1. Ausgangslage und strategischer Rahmen
Die Biodiversität nimmt schweizweit ab. Jeder zweite natürliche Lebensraum und jede dritte einheimische Art sind heute gefährdet. Es sind auch im Aargau grosse Anstrengungen notwendig, damit die Artenvielfalt langfristig erhalten werden kann. Gemäss dem Bundesgesetz über den Natur- und Heimatschutz (NHG) ist dem Aussterben einheimischer Tier- und Pflanzenarten durch die Erhaltung genügend grosser Lebensräume (Biotope) und andere geeignete Massnahmen entgegenzuwirken (Art. 18 NHG). Kanton und Gemeinden sorgen für einen angemessenen Schutz der Naturschutzgebiete von nationaler und kantonaler Bedeutung (Richtplankapitel L 2.5). Dabei sind auch ökologisch ausreichende Pufferzonen festzulegen. Als Hotspots des Artenschutzes erfahren die Auenschutzgebiete in einem gewässerreichen Kanton besonderen Schutz (Richtplankapitel L 2.2). Zur gezielten Förderung einheimischer Tier- und Pflanzenarten und der notwendigen naturnahen Lebensräume im Kulturland dienen die Beitrags- und Aufwertungsgebiete (Richtplankapitel L 3.4). Die Förderung der Biodiversität ergibt sich zudem aus dem Auftrag zur Verbesserung der Qualität der Aussen- und Naherholungsräume von Siedlungen nach § 4 Abs. 1 lit. d Bauverordnung (BauV; siehe Modul Siedlungsqualität). Kanton und Gemeinde sorgen darüber hinaus für den ökologischen Ausgleich in intensiv genutzten Gebieten inner- und ausserhalb von Bauzonen (Art. 18b NHG und §§ 13 ff. Verordnung über den Schutz der einheimischen Pflanzen- und Tierwelt und ihrer Lebensräume [Naturschutzverordnung]).
In umweltAARGAU ist die strategische Ausrichtung zum Schutz und zur Entwicklung der Umwelt im Kanton Aargau mittels fünf Stossrichtungen und den zugehörigen Zielen festgelegt. Dies beinhaltet für den Themenbereich Natur und Landschaft diverse relevante Ziele zur Umsetzung in der allgemeinen Nutzungsplanung.
Der Kanton Aargau besitzt mit dem Jurapark einen regionalen Naturpark und damit einen Park von nationaler Bedeutung. Schutz und Nutzung sind in Art. 23e ff. NHG und mit der Verordnung über die Pärke von nationaler Bedeutung (PäV) geregelt (siehe Modul Landschaft und Landschaftsschutz).
2. Handlungsspielräume für Gemeinden
Der Schutz der Lebensräume für schutzwürdige Tiere und Pflanzen erfolgt durch Schutzzonen oder andere geeignete Massnahmen (Art. 17 Bundesgesetz über die Raumplanung [RPG] beziehungsweise §§ 15 Abs. 2 lit. e und 40 Abs. 3 Gesetz über Raumentwicklung und Bauwesen [BauG]). Für geschützte Biotope und weitere besonders schützenswerte Lebensräume einheimischer Pflanzen und Tiere sind grundeigentümerverbindliche Schutzzonen und -vorschriften vorzusehen (§§ 4, 7 und 8 des Dekrets über den Natur- und Landschaftsschutz [NLD]). Dazu gehören die im kantonalen Richtplan festgesetzten Naturschutzgebiete und Auengebiete sowie weitere Biotope und Einzelelemente, deren Schutzwürdigkeit mit Inventaren (§ 6 NLD) oder dem Vorkommen geschützter oder gefährdeter Pflanzen- und Tierarten (Art. 18 NHG in Verbindung mit Art. 14 Abs. 3 Verordnung über den Natur- und Heimatschutz [NHV]) belegt ist.
