G5 Chancengleichheit
Die Chancengleichheit ist im Kanton Aargau nach wie vor nicht erreicht. Im Arbeitsmarkt − insbesondere in Kaderpositionen sowie in der Politik − sind Frauen untervertreten. Auch bei der Behindertengleichstellung gibt es weiteren Handlungsbedarf.
Chancengleichheit zielt darauf ab, dass alle Mitglieder der Gesellschaft ihr individuelles Potenzial entfalten und ihre Lebensgestaltung selbst in die Hand nehmen können, ohne durch Diskriminierung und Armut eingeschränkt zu werden. Um individuelle Lebensqualität und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu gewährleisten, sollen alle Menschen die Möglichkeit erhalten, uneingeschränkt an der Gesellschaft teilzuhaben und ihre Perspektive einzubringen.
Institutionelle Rahmenbedingungen wie der gleichberechtigte Zugang zu Existenzgrundlagen oder die Teilhabe an gesellschaftlichen Entscheiden sind Voraussetzungen für Chancengleichheit.
Indikatoren: Anteil Frauen in Kaderpositionen und Integrationsquote beeinträchtigter Kinder in der Volksschule
Chancengleichheit wird einerseits gemessen durch den Anteil Frauen in Kaderpositionen, welcher zunehmen soll. Andererseits wird die Integration beeinträchtigter Kinder in die Volksschule betrachtet. Der Anteil der Schülerinnen und Schüler, die in Regelschulen integriert sind, soll zunehmen.
Der Indikator zeigt den Frauenanteil in Kaderpositionen an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen in Kaderpositionen.
Frauen in Kaderpositionen, Aargau und Schweiz, 2010 - 2022
langfristig (seit 2010) | positiv |
kurzfristig (seit 2020) | positiv |
Der Indikator zeigt den Anteil aller Schülerinnen und Schüler, die in Regelschulen integriert sind und nicht in Sonderschulen unterrichtet werden.
Integrationsquote in Regelschulen, Aargau, 2012 - 2023
langfristig (seit 2012) | unverändert |
kurzfristig (seit 2020) | unverändert |
Stand 2024
Trotz Fortschritten in der Gleichstellung besteht weiterhin Handlungsbedarf
Im Allgemeinen haben Frauen eine niedrigere berufliche Stellung als Männer, die deutlich häufiger eine leitende Funktion innehaben (BFS 2024a). Der Anteil Frauen in Kaderpositionen im Kanton Aargau bewegt sich seit 15 Jahren leicht unter dem Schweizer Durchschnitt und liegt 2022 bei 33,6 % (Schweizer Durchschnitt 2022: 34 %) (BFS 2024b). Im Gegensatz dazu sind die Abschlussquoten der Frauen an universitären Hochschulen sowie Fach- und pädagogischen Hochschulen seit 2008 schweizweit höher als diejenige der Männer (BFS 2023a).
Auch in der Politik sind die Frauen untervertreten. Bei den Nationalratswahlen 2023 ist der Frauenanteil im Vergleich zu den Nationalratswahlen 2019 unverändert bei 43,8 % geblieben. Das bedeutet, dass 7 von 16 Aargauer Nationalratssitzen von Frauen belegt sind. Allerdings ist der Frauenanteil in der Gesamtschweiz noch tiefer (2023: 38,5 %) (BFS 2023b).
2022 lebten 64 % der Paare mit Kindern in der Schweiz in einer traditionellen Rollenverteilung, bei der die Frau teilzeitbeschäftigt oder nicht erwerbstätig war und der Mann Vollzeit arbeitete. Die umgekehrte Erwerbsform trat gerade Mal bei 2,8 % der Paare mit Kindern auf (BFS 2023c). Teilzeitarbeit ist nach wie vor eine weibliche Domäne: Frauen machen rund drei Viertel aller Teilzeiterwerbstätigen aus (BFS 2023d). Diese Unterschiede sind auch beim kantonalen Personal sichtbar. 2023 waren 71,5 % aller Teilzeit-Mitarbeitenden des kantonalen Personals Frauen (28,5 % Männer) (DFR 2024).
Die im Rahmen des Programms "Aargau 2023 – Stärkung Wohn- und Wirtschaftsstandort" verfasste Initialstudie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die das Departement Gesundheit und Soziales in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut INFRAS 2022/2023 durchgeführt hat, zeigt auf, dass in den drei Bereichen "bedarfsgerechtes Angebot", "Finanzierung" und "Qualität" Handlungsbedarf besteht. Das Departement Gesundheit und Soziales erarbeitet im Auftrag des Regierungsrats in enger Zusammenarbeit mit den Gemeinden und unter Einbezug von Fachpersonen geeignete kommunale Unterstützungsmassnahmen und prüft eine mögliche kantonale Mit- beziehungsweise Anschubfinanzierung.
2017 wurde auf Beschluss des Grossen Rats die Fachstelle Familie und Gleichstellung mit der Fachstelle Alter zur neuen Fachstelle Alter und Familie zusammengelegt. Gleichzeitig nimmt der Kanton Aargau seine Vorbildfunktion wahr und unterzeichnete 2018 die Charta "Lohngleichheit im öffentlichen Sektor". Er verpflichtet sich dadurch, regelmässig die Lohngleichheit zwischen Frau und Mann zu überprüfen (EBG 2023a). Ausserdem ist das Geschlechterverhältnis im Angestelltenpersonal des Kantons mit einem Frauenanteil von 49,8 % sehr ausgeglichen (DFR 2024). Seit 2020 verpflichtet das revidierte Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann zudem Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber mit 100 oder mehr Beschäftigten, alle vier Jahre eine interne Lohngleichheitsanalyse durchzuführen (EBG 2023b). Die interne Lohngleichheitsanalyse der Mitarbeitenden des Kantons von 2021 ergab, dass beim Kanton Aargau angestellte Frauen 2,2 % weniger verdienen als Männer. Bei den Lehrpersonen mit Anstellungsbehörde Kanton Aargau liegt die Differenz lediglich bei 0,5 % (RR 2024). Damit ist zwar ein Geschlechtereffekt vorhanden, dieser ist jedoch sehr viel kleiner als die vom Bund definierte Schwelle von maximal 5 % (DFR, HR AG 2024).
