekte) gilt es zu minimieren. Suffiziente Verhaltensweisen, die auf eine Verringerung des Pro-Kopf-Verbrauchs von Material- und Energiemengen zielen, treten nur sehr langsam und punktuell in Erscheinung.
- Prinzipien der Kreislaufwirtschaft stellen Unternehmen vor neue Herausforderungen, da neue Geschäftsmodelle entwickelt werden müssen, womit auch neue Partnerschaften und Angebote einhergehen. Unter anderem ist das Thema Rückwärtslogistik eine Herausforderung und die Gesetzgebung dazu fehlt noch. Somit können sich kreislauffähige Business Modelle nicht grossflächig durchsetzen.
- Kreislaufwirtschaftsprinzipien sind nur dann sinnvoll, wenn sowohl ökologische als auch ökonomische Verbesserungen erzielt werden. Dafür ist eine ganzheitliche Betrachtung notwendig und im Sinne einer Gesamtökobilanz muss der ganze Lebenszyklus der Materialien sowie alle Energieflüsse einbezogen werden.
Spotlight Klima
Der Klimawandel ist eine der wichtigsten Herausforderungen, welche ein nachhaltiges Handeln erfordern. Die Spotlights-Klima beleuchten ausgewählte Massnahmen im Zusammenhang mit dem Klimawandel aus Sicht der kantonalen Verwaltung.
Weitere Informationen zum Klimawandel
Circular Argovia: durch ein Massnahmenprogramm die Kreislaufwirtschaft in Unternehmen fördern
"Circular Argovia" wird vom Hightech Zentrum Aargau angeboten. Der Kanton unterstützt dabei drei bis vier Pilotprojekte im Bereich der Kreislaufwirtschaft mit finanziellen Mitteln. Dank den unterschiedlichen Modulen dieses Programms können Firmen dort abgeholt werden, wo sie gerade stehen. Dieses Projekt ist eine Massnahme aus dem Entwicklungsschwerpunkt Förderung ressourcenschonender Innovationen. Durch die Anschubfinanzierung für Pilotprojekte wird eine wichtige Lücke in der Förderlandschaft geschlossen, da sie den Fokus primär auf die Kreislauffähigkeit sowie die daraus entstehenden ökologischen Impacts setzt. Innovationsgrad oder kurzfristige Wachstumszahlen kommen erst in zweiter Linie.
Verweise
Für das Thema "Kreislaufwirtschaft" relevante SDGs der Agenda 2030
- SDG 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
- SDG 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur
- SDG 12: Verantwortungsvoller Konsum und Produktion
Das Thema "Kreislaufwirtschaft" ist Teil vom Nachhaltigkeitsbericht des Kantons Aargau:
Quellen
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