Die Gemeinden sind im Bereich des Natur-, Landschaft- und Heimatschutzes insbesondere verpflichtet, bei der Erfüllung raumwirksamer Aufgaben die behördenverbindlichen Inventare von Biotopen von nationaler Bedeutung (Art. 18a NHG) zu berücksichtigen. Diese stellen zusammen mit den zugehörigen speziellen Verordnungen, welche die ungeschmälerte Erhaltung spezifizieren, eine wichtige Grundlage dar.
Biotope von nationaler Bedeutung nach Art. 18a NHG
Im Bereich der Biotope von nationaler Bedeutung bestehen Biotop-Inventare für die Lebensräume Hoch- und Übergangsmoore (2 im Aargau), Flachmoore (26 im Aargau), Trockenwiesen und -weiden (115 im Aargau), Amphibienlaichgebiete (128 im Aargau) und Auengebiete (15 im Aargau). Sie sind in Art. 18a NHG sowie den dazugehörigen bundesrechtlichen Verordnungen geregelt. Für Planungen und Vorhaben, die solche Biotope von nationaler Bedeutung betreffen, gilt die Anhörungs- und Meldepflicht gemäss Art. 17 Abs. 1 NHV (im Vorprüfungsverfahren) beziehungsweise Art. 27 Abs. 2 lit. f NHV (nach der Genehmigung). Die Biotope von nationaler Bedeutung sind zwar grösstenteils in die Naturschutzgebiete von kantonaler Bedeutung (NkB) beziehungsweise im Auenschutzpark integriert. Zur umfassenden Umsetzung der Biotope sind aber jedenfalls die Biotop-Inventare des Bundes heranzuziehen.
2.2 Dekretsgebiete (kantonale Nutzungspläne)
Zum Schutz der acht Dekretsgebiete bestehen kantonale Nutzungspläne. Perimeter und Dekretsbestimmungen sind von den Gemeinden in ihren allgemeinen Nutzungsplanungen zwingend zu übernehmen. Die Gemeinden können die kantonalen Bestimmungen verschärfen.
2.3 Naturschutzzonen
Die Gemeinden stellen den grundeigentümerverbindlichen Schutz der im kantonalen Richtplan in den NkB (Richtplankapitel L 2.5) und Auen (Richtplankapitel L 2.2) zusammengefassten besonders schützenswerten Biotope von kantonaler und nationaler Bedeutung sicher. Idealerweise wird dies mit einer Naturschutzzone (Grundnutzungszone) umgesetzt. Die Gemeinden können – gestützt auf ein aktuelles kommunales Natur- und Landschaftsschutzinventar – weitere Gebiete oder Objekte von lokaler Bedeutung unter Schutz stellen. Den Gemeinden obliegt es, die Qualität auch längerfristig zu erhalten oder zu verbessern (§ 11 NLD). Die Schutzvorschriften sind auf bestehende Pflege- oder Bewirtschaftungsverträge abzustimmen. Für die nach unterschiedlichen Lebensraumtypen gegliederten Naturschutzzonen sind Schutzziele und Bewirtschaftungsbestimmungen zu formulieren (vgl. 3.1 Umsetzungsbeispiele für die BNO). Massgebend bei der Formulierung sind die präzise Umschreibung des Zonenzwecks und die Berücksichtigung der gebietsspezifischen Verhältnisse. Es wird empfohlen, die Schutzinhalte der allgemeinen Nutzungsplanung gestützt auf ein aktuelles kommunales Natur- und Landschaftsinventar zu überprüfen und anzupassen. Zum langfristigen Erhalt oder zur Aufwertung der Naturschutzgebiete sind periodisch aktualisierte Pflegekonzepte oder Unterhaltspläne ein geeignetes Hilfsmittel.
Die Umsetzung der Naturschutzgebiete von kantonaler Bedeutung im Wald (NkBW) gemäss Richtplankapitel L 4.1 ist im Modul Wald beschrieben.