Die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen und das Behindertengleichstellungsgesetz der Schweiz schreiben fest, dass die Kantone Menschen mit Behinderungen Zugang zu einem integrativen Bildungssystem gewährleisten müssen (UN-BRK Art. 24, BehiG Art. 20). Der Anteil Schülerinnen und Schüler, der in Regelschulen integriert ist (Integrationsquote), entwickelt sich im Kanton Aargau allerdings kaum und liegt nach wie vor unter dem Schweizer Durchschnitt (BFS 2024c). In der Folge gestaltet sich für beeinträchtigte Jugendliche der Übergang in weiterführende Ausbildungen und das Berufsleben besonders herausfordernd. Um die Regelschulen bei der Integration von Schülerinnen und Schülern mit Beeinträchtigung zu unterstützen, wurde im Kanton Aargau das behinderungsspezifische Beratungsangebot für Lehrpersonen in der Regelschule ausgebaut (BKS 2024a). Zudem werden ab Schuljahr 2024/25 vermehrt Härtefallressourcen für die Schulung von Kindern mit einem ausgewiesenen Sonderschulungsbedarf eingesetzt (BKS 2024b).
Im Erwachsenenbereich wird seit Beginn 2022 das Reformvorhaben "ambulant & stationär" umgesetzt. In diesem Rahmen wurden ambulante Unterstützungsleistungen beim selbstständigen Wohnen und im ersten Arbeitsmarkt aufgebaut. Somit wird die Selbstbestimmung von Personen mit Behinderungen im Arbeitsleben und beim Wohnen gefördert. Die Grundlage dazu wurde mit der Änderung des Betreuungsgesetzes 2022 geschaffen (BKS 2024a).
Das Behindertengleichstellungsgesetz von 2004 schreibt des Weiteren vor, dass bis 2024 alle öffentlichen Verkehrsmittel barrierefrei nutzbar sein müssen. Das Ziel ist in der Schweiz und im Kanton Aargau nicht erreicht worden. Weniger als die Hälfte der Haltestellen im Kanton Aargau, waren bis Ende 2023 barrierefrei. Deshalb müssen ab 2024 alle Haltestellen, die noch nicht barrierefrei sind, bis zu ihrem Umbau Überbrückungslösungen oder Ersatzmassnahmen anbieten (BVU 2024).
Herausforderungen
- Angesichts des Fachkräftemangels gilt es inländische Fachkräfte möglichst gut einzubinden. Dies bedingt ein bedarfsgerechtes, qualitativ gutes und für alle Eltern finanzierbares Angebot der familien- und schulergänzenden Kinderbetreuung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Tiefere Elterntarife haben einen positiven Effekt auf die Erwerbsbeteiligung vor allem der Mütter (DGS 2023a; DGS 2023b). Entsprechend kann bei einer Senkung der Elterntarife eine stärkere Erwerbsbeteiligung erwartet werden, was sich positiv auf die Ausschöpfung des Ressourcenpotenzials insbesondere in Bezug auf die Fachkräftethematik und die Steuereinnahmen auswirkt.
- Aufgrund der demographischen Entwicklung nimmt die intergenerationell geforderte Pflege von betagten Angehörigen zu. Dies verstärkt auch die Mehrfachbelastung von Erwerbstätigen und sie müssen allenfalls das Pensum reduzieren oder gar aus dem Arbeitsmarkt austreten. Damit gefährden sie auch oft ihre eigene Altersvorsorge.
- Die Erhöhung der Integrationsquote in Regelschulen ist wichtig, da Integration an der Schule ein wichtiger Grundstein für die spätere vollständige Teilnahme an der Gesellschaft ist. Allerdings stehen Regelschulen bereits an ihrer Belastungsgrenze aufgrund von mangelnden qualifizierten Lehrpersonen, im Besonderen solchen mit heilpädagogischer Zusatzqualifikation. Dadurch sind kurz- und mittelfristig keine Veränderungen zu erwarten.
- Im aktuellen Finanzierungssystem für Erwachsene mit Beeinträchtigungen, das auf Objektfinanzierung basiert, besteht die Herausforderung darin, Menschen mit Beeinträchtigungen mehr Wahlmöglichkeiten zu geben, ohne dabei die Versorgungssicherheit zu gefährden. Der Kanton Aargau arbeitet zurzeit an einem Pilotprojekt zur Subjektfinanzierung, wie sie auch in anderen Kantonen umgesetzt oder angestrebt wird. Dabei sollen die Betroffenen selbst entscheiden, welche Leistungen sie mit den zugesprochenen Gutscheinen beziehen wollen (RR 2023).
- Die Umsetzung des barrierefreien Zugangs des öffentlichen Verkehrs gemäss Behindertengleichstellungsgesetz ist für den Kanton Aargau weiterhin eine zentrale Herausforderung.
Verweise
Für das Thema "Chancengleichheit" relevante SDGs der Agenda 2030
- SDG 4: Hochwertige Bildung
- SDG 5: Geschlechtergleichheit
- SDG 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
- SDG 10: Weniger Ungleichheiten
- SDG 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden
- SDG 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen
Das Thema "Chancengleichheit" ist Teil vom Nachhaltigkeitsbericht des Kantons Aargau:
Quellen
Mitarbeit | |
---|---|
Referenzen |
|