Nicht im Kulturlandplan umzusetzen sind weitere ökologische Ausgleichsflächen, die im Rahmen des ökologischen Leistungsnachweises (gemäss Direktzahlungsverordnung des Bundes) oder mittels Vereinbarungen (gemäss § 14 NLD) angelegt wurden. In begründeten Fällen und wenn das Einverständnis der Grundeigentümerschaft vorliegt, können diese Objekte mittels Kulturlandplan unter Schutz gestellt werden.
2.4 Naturobjekte
Naturobjekte umfassen alle als Lebensraum und Vernetzungselement oder landschaftlich wertvollen Objekte innerhalb und ausserhalb der Bauzonen wie Hecken, Ufergehölze, Waldränder, Einzelbäume, Baumreihen, Alleen, Hochstammobstbestände oder Weiher/Feuchtstellen (vgl. 3.1 Umsetzungsbeispiele für die BNO). Die Gemeinden können weitere punktuelle oder lineare Naturobjekte wie geologische Objekte, Trockenmauern oder landschaftlich besondere Aussichtspunkte unter Schutz zu stellen. Als Grundlage für die Umsetzung der Naturobjekte in der Nutzungsplanung (inner- und ausserhalb der Bauzonen) empfiehlt sich eine umfassende Inventarisierung auf Stufe Gemeinde, die periodisch nachgeführt werden kann. Damit kann sichergestellt werden, dass alle gemäss Art. 18 NHG zu schützenden Naturobjekte und Lebensräume erfasst werden und keine unschönen Überraschungen im Baubewilligungsverfahren auftreten (Art. 18 Abs. 1ter NHG). Denn aus rechtlicher Sicht ist zu beachten, dass Objekte (beispielsweise innerhalb der Bauzonen), die Biotopqualität aufweisen, gestützt auf NHG geschützt sind, wenn keine belastbare Interessenabwägung im Rahmen der Nutzungsplanung erfolgt ist (fehlende Planungssicherheit).
Bei der Einführung der statischen Waldgrenzen im Kulturland per 2019 sind einige ehemals als Wald bezeichnete Standorte (Kleinwäldchen) ausserhalb Siedlungsgebiet nicht mehr als Wald klassiert worden. Diese Objekte können jedoch als wertvolle ökologische Strukturen gelten. Sie sind daher gestützt auf Art. 14 Abs. 6 NHV auf ihre ökologischen Qualitäten als zu schützende Biotope zu überprüfen und gegebenenfalls als Naturobjekte (Hecken oder Feldgehölze) zu schützen.
2.5 Weitere Schutzzonen
Die Gemeinden können weitere Zonen zum Schutz der Natur vorsehen, allenfalls in Verbindung mit einer speziellen Neben-, Vor- oder Nachnutzung (zum Beispiel bei Steinbrüchen, Kiesausbeutung, Fischerei, Erholung etc.). Im Weiteren können die Gemeinden Flächen für Aufwertungsmassnahmen bezeichnen sowie Zonen vorsehen, die für den ökologischen Ausgleich bestimmt sind.
2.6 Ökologischer Ausgleich
Gemäss kantonaler Praxis ist in der Sondernutzungsplanung (Gestaltungspläne) ein ökologischer Ausgleich auf 15 Prozent der Fläche des Perimeters zu leisten (§ 40a BauG). Anrechenbar sind dabei nur Grünflächen mit einem erhöhten ökologischen Wert, die nicht intensiv genutzt werden. Zur dauerhaften Sicherung dieser Flächen sind diese entsprechend im Situationsplan aufzunehmen und in den Sondernutzungsvorschriften zu sichern.
3. Planungsinstrumente
Die Online-Karte Schutzgebiete im AGIS-Geoportal sämtliche Gebiete, die kommunal, kantonal oder national unter Schutz stehen. Die Online-Karte Natur und Landschaft liefert die wichtigsten räumlichen Informationen aus dem Gebiet Natur und Landschaft.
Die Vollzugshilfe Bundesinventar der Amphibienlaichgebiete von nationaler Bedeutung des Bundesamts für Umwelt (BAFU) enthält wertvolle Hinweise für die planerische Umsetzung.
3.1 Umsetzungsbeispiele für die BNO